So arbeiten Ghostwriter
Schreiben im Namen anderer: Ghostwriter lieben Texte und verzichten auf ihre Urhebernennung. Foto: © Thomas Bethge / Fotolia.de

So arbeiten Ghostwriter

Liebesbriefe, Sachbücher, Werbetexte, Reden, Blogartikel: Ghostwriter schreiben im Namen anderer. Ihr Name taucht dabei nicht auf. Hier erzählen drei Ghostwriter, wie sie zu ihrem Beruf gekommen sind.

Ganz große Gefühle

Laura Nunziante schreibt, was andere nicht in Worte fassen können.

Laura-Nunziante-GhostwriterinWenn Laura Nunziante über ihren beruflichen Werdegang spricht, wird es romantisch. Die 29-Jährige schreibt Liebesbriefe im Auftrag und im Namen anderer. Zwar ist das längst nicht ihre Hauptaufgabe, doch sicherlich ihre ungewöhnlichste. 

Zu ihrem besonderen Ghostwriting-Job kam die junge Frau schon während ihres Studiums des Kreativen Schreibens in London. „Alle meine Kommilitonen haben in einem Café gearbeitet. Aber ich wollte irgendetwas machen, was mich beruflich weiterbringt.“ Sie bewarb sich bei der Textagentur Feine Reime. „Dort durfte ich dann zunächst Reden für Hochzeiten und Gedichte schreiben“, erinnert sie sich. Irgendwann habe sie damit begonnen, Liebesbriefe zu schreiben und so das auf Papier zu bringen, was Verliebte vielleicht denken, aber nicht in Worte fassen können.

Seit sieben Jahren gesteht sie im Auftrag anderer ihre Liebe

Seit sieben Jahren gesteht sie nun im Auftrag anderer ihre Liebe, macht Heiratsanträge und schreibt über ganz große Gefühle. Und auch wenn es die Gefühle anderer sind, steckt in jedem Brief immer auch ein bisschen von Laura Nunziante. Mit ihren Kunden und Kundinnen führt die Autorin immer zunächst ein Vorgespräch. In diesem erfährt sie mehr über den Absender oder die Absenderin, bespricht, was der Schwerpunkt des Briefes sein soll. „Nicht immer erzählen die Auftrageberinnen und Auftraggeber viel von selbst. Dann gilt es nachzuhaken, damit man alle relevanten Informationen hat.“

Auch die Sprache ihrer Auftraggeber und Kundinnen studiert Nunziante immer ganz genau. Wie redet die Person? Benutzt sie immer wieder bestimmte Floskeln? Ein besonderes Feeling dafür, wie andere kommunizieren, sei bei diesem Job das A und O. Schließlich sollen die Adressaten nicht merken, dass die Liebesschwüre aus der Feder einer anderen Person stammen. „Es ist so, dass man einen anderen ein bisschen kopiert. Aber der eigene Stil fließt dennoch immer ein ganz kleines bisschen mit ein. Davon kann man sich gar nicht so recht freisprechen.“

Mehrere Einnahmequellen 

Und auch, wenn jeder ihrer Briefe einen ganz eigenen und individuellen Ton hat, eines ist immer gleich: „Ich liebe dich“, schreibt die Ghostwriterin nie. „Auf dem Papier wirkt das gestelzt“, sagt sie. Alleine von dieser Dienstleistung leben kann die Geisteswissenschaftlerin allerdings nicht, wie sie betont. Ihr Haupterwerb liegt in anderen Bereichen. „Ich schreibe sehr viel im Werbebereich“, erklärt sie.

Doch auch literarische Texte wie Kurzgeschichten veröffentlicht sie regelmäßig – und dann auch in ihrem eigenen Namen. „Dass ich dann zwischendurch immer auch Texte schreibe, unter denen ich nicht stehe, ist für mich kein Problem. Ich denke, das wäre es erst, wenn ich wirklich ausschließlich vom Ghostwriting leben würde. Denn so ist es ja nur ein kleiner Teilbereich von vielen.“ Aktuell steht ein Europa-Projekt bei ihr ganz oben auf der Prioritätenliste. Ein Buch soll daraus entstehen. Für Laura Nunziante ist es wichtig, dass sie in ihrem Beruf verschiedene Leidenschaften miteinander verbinden kann. 

