Jobs: Soziale Arbeit in Behörden
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Jobs: Soziale Arbeit in Behörden

Wer Sozialpädagogik oder Soziale Arbeit studiert, hat gute Chancen, im Öffentlichen Dienst zu landen. Ein Sechstel aller Absolventinnen und Absolventen arbeitet in Behörden. Dort unterstützen die Fachkräfte Wohnungslose oder helfen bei der Arbeitssuche.

Text: Janna Degener

Eva Naumann hatte sich ihren Berufseinstieg einfacher vorgestellt. Nachdem sie endlich ihr Diplom in Sozialer Arbeit in der Tasche hatte, war sie erst einmal ein ganzes Jahr arbeitslos. In den Jobcentern, die in dieser Zeit von den Arbeitsagenturen neu eingeführt wurden, fühlte sie sich nicht gut beraten: Sie hatte den Eindruck, dass ihre Vermittler durch die Neuerungen verwirrt waren oder sich nicht in die gesetzlichen Änderungen einarbeiten wollten.

Als man ihr schließlich in ihrer Branche einen Ein-Euro-fünfzig-Job anbot, hatte sie die Nase voll: Auf den Rat einer Bekannten hin bewarb sich die Berufseinsteigerin kurzerhand selbst als Arbeitsvermittlerin beim Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin und bekam nach einem Vorstellungsgespräch auch prompt eine Stelle – die die 35-Jährige inzwischen seit zehn Jahren innehat.  

Anders als Eva Naumann hatte der Sozialarbeiter Christoph Poppe schon 20 Jahre Berufserfahrung bei verschiedenen freien Trägern gesammelt, bevor er sich auf der Suche nach einem sicheren Arbeitsplatz bei einer Behörde bewarb. Sechs Jahre lang war er bei einem großen Suchthilfeträger tätig gewesen und hatte als externer Drogenberater in einer Justizvollzugsanstalt versucht, Inhaftierte in therapeutische Maßnahmen zu vermitteln.

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Zehn Jahre lang hatte er bei einem freien Träger gearbeitet, der persönliche Hilfen im Bereich des Betreuten Wohnens anbietet. Und auch in der psychosozialen Betreuung von HIV-Infizierten und Aids-Erkrankten sowie in einem HIV-Hospiz für langjährige Drogengebrauchende und Aids-Erkrankte, in einer psychologischen Ambulanz sowie als Schuldenberater hatte Christoph Poppe Erfahrungen gesammelt, bevor er sich für den Einstieg in den Öffentlichen Dienst entschied. Nun ist er als Sozialarbeiter bei der Sozialen Wohnhilfe des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin tätig. Die Einrichtung bietet sozialpädagogische Beratung und Unterstützung für Betroffene von Wohnungsnotfällen, Mietschulden oder Obdachlosigkeit an.

Eva Naumann ist als Arbeitsvermittlerin im U25-Bereich tätig. Das heißt, sie kümmert sich um 15- bis 25-Jährige mit ganz verschiedenen Problemen und Bedürfnissen. „Viele Kundinnen und Kunden kommen aus unterschiedlichsten kulturellen Kontexten, haben Probleme, sich in der Mischkultur zurechtzufinden und müssen auch familiären Verpflichtungen gerecht werden. Außerdem betreuen wir Brennpunktquartiere, teilweise sind unsere Kunden zeitweilig inhaftiert oder sie konsumieren Drogen. Menschen, die einfach nur den passenden Ausbildungsberuf suchen, sind eher die Seltenheit“, erzählt die Sozialarbeiterin.

Darüber hinaus arbeitet Eva Naumann seit einem Jahr für die Jugendberufsagentur – einen Berliner Zusammenschluss von Arbeitsvermittlern aus Jobcentern, der klassischen Berufsberatung, der Jugendhilfe und dem Senat, der ebenso Unterstützungsmöglichkeiten anbietet. „Damit die verschiedenen Hilfen aus einer Hand kommen, bieten wir eine ganzheitliche Betreuung für Jugendliche, die nicht einfach nur arbeiten, sondern gerne eine Ausbildung machen möchten“, erklärt sie. „Wir haben nur Kundinnen und Kunden, die perspektivisch innerhalb von vierundzwanzig Monaten ausbildungsreif werden.“ Eva Naumann arbeitet auch mit Schulklassen, die kurz vor dem Abschluss stehen: Sie überlegt gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern, wohin es beruflich für sie gehen soll und welche Unterstützungsmöglichkeiten in Frage kommen.

