"Jeder sollte einmal bei einem Start-up gearbeitet haben"
Schlechte Bezahlung und massig Überstunden oder Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Gestaltungsspielräume? Ein Gespräch über Jobaussichten bei grünen Start-ups.
Sascha Schubert (43) hat selbst drei Start-ups gegründet, bevor er vor eineinhalb Jahren hauptamtlich zum Bundesverband Deutsche Startups wechselte. Dort ist der studierte Betriebswirt stellvertretender Vorsitzender. Außerdem sitzt er in der Jury des StartGreen Awards. Mit ihm sprach Jasmin Welker. Hier geht es zum Hintergrundbericht über "Grüne Start-ups".
WILA Arbeitsmarkt: Welche Mitarbeiter suchen Start-ups speziell im grünen Bereich?
Sascha Schubert: Die fachlichen Anforderungen von Start-ups sind oft sehr ähnlich wie bei etablierten Unternehmen. Gerade bei innovativen, technologiebasierten Start-ups werden oft Akademiker mit speziellerem Hintergrund gesucht. Das können Menschen mit Wissen über Methoden oder Technik sein. Was bei grünen Start-ups noch dazu kommt: Es werden Menschen mit ökologischem Hintergrund gesucht, die an die Mission glauben, die das Start-up verfolgt. Das macht grüne Start-ups attraktiv beispielsweise für junge Leute, die eben nicht in der Erdölindustrie arbeiten wollen, sondern irgendwo, wo man das Problem „Energieversorgung“ anders löst.
Wie läuft das Personalrecruiting in Start-ups?
Von den Gründern geführte Start-ups stellen oft Personen aus ihrem Netzwerk ein: zum Beispiel ehemalige Kommilitonen oder Kollegen. Zusätzlich schreiben Start-ups Stellen auch auf Jobplattformen aus. Normalerweise sind die ersten Leute bereits vor der Gründung dabei. Die weitere Entwicklung der Mitarbeiterzahl hängt dann davon ab, wie der Markt das Produkt annimmt. Es gibt Start-ups, die haben nach zwei Jahren schon 200 Mitarbeiter, es gibt aber auch Start-ups, die haben nach derselben Zeit nur zwei Mitarbeiter.
Haben Start-ups niedrigere Anforderungen an Bewerber/innen?
Ich glaube, die Anforderungen von Start-ups sind eher höher, aber auch individueller. Die Note des Studienabschlusses ist nicht so wichtig. Oft arbeiten Mitarbeiter erstmal zur Probe. Dabei zeigt sich schnell, ob die Person etwas kann oder nicht. Generell sind Start-ups aber anspruchsvoller: Man hat eine Tätigkeit, die sich schnell verändert, der man sich anpassen muss, und man hat ein Geschäftsumfeld, das nicht etabliert ist.
Was für ein Typ Mensch muss ich sein, wenn ich bei einem Start-up mitarbeiten möchte?
Man sollte eher ein Typ sein, der damit leben kann, dass man nicht so feste Rahmenbedingungen hat. Es gibt keine fertigen Strukturen. Ich kann schneller aufsteigen, muss manchmal aber plötzlich ganz fremde Aufgaben übernehmen. Man sollte keine Beamten-Mentalität haben. Wer schon 50 ist, kann natürlich auch bei Start-ups mitarbeiten, aber könnte Probleme damit haben, wenn die Chefin erst 35 ist. Ein Start-up ist eine Herausforderung an den existenten Markt. Start-ups wollen es besser als andere machen. Daher sind Mitarbeiter gefragt, die Visionen haben und die Herausforderung lieben.
Wie gehe ich damit um, wenn das Start-up, bei dem ich gearbeitet habe, pleitegegangen ist?
In den Lebenslauf schreibe ich, wie der Arbeitgeber hieß und wann die Sache endete. Ganz einfach. Oft bemühen sich die Gründer, ihre Leute unterzukriegen, wenn das Unternehmen auf der Kippe steht. Ich kenne ein Start-up, das 80 Personen entlassen musste: Die haben innerhalb von drei Tagen eine interne Jobmesse organisiert, zu der andere Start-ups gekommen sind, um neue potenzielle Mitarbeiter kennenzulernen.
Was können Start-ups bieten?
In Start-ups gibt es flache Hierarchien, man hat einen höheren Einfluss auf Entscheidungen und sieht die Auswirkung seiner Arbeit auf das Projekt. Es herrscht einfach eine andere Kultur. Ich kenne eigentlich kein Start-up, bei dem nicht geduzt wird. Oft verbringt man auch einen Teil seiner Freizeit mit seinen Kollegen – natürlich nur wenn man das will.
Was können sie nicht bieten?
Ich glaube, dass die Gehälter in Start-ups mittlerweile kompetitiv sind, aber man wird sicher nicht so gut verdienen wie bei der Boston Consulting Group oder McKinsey. Wenn man die höchste aller Sicherheiten haben möchte, dann ist man in einem Start-up falsch. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ich mich bei einem Start-up bewerbe und dort 30 Jahre bleibe. Wenn ich feste Arbeitszeiten und immer die gleichen Kollegen um mich herum brauche, dann passt es eher nicht.
Einmal Start-up, immer Start-up?
Wenn man einmal bei einem Start-up gearbeitet hat, wo der Freiheitsgrad hoch ist und die Kollegen jung, wird es schwer, sich wieder in einer Organisation zurechtzufinden, in der die Leute 20 Jahre älter sind und der Chef zwei oder drei Hierarchiestufen über einem selbst steht. Jeder Mensch sollte einmal in einem Unternehmen arbeiten, das nicht älter als fünf Jahre ist. Ich denke, dass man sich hier wesentlich schneller weiterentwickeln kann als in einem etablierten Unternehmen.
- Das Interview ist im Infodienst WILA Arbeitsmarkt für Berufe in Umwelt und Natur erschienen. Jede Woche werden dort Stellen aus grünen Arbeitsfeldern zusammengestellt. Die Abonnent/innen erhalten so einen Überblick und Orientierung bei der Jobsuche und kommen auf neue Ideen.