Führen Frauen anders?
Es müssen schneller mehr Frauen in den Führungsetagen der Unternehmen ankommen, damit sich etwas am Gesamtsystem ändert. Foto: Clipdealer

Führen Frauen anders?

Zufriedenere Mitarbeiter/innen und bessere Bilanzen: Das Potenzial von Frauen in Führungspositionen wird immer noch unterschätzt. Dabei punkten viele Chefinnen mit einem alternativen Leitungssstil.

Text: Janna Degener 

Nicole Bick (33) hat nach ihrem Studium promoviert und ist dann in ein Wirtschaftsunternehmen eingestiegen. Schon als Berufseinsteigerin war es ihr wichtig, viel Verantwortung zu übernehmen. Sie holte also immer wieder Feedback bei ihrem Chef ein und betonte, dass sie gerne ein Projekt leiten würde.

Ihr Vorgesetzter war offen erstaunt darüber, dass sie so früh so viel Wert darauf legte, gab ihr aber tatsächlich schnell die Möglichkeit, über ein Jahr hinweg ein interdisziplinäres Team zu leiten. Nicole Bick merkte schnell, dass mit der Aufgabe Druck von allen Seiten verbunden war. Ihre Mitarbeiter/innen erwarteten von ihr nicht nur gute Ideen, sondern auch eine intensive Vor- und Nachbereitung der wöchentlich stattfindenden Treffen sowie die Fähigkeit zu delegieren und alle einzubinden.

In einem speziellen Führungskräfteseminar für Frauen holte sie sich Hintergrundwissen und tauschte sich mit anderen aus – weil sie in ihrem Studium ausschließlich fachlich ausgebildet und nicht auf eine Führungsaufgabe vorbereitet worden war. Außerdem begann sie, sich als Repräsentantin des Young Business and Professional Women Bonn e.V.  für einen erfolgreichen Berufseinstieg von Frauen zu engagieren. Nach einer einjährigen Elternzeit hat Nicole Bick bei einem neuen Arbeitgeber begonnen und freut sich nun auf weitere spannende Aufgaben mit viel Verantwortung. 

Wollen Frauen nicht führen? 

Frauen sind in Führungspositionen und gerade in den Chefetagen sehr großer Unternehmen nach wie vor eine Minderheit. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein häufiges Argument lautet, dass viele Frauen – ganz anders als Nicole Bick – schlicht nicht führen wollen.

Marianne Gühlcke, die Seminare, Workshops und Coachings für Frauen anbietet, sagt dazu: „Viele Frauen wollen keine Führungsposition innehaben, weil sie ihre berufliche Tätigkeit mit Familienaufgaben vereinbaren wollen und Führungsjobs in der Regel nicht für Teilzeitarbeit ausgeschrieben werden. Im Gegenteil: Häufig handelt es sich bei Führungstätigkeiten um mehr als Vollzeitjobs, die Teilnahme an vielen offiziellen und inoffiziellen Meetings wird vorausgesetzt. Das ist schon lange so, und daran hat sich bisher nichts geändert.“

Andere Expert/innen halten diese Aussage für falsch: „Man braucht sich doch nicht zu wundern, wenn Frauen nicht mehr wollen, wenn selbst jenen, die es wollen und gut können, das Leben in den oberen Führungsetagen so schwer gemacht wird, wie es immer noch geschieht – sodass sie sogar aus Dax-Vorständen wieder ausgestiegen sind“, sagt Dr. Monika Stützle-Hebel, die mit ihrer Kollegin Elisabeth Westermann Seminare zum Thema „Frauen führen anders“ anbietet.

Zudem gelte auch für viele junge Väter, dass sie ihre beruflichen Tätigkeiten mit ihren Familienaufgaben vereinbaren wollen: „Aber sie werden dafür verhöhnt.“ Dass Führung nur in Vollzeit (und mehr) funktoniere, sei ein Märchen, das dazu diene, Frauen und familienorientierte Männer aus dem Rennen zu halten. Allerdings erfordere Führung in Teilzeit nicht ein patriarchal-autokratisches, sondern ein partizipatives Führungsverhalten. 

„Früher einmal mag es sinnvoll gewesen sein, dass Frauen sich nur um die Familien kümmern. Inzwischen führt das dazu, dass Frauen unter Altersarmut leiden."