Warum Soziale Arbeit studieren? 

Wie viele Studierende der Sozialen Arbeit hat Eva Naumann sich für ihr Studienfach entschieden, weil sie unbedingt mit Menschen arbeiten wollte. Deshalb, ist sie überzeugt, fühlt sie sich in ihrem Job als Arbeitsvermittlerin auch so wohl. „Um in diesem Beruf zu arbeiten, wird zwar nur irgendein akademischer Abschluss gefordert“, sagt sie. Ihre Kolleginnen und Kollegen kämen deswegen aus verschiedenen Fachbereichen, von BWL, Psychologie, Soziologie bis hin zum Quereinstieg. „Dennoch handelt es sich – wenn man die Tätigkeit und den Beratungsauftrag der Jobcenter ernst nimmt – um eine klassische Sozialarbeiteraufgabe“, stellt Eva Naumann klar. „Es ist sehr anspruchsvoll, jedem Kunden und jeder Kundin empathisch, aufgeschlossen und unvoreingenommen entgegenzutreten.“ 

Auch Christoph Poppe und seine Kolleginnen und Kollegen müssen bei ihrer täglichen Arbeit in der Sozialen Wohnhilfe viel Empathie aufbringen. Ihre Aufgaben teilen sich in drei Schwerpunkte: Sie müssen erstens dafür sorgen, dass Menschen, die keine Wohnung haben, die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährden. Zweitens müssen sie Wohnungslosigkeit vorbeugen, indem sie über die Übernahme von Mietschulden entscheiden. Und drittens müssen sie persönliche Hilfen wie das Betreute Wohnen oder eine therapeutische Wohngemeinschaft beschließen und diese Aufgaben dann an freie Träger delegieren. 

Unterbringung organisieren, Sozialberichte erstellen, Hilfe koordinieren  

Damit die Hilfesuchenden nicht von Büro zu Büro wandern müssen, muss Christoph Poppe in der Lage sein, alle drei Arbeitsbereiche abzudecken. „Es kommt immer mal wieder vor, dass ein Mensch sich bei uns wegen Mietschulden vorstellt. Wir telefonieren dann mit Vermietern oder Energieversorgern, um die Menschen zu entschulden und den Wohnraum langfristig zu garantieren. Wenn unsere Bemühungen zur Übernahme der Mietschulden aber beispielsweise am fehlenden Entgegenkommen der Vermieter scheitern, müssen wir eine Unterbringung für die Person organisieren", sagt er.

"Eine erste Anlaufstelle ist die Berliner Unterbringungsleitstelle, die alle freien Wohnheimplätze meldet. Häufig finden wir dort aber keine geeignete Unterkunft, sodass wir telefonisch bei privat betriebenen Wohnheimen anfragen, um ein Zimmer für Person X oder – noch schwieriger – Familie Y mit sieben Personen zu finden. Möglicherweise wird dann deutlich, dass die Person auch persönliche Hilfen benötigt. Nur wenn alle Kolleginnen und Kollegen alle diese Bereiche abdecken können, können wir garantieren, dass ein Kunde oder eine Kundin mit allen Belangen durch eine Person betreut werden kann“, erklärt Christoph Poppe. Er kümmert sich darüber hinaus auch um gesetzliche Betreuungsverfahren. Das heißt, er besucht Haushalte und erstellt dann Sozialberichte zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Betreuung.