Empathie und Distanz zugleich 

Doch auch wenn die junge Frau nicht ausschließlich davon lebt, dass sie Liebesbriefe schreibt, stellt diese Tätigkeit einige Anforderungen an sie. „Auf der einen Seite muss man natürlich empathisch sein, auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, sich selbst immer wieder klar zu machen, dass man Grenzen ziehen muss. Ich bin nicht die beste Freundin meiner Kunden und Kundinnen, auch wenn ich viel von ihnen weiß.“

So wie in dem Fall, in dem eine Frau ihrem Schwager in einem Brief gestehen wollte, dass sie sich in ihn verliebt hat. Auch für Laura Nunziante keine ganz leichte Situation. „Einen Brief, bei dem auch eine andere Beziehung betroffen ist, schreibe ich mit sehr gemischten Gefühlen.“ Dabei müsse immer ihr Bauchgefühl entscheiden, ob sie den Auftrag annimmt oder nicht.

An einen anderen Brief hingegen erinnert sie sich besonders gerne. „Eine Kundin von mir war gerade 30 geworden und hatte viele Beziehungen hinter sich. Der richtige Mann war nie dabei gewesen. Dann erinnerte sie sich an ihren Grundschulfreund. Das fand ich sehr süß und konnte mich beim Schreiben richtig in die beiden und in die gemeinsam verbrachte Zeit hineinversetzen.“ Was aus der Sandkastenliebe geworden ist und ob ihr Brief dafür sorgen konnte, dass sich die beiden wiederfanden, weiß sie nicht. „Es ist meistens so, dass ich danach nicht mehr erfahre, wie es weitergegangen ist. Aber wenn ich etwas höre, ist es umso schöner.“

Früher TV-Kampagnen, heute Ghostwriter  

Torsten Schölzel kommt aus der Werbebranche und setzt Buchprojekte im Auftrag um.

Thorsten-Schoelzel-GhostwriterBildung, Wirtschaft, Kultur, Politik: Das sind die Themen, zu denen Torsten Schölzel Sachbücher schreibt. Nach seinem Studium der Soziologie, Politikwissenschaft und Psychologie in Bonn und Bielefeld arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität. Ein Job, der ihm Spaß machte.

Dennoch wollte er keine wissenschaftliche Karriere anstreben, wie er sagt. „Ich habe mir dann die Frage gestellt, in welche Richtung ich stattdessen beruflich gehen möchte und habe mich dazu entschieden, Werbetexter zu werden.“

Torsten Schölzel textete für Jaguar, setzte Projekte für Fujifilm und andere namhafte Unternehmen um. „Vom einfachen Flyer bis zur europaweiten TV-Kampagne habe ich in der Werbebranche alles gemacht“, erzählt er. Irgendwann aber war ihm das genug.

Im Jahr 2003 entschied er sich dazu, auszusteigen und nicht mehr fest angestellt zu arbeiten, sondern sein Geld als sein eigener Chef zu verdienen, losgelöst von Agentur-Strukturen und Hierarchien. Fast 13 Jahre ist es her, dass er sich als freier Werbetexter selbstständig machte. „Irgendwann bin ich dann auch in den Bereich des Ghostwriting gerutscht. Ein Autor, der schon lange ein Konzept für ein Sachbuch in der Schublade liegen hatte, wollte es endlich umsetzen.“ Er wandte sich an Torsten Schölzel, und der sagte zu. Seitdem schreibt er Bücher im Auftrag anderer Menschen.

Näher dran am Menschen

„Wenn ich als Ghostwriter arbeite, ist es immer viel intimer, als wenn ich Werbetexte schreibe“, erzählt der Geisteswissenschaftler. „Ich bin dann viel näher dran an den Menschen. Ich erfahre eine ganze Menge über sie, über ihre Persönlichkeit und ihre Ideen.“ Ob es sich bei einem Auftraggeber um einen Mann oder eine Frau handelt, stelle Schölzel nicht vor besondere Herausforderungen. Am Ende zählt immer eines: Das Buch muss sich so lesen, als sei das Manuskript auf der Tastatur des Auftraggebers oder der Auftraggeberin getippt worden.