Henrike von Platen, Expertin beim Forum Equal Pay Day und ehemalige Präsidentin des Verbands Business and Professional Women Germany (BPW), betont, dass Frauen häufig genauer abwägen, ob eine Führungsaufgabe für sie in Frage kommt: „Manchmal wird gesagt, Frauen seien nicht so risikoaffin. Das glaube ich allerdings nicht, sondern ich bin der Meinung, dass sie Risiken anders durchdenken, weil sie dazu neigen, dass Große und Ganze im Blick zu haben.“

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Außerdem gebe es auf Seiten von Männern wie Frauen weiterhin konservative Einstellungen beim Thema Familie und Beruf. „Das heute noch verbreitete männerdominierte System ist historisch gewachsen“, sagt Henrike von Platen. „Früher einmal mag es sinnvoll gewesen sein, dass Frauen sich um die Familien kümmern und andere häusliche, unbezahlte Arbeiten verrichten, die heute bestenfalls schlecht bezahlt werden. Inzwischen führt das dazu, dass Frauen unter Altersarmut leiden. Wir müssen uns von alten Zöpfen trennen und bereit sein, gemeinsam neue Wege zu gehen.“

Mit der konservativen Einstellung lässt sich auch begründen, warum Entscheider/innen sich bei Einstellungsverfahren gerne für Persönlichkeiten entscheiden, die ihnen selbst ähneln – etwa in Hinsicht auf das Alter oder das Geschlecht. „Die Unternehmen sagen, dass sie nach Qualifikationen einstellen. Wenn dem tatsächlich so wäre, müssten die Frauen in der Mehrzahl sein, auch weil sie laut Studien häufig die besseren Abschlüsse als Männer haben“, betont Henrike von Platen.

Das zeigt sich besonders im Hochschulbereich. „Mädchen machen das bessere Abitur, kommen durchs  Studium, auch die Zahl der weiblichen Doktoranden hat sich erhöht, aber dann hört es auch auf“, beobachtet Elisabeth Westermann.

"In den vergangenen hundert Jahren ist auf freiwilliger Basis in Sachen Gleichberechtigung kaum etwas passiert."

Darüber hinaus ist es für Frauen ein Nachteil, dass Jobs häufig über Netzwerke vergeben werden. „Viele Stellen werden nicht ausgeschrieben, sondern an Menschen vergeben, die einer der Kollegen kennt. In die über Jahrzehnte gewachsenen Netzwerke von Männern kommen Frauen aber nicht so leicht herein“, erklärt Henrike von Platen.

Da es hier um Macht und Geld gehe und sich so ein gewachsenes System nur sehr langsam verändere, sind Gesetze wie die Quotenregelung der Expertin zufolge unverzichtbar. „Wir müssen über unseren historischen Schatten springen“, fordert Henrike von Platen. „Weil in den vergangenen hundert Jahren auf freiwilliger Basis in Sachen Gleichberechtigung kaum etwas passiert ist, ist die Quote ein extrem wichtiger Schritt. Die Unternehmen bewegen sich nur mit Druck, der entweder von außen kommt oder dadurch entsteht, dass ihnen etwas richtig weh tut. Letzteres ist bisher noch nicht der Fall.“ 

Erfolge der Quote

Tatsächlich hat die gesetzliche Frauenquote ihr Ziel zwar noch nicht erreicht, aber offenbar deutlich Wirkung gezeigt. Seit 2016 müssen 30 Prozent der Positionen in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen von Frauen besetzt sein. Das Gleiche gilt für große Unternehmen, die der Mitbestimmung unterliegen.

  • Der Frauenanteil in Führungsetagen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, wie der Women-on-Board-Index 100 der Initiative Frauen in Aufsichtsräte (FidAR) zeigt. Der Frauenanteil ist in Aufsichtsräten demnach seit 2011 von 10 Prozent auf 25 Prozent und in Vorständen von 3 auf 6,5 Prozent geklettert. Derzeit haben 15,6 Prozent der untersuchten Unternehmen keine Frau im Aufsichtsrat, 2011 war es noch die Hälfte der Unternehmen.

Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass der höhere Anteil von Frauen in den Führungsetagen sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens auswirken kann. Die McKinsey-Studie „WomenMatter“ aus dem Jahr 2007 etwa untersuchte die Kriterien Führung, Richtung, Umfeld und Werte, Verantwortlichkeit, Fähigkeiten, Koordination und Kontrolle, Motivation, Innovation und Außenorientierung.

Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Unternehmen, in denen mehrere Frauen in oberen Führungspositionen vertreten sind, bei jedem dieser Kriterien besser abschneiden als Unternehmen, in denen keine Frau an der Spitze steht. Besonders ausgeprägt ist die Differenz laut der Studie bei Unternehmen, in denen Frauen mindestens drei von zehn Topmanagement-Positionen bekleiden.