„In den letzten Jahren ist die Klientel sehr viel schwieriger geworden“

Zweimal pro Woche bietet das Team der Sozialen Wohnhilfe offene Sprechstunden an. An den anderen Wochentagen wird mit Terminen gearbeitet. Wie die Arbeitsvermittlerin Eva Naumann beschreibt auch Christoph Poppe den persönlichen Kontakt zu den Menschen sowohl als Bereicherung als auch als Herausforderung. „In den letzten Jahren ist die Klientel sehr viel schwieriger geworden“, berichtet er. „Es gibt zum Beispiel Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Behinderungen, die aus dem System herausfallen und einen sensiblen Umgang benötigen.“

Auch der Sozialarbeiter Michael Rottig hat zum Teil mit schwierigen Klienten zu tun. Der 62-Jährige ist Gruppenleiter beim Sozialpsychiatrischen Dienst im Gesundheitsamt des Bezirks Steglitz-Zehlendorf in Berlin. Die Einrichtung betreut psychisch kranke, suchtkranke und geistig behinderte Menschen. Michael Rottig und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind von Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr ansprechbar, um bei Bedarf an Hilfsangebote verschiedener Träger zu vermitteln und zu prüfen, welche Kosten dadurch anfallen und durch wen sie getragen werden können.

"Manchmal fühle ich mich wie in einem Reisebüro"

Beratung und Betreuung erfolgen auch in Form von Hausbesuchen. Darüber hinaus gehört die Krisenintervention zur Aufgabe des Sozialpsychiatrischen Dienstes. „Wenn jemand anruft und von selbst- oder fremdgefährdenden Handlungen eines psychisch kranken Menschen berichtet, fahren wir im Team (Ärztin / Sozialpädagogin) dorthin, um zu prüfen, ob die Person nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz untergebracht werden muss“, erklärt Michael Rottig. Jede der Fachkräfte ist für 350 bis 400 Betreuungsfälle zuständig. Ihre Aufgabe ist es deswegen vor allem, Hilfe zu koordinieren.

Wie die Soziale Wohnhilfe hat auch der Sozialpsychiatrische Dienst laut Michael Rottig täglich mit neuen Herausforderungen zu tun. „Wir planen unsere Tage natürlich und laden vielleicht auch Betroffene, Angehörige oder Nachbarn ein, um Gespräche mit ihnen zu führen und sie zu beraten. Allerdings kann es immer passieren, dass ein akuter Anruf kommt, sodass ich alles stehen und liegen lassen muss, um mit einem Arzt rauszufahren und eine Krisensituation zu klären.“

Der Sozialpsychiatrische Dienst arbeitet in enger Kooperation mit einem multiprofessionellen Team, das aus Psycholog/innen, Ärzt/innen und Verwaltungsmitarbeiter/innen besteht. „Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter führen die Erstgespräche, wenn Menschen zum ersten Mal zu uns kommen oder uns telefonisch kontaktieren. Um soziale und finanzielle Fragen kümmern sie sich selbst. Wenn etwa psychologisches Wissen oder ärztliche Diagnosen gefragt sind, leiten sie die Betroffenen an die Psycholog/innen und Ärzt/innen weiter. Einmal wöchentlich haben wir dann fallbezogene Teambesprechungen, in die alle wichtige fachliche Aspekte einbringen“, erklärt Michael Rottig.

Auch die Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Institutionen gehört in Behörden zum täglichen Brot: So steht beispielsweise der Soziale Wohnungsdienst in Kontakt mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst, dem Jobcenter oder dem Jugendamt, denn oft beziehen Obdachlose auch Transferleistungen, oft leben sie unter besonderen Lebensverhältnissen, und oft haben sie Kinder. „Es ist wichtig zu kooperieren und die Hilfen zu koordinieren, damit keine Energieverluste entstehen“, betont Christoph Poppe.

Arbeit mit Flüchtlingen 

Als große aktuelle Herausforderung beschreiben Christoph Poppe und Michael Rottig die Arbeit mit Geflüchteten in Berlin. „Sobald Flüchtlinge ihre Anerkennung haben und aus dem Asylbewerberleistungsgesetz herausfallen, beziehen sie Leistungen nach dem SGB II, sodass wir für sie zuständig sind. Natürlich ist es auch eine große Herausforderung, diese große Masse an Menschen unterzubringen. Manchmal fühle ich mich wie in einem Reisebüro, weil ich tagtäglich Hotel- und Pensionszimmer buche, um die Menschen von der Straße zu holen“, erzählt Christoph Poppe.

