Wie man einen Biohof übernimmt
Christian Vieth berät Bauern bei der Hofübergabe. Foto: Christian Klant

Wie man einen Biohof übernimmt

Jedes Jahr suchen hunderte Biohöfe einen Nachfolger. Eine berufliche Chance für junge Agrar-Spezialisten. Doch der Sprung in die Landwirtschaft ist nicht leicht.

Christian Vieth berät Landwirte und hat die Vermittlungsseite www.hofgruender.de entwickelt. Im Interview mit Birte Schmidt spricht er über die Probleme der Biohöfe und ihre wirtschaftliche Zukunft.

WILA Arbeitsmarkt: Woher hatten Sie die Idee, hofgründer.de zu starten?

Christian Vieth: Oh je, wie viel Zeit haben Sie denn? (lacht) Also die Motivation war, dass meine Eltern einen Nebenerwerbs-Weinanbau betrieben haben und ich es von klein auf an total toll fand, draußen zu sein. Nur gefiel es mir beim Nachbarn noch viel besser, denn der hatte Kühe und einen Trecker. Ich bin also mit der Landwirtschaft groß geworden und wollte auch eigentlich immer selber Landwirt werden.

Wie war dann ihr Werdegang?

Ich habe zunächst eine kaufmännische Ausbildung gemacht und erst danach Landwirtschaft studiert. Und da saß ich dann im fünften Semester in einer Lehrveranstaltung, die ‚Neugründung landwirtschaftlicher Betriebe‘ hieß. Ich erwartete also einen Raum mit fünf Studenten und einen Professor, der uns erklären würde, wie ebendiese funktioniert.

In der Realität saßen dort mehr als 40 Studenten, von denen keiner von einem Hof stammte, die aber alle in die praktische Landwirtschaft einsteigen wollten. Und drei Professoren, die überhaupt nicht wussten, wie eine landwirtschaftliche Gründung funktioniert.

  • Christian Vieth (40) ist Agraringenieur und Geschäftsführer der Stiftung Agrarkultur leben gGmbH. Als Initiator des Portals hofgruender.de vermittelt er seit 2008 erfolgreich junge Nachwuchsbauern an Landwirte, die ihren Hof aufgeben möchten. Zugleich ist er als Berater tätig. 

Das klingt nach keinem großen Erfolg?

Nun ja, es war der Anstoß für eine Hausarbeit, in der ich der Frage nachging, wie groß das Interesse an anderen Standorten außer der eigenen Hochschule dafür war, eine eigene Existenz zu gründen oder in die Landwirtschaft einzusteigen. Insgesamt habe ich 20 Hochschulen befragt und dabei festgestellt, dass es eine riesige Zahl an Studenten gab, die in die Landwirtschaft wollten, aber nicht von einem Hof kamen.

Zeitgleich gab es ein Forschungsprojekt zur ‚Förderung von Existenzgründungen in der Landwirtschaft‘. Da kamen leicht umsetzbare Ergebnisse heraus, die aber in der Schublade landeten. Und das hat mich dann so geärgert, dass ich mir gesagt habe, dass ich jetzt selbst aktiv werden muss. Landwirt, so habe ich mir gedacht, kann ich später immer noch werden.

Wie ging es dann weiter?

Zunächst habe ich mir überlegt, dass das Wichtigste der Zugang zu Informationen ist. Mit einem Vorlauf von einem Jahr haben wir also eine Homepage entwickelt. Und parallel dazu eine Broschüre geschrieben, damit auch die Landwirte, die noch nicht so internetaffin sind, Zugang zu dem Thema haben.

Und dann kamen meine Kommilitonen von damals und haben gesagt: ‚Du weißt doch jetzt, wie das mit dem Gründen geht, kannst du uns nicht mal Tipps geben?‘ Und so habe ich angefangen, Leute zu beraten. 2009 haben wir dann die Hofbörse implementiert und auch angefangen, unsere Berater gezielt zu schulen.

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Wie viele Biohöfe werden denn jedes Jahr übergeben?

In Deutschland gibt es rund 24 000 Biohöfe. Wenn rein rechnerisch eine Generation 30 Jahre wirtschaftet, dann werden pro Jahr 800 Betriebe übergeben. Wir wissen aber aus Untersuchungen, dass nur ca. 250 davon eine gesicherte Nachfolge haben.  

Und aus welchen Gründen wollen die Bauern ihre Höfe abgeben? Spielt immer das Alter die entscheidende Rolle?