„Es müssen schneller mehr Frauen in den Führungsetagen der Unternehmen ankommen"

Dass mehr als eine oder zwei Frauen nötig sind, um die Kultur eines Unternehmens zu verändern, ist für Expertinnen leicht erklärbar. „Individuen passen sich Gruppenkulturen an. Das gilt auch für einzelne Frauen, die in die Männerkultur am Arbeitsplatz eintauchen“, sagt Elisabeth Westermann. „Dadurch kann man den Eindruck bekommen, dass Frauen sich wie Männer verhalten. Erst wenn mehrere Frauen auf gleicher Ebene eine Rolle haben, kann sich die Kultur im Aufsichtsrat oder im Vorstand eines Dax-Unternehmens verändern.“

Auch Henrike von Platen betont: „Es müssen schneller mehr Frauen in den Führungsetagen der Unternehmen ankommen, denn wenn sie sich erst mühsam durch das patriarchalische System gekämpft haben, haben sie viele typisch männliche Eigenschaften angenommen. Die Vielfalt der Eigenschaften wird somit nicht größer. Um als Gruppe wahrgenommen zu werden, müssen sie zudem mindestens 30 Prozent der jeweiligen Gruppe ausmachen.“ 

Die Chefin als Vorbild

Dennoch wird immer wieder betont, dass auch einzelne Frauen in Führungspositionen eine symbolische Funktion einnehmen, wenn sie von anderen als Vorbild wahrgenommen werden. Monika Stützle-Hebel etwa kann sich vorstellen, dass sich die Vorbildfunktion auf andere Mitarbeiter/innen auswirkt und dass durch die Signalwirkung auch die Arbeitgebermarke gestärkt werden kann. „Es gibt viele Gründe dafür, dass es in Führungsetagen eine höhere Diversität geben sollte“, sagt sie. „Gender ist dabei nur ein Aspekt“. 

Die Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu hat ausgewertet, wie Mitarbeiter/innen ihre Arbeitgeber bewerten – in Abhängigkeit davon, ob sie eine Frau oder einen Mann als Chef/in haben. Dabei zeigte sich: In Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil in der Führungsebene werden die Arbeitsbedingungen insgesamt, aber auch die Work-Life-Balance, das Verhalten der Vorgesetzten, die Arbeitsatmosphäre, der Umgang mit älteren Arbeitnehmer/innen sowie die Gleichberechtigung innerhalb des Unternehmens positiver bewertet.

In einer weiteren Untersuchung zeigte sich, dass Unternehmen mit mehr Frauen in der Führungsebene laut den Beschäftigten mehr Fokus auf Kunden- und Mitarbeiterbindung setzen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum Beispiel durch Betriebskindergärten stärker fördern, Weiterbildungsmaßnahmen einen größeren Raum geben und weniger häufig einen Fokus auf Dienstwagen legen.

Die Kununu-Auswertung ist zwar nicht repräsentativ, bezieht sich aber immerhin auf 20.000 Bewertungen von 160 börsennotierten Unternehmen. „Wir fragen das Thema Gleichberechtigung in Unternehmen seit jeher als eine von 13 Kategorien bei unseren Usern ab“, erklärt Kununus-Pressesprecher Johannes Prüller. „Anstoß für die vorliegende Studie war die zunehmende gesellschaftliche Relevanz des Themas und die Emotion, mit der die Debatte geführt wird. Was bisher aber fehlte, waren konkrete Angaben darüber, wie sich der Frauenanteil in Vorständen auf das Gleichberechtigungsempfinden der Mitarbeiter auswirkt.“

Beliebte Chefinnen

Dass Mitarbeiter/innen die Arbeitsbedingungen positiver einschätzen, wenn unter ihren Chefinnen und Chefs auch Frauen sind, überrascht Monika Stützle-Hebel nicht. „Aus Forschungsergebnissen, die sich auch in unseren Seminaren spiegeln, wissen wir, dass Frauen tendenziell stärker aufs Team schauen und versuchen, ihre Mitarbeiter/innen einzubeziehen.“

Das hängt offenbar auch damit zusammen, dass Frauen im Schnitt eine höhere Bindungsorientierung an den Tag legen. „Für Frauen ist das persönliche Gewinnen und Vornestehen nicht so wichtig – obwohl das vielleicht manchmal für sie persönlich besser wäre. Stattdessen legen sie viel Wert darauf, dass das, was sie tun, gut für Andere ist. Das kann die reine Gewinnorientierung in den Unternehmen ein Stück weit korrigieren und auch das Problem, dass sich viele Menschen von ihren Chefs nicht richtig informiert oder sogar ausgetrickst fühlen“, meint Monika Stützle-Hebel. 