Ein großes Problem sei es auch, dass Flüchtlinge vom „Langzeitklientel“, also den deutschen Wohnungslosen, häufig als Konkurrenz wahrgenommen würden. „Viele Unterkunftsgeber ziehen es vor, ein Zimmer zu einem höheren Tagessatz an eine Familie zu vergeben als an einen einzelnen Obdachlosen. Das schürt einen gewissen Unfrieden, den wir dann natürlich auch abkriegen“, so Christoph Poppe.

„Professionelle Distanz ist das A und O. Das lernt jeder Sozialarbeiter im Studium, es muss in der Praxis aber trainiert werden.“

Michael Rottig prognostiziert einen Anstieg der Zahlen in der Eingliederungshilfe. Viele Flüchtlinge sind erst in den vergangenen Monaten in Deutschland angekommen und das Anrecht auf Eingliederungsmaßnahmen haben Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, erst nach fünfzehn Monaten. „Maßnahmen wie das Betreute Einzelwohnen oder therapeutische Wohngemeinschaften werden demnächst sicherlich häufiger von geflüchteten Menschen in Anspruch genommen“, schätzt Michael Rottig.

Auch die sprachliche Barriere sei nicht zu unterschätzen. Im Sozialpsychiatrischen Dienst des Bezirks sind deshalb zwei halbe Psychologenstellen neu geschaffen worden, wovon eine mit einem Bewerber besetzt wurde, der Arabisch spricht.

Fachkräfte im Bereich Soziale Arbeit, die die Sprachen der klassischen Migrantengruppen sprechen, sind aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen aktuell sehr gefragt – nicht nur in Behörden. Wer als Sozialarbeiter oder Sozialarbeiterin im Jobcenter, in der Sozialen Wohnhilfe oder im Sozialpsychiatrischen Dienst tätig werden möchte, sollte auf jeden Fall ein echtes Interesse an den Menschen haben, mit denen er oder sie beruflich zu tun hat.

„Die Jugendlichen merken, ob ich in der Beratung authentisch bin. Ich versuche immer, mich in ihre Lage hineinzuversetzen, um annähernd verstehen zu können, wie sie sich fühlen. Natürlich ist manchmal sanfter Druck wichtig, aber ich versuche immer, mit meinen Kundinnen und Kunden zusammenzuarbeiten und ihnen keine Entscheidungen aufzuzwängen“, sagt Eva Naumann. Darüber hinaus sei es wichtig, sich  von den persönlichen Schicksalen abgrenzen zu können: „Professionelle Distanz ist das A und O. Das lernt jeder Sozialarbeiter im Studium, es muss in der Praxis aber trainiert werden.“ 

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Christoph Poppe ist davon überzeugt, dass für eine Tätigkeit in der Sozialen Wohnhilfe darüber hinaus auch Lebens- und Berufserfahrung sowie Belastbarkeit entscheidend sind. „Gerade in Stresssituationen, also wenn der Baum brennt, ist es eine besonders große Herausforderung, empathisch zu bleiben“, erklärt er. Weil er lange „an der Basis“ gearbeitet habe, kenne er die Lebensrealitäten der Menschen, die er im Amt betreut: „Vom Schreibtisch aus sehe ich nicht, wie die Menschen tatsächlich wohnen oder was es bedeutet, über Wochen, Monate oder Jahre hinweg ohne Wohnung zu sein und in Notunterkünften zu schlafen. Berufsanfänger, die sich das nicht vorstellen können, haben größere Probleme, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen.“

Christoph Poppe arbeitet in der Sozialen Wohnhilfe vor allem „direkt am Menschen“. Wenn er seinen Kunden eine Zuweisung zu einer Unterkunft ausstellt, nehmen sie das Dokument mit zum Jobcenter, das sich dann um die Kostenübernahme für das Wohnheim, das Hotel oder die Pension kümmert und die Abrechnung übernimmt. Dennoch muss sich Christoph Poppe natürlich mit den gesetzlichen Vorgaben seiner Arbeit auskennen.