Gerade heute Morgen habe ich mit einem Landwirt telefoniert, der nicht alt, aber erkrankt ist und jemanden sucht, der seinen Hof weiterführen möchte. Und manchmal gibt es auch Bauern, die erst Mitte 40 sind, wenn sie sich bei uns melden, weil sie im Leben  einfach auch mal etwas anderes als ihren Hof und das Dorf sehen wollen. Aber das sind tatsächlich die wenigsten. Die meisten haben Kinder, aber keinen Nachfolger für ihren Hof.

Woran liegt das?

Ganz einfach: Die Kinder wollen etwas anderes machen. Es ist heute kein Schicksal mehr, als Bauernkind geboren zu werden. Man kann seinen Beruf frei wählen. Wir haben eine Untersuchung gemacht mit dem Ergebnis, dass 50 Prozent der Betriebe Kinder haben, die beruflich etwas anderes machen wollen. 20 Prozent haben keine Kinder und bei weiteren 20 Prozent sind es wirtschaftliche Gründe, die dazu führen, dass sie keinen Nachfolger haben oder den Hof aufgeben müssen.

Übrigens gibt es Untersuchungen, die besagen, dass auch von der heutigen Generation 50+ damals nur 30 Prozent den Hof gerne übernommen haben. 

Welche Möglichkeiten gibt es neben der Hofbörse noch, um einen Nachfolger zu finden?

Wir empfehlen, dass man sich als Bauer zunächst einmal im eigenen Umfeld nach Leuten umschaut, die eine entsprechende Ausbildung in einem Betrieb oder ein Studium absolviert haben. Vielleicht weiß ja der Nachbar etwas?! Man kann aber auch  Aushänge an den Hochschulen machen.

Unser Angebot sehen wir als Ergänzung. Und das Besondere daran ist – und das grenzt uns auch von unseren Mitbewerbern ab – dass es bei uns eine professionelle Beratung gibt. Denn jemanden zu finden, der einem den Betrieb macht, ist relativ einfach. Aber daraus einen Prozess zu machen, damit das Ganze auch nachhaltig erfolgreich wird, das ist eine besondere Herausforderung. 

Was ist die Schwierigkeit?

In aller Regel finden sich bei einer außerfamiliären Hofnachfolge zwei zusammen, die sich vorher noch nicht kannten. Das ist dann für alle Beteiligten eine ganz neue Situation. Manche Bauern sagen, das sei wie verliebt sein. Das Wichtigste ist, dass man sich sympathisch ist und dass man merkt, dass aus der Beziehung etwas Gutes entstehen kann.

Wenn beide die gleichen Ziele und Werte vertreten, wollen sie es meist miteinander versuchen. Und dann gibt es einige Dinge, die man beachten kann. In den meisten Fällen ist es wichtig, dass die Bauern wissen, dass da jetzt einer nicht nur den Hof, sondern auch das Lebenswerk übernimmt. Der Nachfolger muss für das, was dort zuvor geleistet wurde, Anerkennung zeigen. Und dazu braucht es definitiv mehr als nur einen ausgebildeten Landwirt, der sagt, er kriege das schon irgendwie hin. 

Welchen beruflichen Hintergrund haben die Nachfolger denn in der Regel?

Zwei Drittel von ihnen haben studiert, der Rest hat eine Ausbildung oder einen Meister. Daneben gibt es natürlich auch Quereinsteiger, die auf der Suche sind, sich aber in der Regel mit dem, was als Betriebsleiter eines solchen Hofes gefordert ist, vollkommen überfordern. 

Was ist denn neben der fachlichen Qualifikation noch wichtig, um einen solchen Hof erfolgreich leiten zu können?

Vor allem ist wichtig, dass man weiß, was man machen will und auch darin sicher ist. Man sollte sich nicht in einem Milchviehbetrieb bewerben, wenn man vorher noch nie Kühe gemolken hat. Gleiches gilt für Biohof-Nachfolger: Für sie sollten Kenntnisse der ökologischen Landwirtschaft selbstverständlich sein. Und es macht auch keinen Sinn, wenn man sich auf einen Betrieb bewirbt, wenn man noch keine ausreichende Lebenserfahrung hat.

Also mal schnell studieren und dann einen Betrieb übernehmen klappt nicht. Da gehört schon dazu, dass man weiß, was man will, dass man trocken hinter den Ohren ist. Wir haben das jetzt gerade erst wieder gesehen, dass zwei junge Burschen einen Hof übernehmen wollten, aber einfach zu jung waren. Das gilt übrigens auch für die, die innerhalb der Familie einen Hof übernehmen. Man muss erst einmal raus und die Welt sehen, sonst macht es keinen Sinn, sich auf einen Hof zu setzen.