Gewissenhafte Führung 

Frauen orientieren sich, wenn es um Macht und Einfluss geht, stärker an den Regeln und Normen einer Organisation. Sie thematisieren zum Beispiel, was gut für das Unternehmen ist. Männer dagegen legen den Fokus im Schnitt viel stärker auf ihren eigenen Einfluss. Monika Stützle-Hebel sagt: „Weibliche Führungskulturen sind partizipativer. Ich erlebe oft, dass die formulierten Führungsgrundsätze in Unternehmen noch nicht gelebt werden, weil die Führungspersönlichkeiten sich noch zu stark an den alten patriarchalischen Strukturen orientieren.“

Frauen bewirkten da mehr, indem sie ihre Mitarbeiter/innen in Entscheidungsprozesse einbeziehen und sie dazu anregen, ihre Meinungen zu äußern: „Wenn Mitarbeiter/innen einen patriarchalischen Führungsstil gewohnt sind, benötigen sie häufig diesen Impuls, damit sie überhaupt anfangen, sich selbst Gedanken zu machen. Wenn mehr Frauen in Führung wären, würde es diesen Impuls geben – vorausgesetzt, sie bringen einen typisch weiblichen Führungsstil mit.“

Marianne Gühlcke stellt in den Seminaren, die sie für den Wissenschaftsladen Bonn durchführt, oft fest, dass gerade Frauen, die im sozialen Bereich tätig sind, auch im Kontakt mit Mitarbeiter/innen auf die Beziehungsebene fokussiert sind. Bei Naturwissenschaftlerinnen sei das weniger der Fall, doch auch sie denken ihre Führungsrolle häufig weniger strategisch als viele Männer, sondern halten die eigentliche Arbeit für das Wichtigste. 

Was die Quote nicht leistet

Die aktuelle Quote, nach der 30 Prozent der neu zu besetzenden Aufsichtsratsmitglieder Frauen sein sollen, ist für Monika Stützle-Hebel nicht mehr als ein Papiertiger. Denn über diesen Modus dauert es ihrer Meinung nach sehr lange, bis 30 Prozent der Aufsichtsratspositionen mit Frauen besetzt sind, und noch viel länger, bis Frauen auch in den Vorständen der Unternehmen eine wichtige Rolle spielen: „Selbst wenn Frauen 30 Prozent der  Aufsichtsräte ausmachen, sind sie bei der Wahl des Vorstandes in der Minderheit, sodass Frauen es über die Quotenregelung nach wie vor sehr schwer haben, in die Vorstände zu kommen.“

Zudem sollte es laut Monika Stützle-Hebel Möglichkeiten der Reflektion, der Supervision und des Coachings geben, damit die Aufsichtsratsmitglieder unter professioneller Unterstützung reflektieren, wie sie in dem Gremium miteinander umgehen wollen, welche Bilder von Führung sie haben und wie sie sie leben. Dass Frauen in der Tendenz offenbar anders arbeiten und führen als Männer, scheint ihnen in den bis dato existierenden Strukturen zunächst einmal vor allem Nachteile zu bringen. 

Frauen im Nachteil

Weil für Frauen oft die Frage mitschwebt, ob sie Beziehungen gefährden, haben sie, so Henrike von Platen, eher Schwierigkeiten, untereinander zu konkurrieren als Männer, denen es häufig leichter fällt, eine sportliche Konkurrenz einzugehen. Dabei gehe es häufig nicht darum, wer sachlich die bessere Lösung hat, sondern einfach nur darum, wer das Sagen hat. „Auch wenn das natürlich nicht für alle Männer und für alle Frauen zutrifft: Im Schnitt können Männer besser zwischen sportlicher Konkurrenz und der Beziehungsebene trennen als Frauen. Sie können sich richtig kloppen und hinterher ein Bier miteinander trinken“, meint Henrike von Platen.

Wenn Frauen den Stil der Männer übernehmen, sei keinem geholfen. Außerdem führe das schnell dazu, dass sie von Männern wie Frauen nicht mehr als authentisch wahrgenommen würden, betont Monika Stützle-Hebel. „Das führt dazu, dass Frauen oft in einem Dilemma sind. Sie dürfen nicht zu dominant sein, wollen und müssen sich aber dennoch Gehör verschaffen: Dominanz wird einerseits als nicht weiblich angesehen, andererseits aber als für höhere Führungspositionen unverzichtbar gehalten“, sagt die Expertin.