In vielen anderen Positionen in Behörden müssen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter darüber hinaus auch vielfältige administrative Aufgaben wahrnehmen. Zum Beispiel beim Jobcenter: „Wir müssen den Aufbau und die Strukturen der unterschiedlichen Maßnahmen kennen und aufeinander abstimmen können. Dabei müssen wir die vorhandenen Handlungsempfehlungen und -anweisungen beachten, um mit den Kundinnen und Kunden optimal planen zu können. Wir müssen die Kundenakten sorgfältig dokumentieren und Vereinbarungen schließen, die rechtlich sicher sind. Und da die Gesetze sich ständig ändern, müssen wir uns über diese Verfahrensweisen auf dem Laufenden halten, um immer alles präsent zu haben“, erklärt Eva Naumann.

Michael Rottig betont, dass im Sozialpsychiatrischen Dienst die Arbeit mit den Menschen weniger Raum einnimmt als bei den freien Trägern. „Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die bei einem freien Träger arbeiten, sind häufig viel dichter am Menschen. Bei uns geht es mehr darum, Begutachtungen und Stellungnahmen zu schreiben, um gegenüber einem Kostenträger wie dem Sozialamt oder einem Rentenversicherungsträger zu begründen, warum ein Mensch eine Maßnahme benötigt.“

"Nur die großen Träger werden eine Chance haben, sich am Markt zu behaupten“

Viele, die sich für den Sozialpsychia­trischen Dienst bewerben, unterschätzen nach Michael Rottigs Einschätzung, dass hier auch viel Verwaltungsarbeit zu leisten ist: „Es ist wichtig, die Sozialgesetzbücher sehr gut zu kennen und anwenden zu können. Ich kann Menschen nur weiterhelfen, wenn ich gegenüber dem Kostenträger auf den passenden Paragraphen im Gesetz verweisen kann.“ Wer für einen solchen befürwortenden Job arbeite, trage zudem eine große Verantwortung. „Eine Reha-Behandlung für einen Suchtkranken kann mehrere tausend Euro kosten. Deshalb sollte man einschätzen können, ob eine solche Maßnahme im konkreten Fall wirklich erfolgversprechend ist“, sagt Michael Rottig.

Trotzdem hat sich Christoph Poppe ganz bewusst für den Öffentlichen Dienst entschieden. „Ich bin davon überzeugt, dass sich in der Trägerlandschaft einiges verändern wird und dass langfristig nur die großen Träger eine Chance haben werden, sich am Markt zu behaupten“, begründet er seinen Entschluss. Auch Eva Naumann schätzt, dass sie im Jobcenter einen relativ sicheren Arbeitsplatz und eine unbefristete Stelle hat. Michael Rottig ist sogar verbeamtet und weist darauf hin, dass in Behörden, anders als bei freien Trägern, in der Regel keine Schichtdienste und Nachtarbeiten anstehen: „Natürlich arbeite ich auch mal abends, wenn ein Termin ansteht. Insgesamt ist der Beruf aber gut planbar und sehr familienfreundlich.“

Optimal sind die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst laut Christoph Poppe dennoch nicht. Es werde viel gespart, sodass es viele unbesetzte Jobs gebe und Einstellungsverfahren sehr lange dauern. Christoph Poppe ist auch der Meinung, dass die Arbeit in Behörden etwas schwerfälliger und hierarchischer ist als auf dem freien Trägermarkt: „Das muss aber kein Nachteil sein, weil Hierarchien auch Orientierung bieten und weil es gut ist, wenn ein Vorgesetzter einem in brenzligen Situationen den Rücken stärkt.“

Eva Naumann ist Mutter einer vierjährigen Tochter und schätzt ihre flexiblen Arbeitszeiten sowie die Tatsache, dass sie einen Tag pro Woche von Zuhause aus arbeiten kann – weil sie als stellvertretende Teamleitung auch  Arbeiten rund um die Organisation von Ausfällen und Vertretungen sowie Zielerhaltung und Jahresplanung zu erledigen hat. Dankbar ist sie auch dafür, dass sie im Jobcenter Aufstiegsmöglichkeiten hat. Ihr Ziel ist es, in naher Zukunft ein Team zu leiten.

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