Wer übernimmt denn klassischerweise einen Hof?

Meistens sind es Paare und in seltenen Fällen auch mal Gruppen. Reine Einzelgänger gibt es eher nicht.

Und wie läuft die Übergabe dann praktisch ab?

Wir empfehlen, dass sich beide Seiten erst einmal kennenlernen, einen Kaffee zusammen trinken und wenn sie sich sympathisch sind, sich wiedertreffen. Irgendwann müssen sie dann eine Entscheidung treffen: Wollen wir es miteinander versuchen? Dann bietet es sich an, mal eine Woche oder ein Wochenende zusammen zu arbeiten. Da geht es ums Kennenlernen, um das Wachsen des Vertrauens.

Erst dann kommen wir dazu und gucken, wo die beiden stehen und welche Bedürfnisse sie haben. Es gibt Menschen, die wollen die Übergabe schnellstmöglich machen, aber das mögen wir nicht so gerne, weil so eine Übernahme einfach ein bisschen Zeit braucht. Andere sind noch sehr jung und wollen gerne zehn Jahre zusammenarbeiten und gemeinsam Entscheidungen treffen. Die meisten sind aber ein bis zwei Jahre zusammen unterwegs, bevor die Übergabe stattfindet.

"In der Landwirtschaft langfristig und nachhaltig zu überleben, ist auf jeden Fall nicht ganz einfach und eine Herausforderung."

Wir haben noch gar nicht über das Thema Finanzen gesprochen. Wie viel Geld muss man mitbringen, wenn man einen Hof übernehmen möchte?

Viele Landwirte geben ihren Hof zu den gleichen Konditionen wie innerhalb der Familie weiter. Sie verkaufen ihn also nicht zum Verkehrswert, sondern gegen Altenteilsleistungen als Schenkung. Das bedeutet, dass man als Nachfolger mit dem ursprünglichen Hofeigentümer Vereinbarungen zum Baraltenteil, zum Wohnrecht etc. trifft. Tatsächlich jongliert man als Landwirt aber auch darüber hinaus mit ziemlich viel Kapital – im Durchschnitt beläuft sich das Bilanzvermögen auf eine Million Euro, das ist wirklich sehr viel Geld.

Und die Konkurrenz durch die großen Betriebe erschwert die Übernahmen doch sicherlich zusätzlich, oder?

Für viele ist es wirklich nicht ganz einfach. Ein kleiner Betrieb ist nett und funktioniert auch, wenn man mit den Kunden zu tun hat. Aber man muss eben auch Geld damit verdienen. Und die meisten dieser Betriebe sind zu klein, sodass man sich als junger Mensch fragt, ob man das überhaupt schafft.

Wie ist ihre Einschätzung: Ist es heute wirklich noch empfehlenswert, einen Betrieb zu übernehmen?

Die Herausforderung ist, ein Betriebskonzept zu haben, das nicht allein auf Menge und Weltmarkt setzt. Die Biobauern haben es da ein bisschen leichter als die konventionellen Landwirte, weil die Nachfrage nach Biolebensmitteln ungebremst ist und wir da einen deutlichen Überhang haben. Aber trotzdem ist es nicht ganz leicht.

Auch der Biolandbau steht unter Druck, die Betriebe entwickeln sich zu größeren Unternehmen, die über die Größe entsprechend niedrigere Erzeugerpreise anbieten können. Das macht es für viele kleiner Biobetriebe schwierig. Da brauchen wir dann einfach auch Verbraucher, die bereit sind, mehr für Biolebensmittel zu bezahlen.

Und da habe ich meine Bedenken, ob es wirklich genügend Verbraucher gibt, die mit ihrem Portemonnaie das goutieren, was die Bauern für sie leisten. In der Landwirtschaft langfristig und nachhaltig zu überleben, ist auf jeden Fall nicht ganz einfach und eine Herausforderung.

Ist Landwirt für sie trotzdem nach wie vor ein Traumjob?

Auf jeden Fall ist Landwirt der tollste Beruf der Welt, vor allem, weil man viel praktisch arbeitet und viel mit Menschen zu tun hat. Gleichzeitig verbringt man auch viel Zeit im Büro, dadurch ist es total abwechslungsreich und großartig. Aber es ist kein Selbstläufer, und man muss ein Unternehmertyp sein, um diesen Beruf auszuüben, sonst schafft man es nicht. 

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