Letztlich würden auch Männer davon profitieren, wenn in den Führungsetagen mehr Frauen wären. „Frauen bringen im Schnitt ein paar andere Führungsstile mit als Männer. Wenn diese Stile zu wenig Raum einnehmen, wie das bisher der Fall ist, dann ist die Mischung nicht perfekt. Wenn stattdessen etwa die Hälfte der Führungspositionen von Frauen und die andere Hälfte von Männern besetzt wären, hätten alle ein ausgeglicheneres Verhältnis zwischen- Arbeits- und Privatleben, sodass etwa Väter wie Mütter ihre Kinder ohne Stress von der Kita abholen könnten“, sagt Henrike von Platen. Sie ist davon überzeugt, dass es für beide Geschlechter eine positive Entwicklung wäre, wenn sich die Strukturen so verändern würden, dass sie für Männer und Frauen gleichberechtigt wären. 

Angst vor neuer Konkurrenz?

Dennoch nehmen Männer an Diskussionen über Geschlechterthemen häufig nicht teil. Elisabeth Westermann betont, dass Männer entsprechende Diskussionsangebote, die auch von den Unternehmen geschaffen werden, häufig nicht in Anspruch nehmen und Frauen dafür belächeln, sodass Frauen Seminare und Coaching-Angebote häufig lieber privat bezahlen als durch ihre Teilnahme an Angeboten im Unternehmen Irritationen auszulösen.

Henrike von Platen führt das darauf zurück, dass die Männer Angst vor neuer Konkurrenz haben. „Im Moment können ihnen nur andere Männer ihre Macht und ihr Geld streitig machen. Wenn auch Frauen zu gleichberechtigten Konkurrentinnen werden, steigt zu Recht die Verlustangst. Gerade die älteren Männer wollen ihre bisherigen Arbeits- und Lebensstile zudem nicht in Frage stellen“, erklärt Henrike von Platen.  Das sei eine Übergangsphase, die überwunden werden müsse.

In Seminaren und Workshops haben Frauen die Möglichkeit, mit anderen betroffenen Frauen über Probleme zu sprechen und gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln. „Dadurch lernen sie, ihre Schwierigkeiten nicht ausschließlich als individuelles Versagen zu begreifen, sondern die Systemfehler zu erkennen, die dahinterstecken“, erklärt Elisabeth Westermann.

Durch die andere Perspektive, die sie auf die Prozesse bekommen, erhöhe sich auch ihre Handlungsfähigkeit, und der Austausch gebe ihnen eine größere Selbstsicherheit. Welche Lösungen in den Diskussionen konkret gefunden werden, hängt laut Monika Stützle-Hebel von der einzelnen Frau und der jeweiligen Situation ab: „Es geht letztlich meist darum, wie in einer Gruppe die Machtprozesse laufen, mit wem sich frau verbünden kann und wie sie auf diese Weise in der Gruppe mehr Gehör findet.“

Wenn beispielsweise eine Frau erzähle, dass sie sich in einem Leitungsgremium von einigen der anderen Mitglieder nicht ernst genommen fühlt, sehe man sich gemeinsam an, welches Verhältnis die Frau zu den anderen Personen hat, welche Konstellationen es zwischen den anderen gibt und wer in der Gruppe welche Interessen verfolgt. „Wenn diese Fragen erörtert sind, gilt es, einen kreativen Prozess in der Gruppe anzustoßen und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Bei diesen Analysen reflektieren die Frauen ihre Probleme, weil sie besser mit ihnen umgehen können, wenn sie sich ihrer bewusst sind. Zudem trainieren die Frauen in dem Prozess gleichzeitig, genau darauf zu achten, was innerhalb der Diskussionsgruppe passiert. Das ist beim Thema Führung das A und O.“

Tipps für Berufseinsteigerinnen

Berufseinsteigerinnen sollten, so die Expertinnen, auf ihr Selbstmarketing achten und in die Öffentlichkeit gehen, um sich zu vernetzen. Wichtig sei auch, dass Frauen sich schon früh mit ihrer Karriereentwicklung identifizieren. Denn wenn sie von vornherein sagen, dass beruflicher Erfolg zu ihrer Identität gehört, planen sie die Entwicklung ein, ohne sie Zufällen zu überlassen. Das tun viele Männer seit jeher, und sie sind damit bis heute im Schnitt deutlich erfolgreicher.

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