Doch wie ist es, wenn er viele Woche oder gar Monate mit einem Werk verbracht hat, ihm Leben eingehaucht und es erst zu dem gemacht hat, was es ist, und am Ende steht ein anderer als Autor darüber und erntet die Lorbeeren? „Wenn ich möchte, dass mein Name gedruckt wird, muss ich etwas Eigenes schreiben“, sagt er ganz pragmatisch. Schade sei es manchmal schon, die Projekte nicht als Referenzen angeben zu können, aber das sei ganz natürlich. „Mit den Büchern, die ich als Ghostwriter geschrieben habe, kann ich nicht offen werben“, sagt Schölzel. „Aber es gibt Bücher, in denen ich erwähnt werde und wer aus der Branche kommt und sich mit den Codes auskennt, weiß dann, dass ich das Buch geschrieben habe.“ 

„Um wirklich erfolgreich zu sein, muss man die Branche gut kennen.“

Ganz wichtig sei es in jedem Fall, diskret mit den Aufträgen, den Kunden, ihren Ideen und schließlich den veröffentlichten Werken umzugehen. „Wenn ich Anfragen für Projekte habe und nach Referenzen gefragt werde, nenne ich Beispiele.“ Ganz konkret wird er dann aber nicht. Denn dass ein Ghostwriter mit seinem Namen im Hintergrund bleibt, gelte auch dann.

Wie aber wird man zu einem guten Ghostwriter? Was muss man mitbringen, um diesen Job machen zu können? Und gibt es so etwas wie ein perfektes Rezept, um in der Branche erfolgreich zu sein? Schölzel sagt: „Man muss ganz unterschiedliche Dinge mitbringen. Gefordert ist zum Beispiel die berühmte Empathie. Darüber hinaus ist es wichtig, Sensibilität und Menschenkenntnis zu besitzen und diskret mit Kunden und Aufträgen umzugehen.“

Jungen Menschen, die sich ebenfalls in diesem Bereich selbstständig machen möchten, rät er dazu, zunächst Erfahrungen in der Branche zu sammeln. Denn ein Durchstarten als Selbstständiger sei schwierig. „Als freiberuflicher Ghostwriter ist jeder für sich selbst verantwortlich. Aus diesem Grund kann es insbesondere für Berufseinsteiger und Berufseinsteigerinnen sehr schwierig werden, diesen Weg zu gehen.“

Insbesondere die Auftragsakquise könne dann auch zu einer enormen Herausforderung werden. „Um wirklich erfolgreich zu sein, muss man die Branche gut kennen.“ Ansonsten, so betont der Ghostwriter, könne man schnell auf die Nase fallen. Und er hat noch einen Tipp: „Man sollte seine Prinzipien haben. Ich würde beispielsweise keine Aufträge im akademischen Bereich annehmen, da das eine Grauzone ist.“

Der erste Job kam durch Zufall 

Anni Bürkl ist als Ghostwriterin und Lektorin im Sach- und Fachbuchbereich tätig.

Anni-Buerkl-GhostwriterinAm Schreibtisch von Anni Bürkl geht es meist blutig zu. Zumindest wenn sie im eigenen Auftrag handelt. Denn dann beschäftigt sie sich als Krimiautorin in erster Linie mit Mordfällen, Verschwörungen und allerlei kriminellen Machenschaften. Doch das ist längst nicht ihr einziger Beruf.

Die studierte Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin und ehemalige Journalistin hat ganz verschiedene Schwerpunkte. Seit 1991 ist sie als Krimi- und Sachbuchautorin, Journalistin, Ghostwriter und Lektorin tätig. Während sie für Bücher wie „Puppentanz“ oder „Schweigegold“ gerne zur Ermittlerin wird und all das zu Papier bringt, was die Herzen von Krimifreunden höherschlagen lässt, konzentriert sie sich im Ghostwriting-Geschäft auf ganz andere Themen. Dort ist sie insbesondere für den Sach- und Fachbuchbereich tätig.

Zum Ghostwriting kam Anni Bürkl eher durch Zufall, wie sie sagt, über eine Auftragsanfrage für ein Psychologiebuch. „Über eine Kollegin hat sich zufällig die Zusammenarbeit für ein Buch ergeben.“ Ein Projekt, das bei ihr die Lust auf mehr weckte. „Ich würde diese Arbeit ‚erweitertes Lektorat‘ nennen“, sagt sie.

"Die Heizung würde niemand selbst reparieren, warum also nicht auch für Buchtexte jemanden beauftragen, der das besser kann?“

Der damalige erste Auftraggeber im Ghostwriting-Bereich sei ein Fachmann auf seinem Gebiet gewesen. Weil der Verlag aber eine verständlichere Sprache verlangte, um das Manuskript zu veröffentlichen, habe er Anni Bürkl mit ins Boot geholt. Und die Autorin, die damals noch vorrangig als Journalistin tätig war, war von dieser Arbeit fasziniert. Die Buchbranche weckte in ihr Lust auf mehr. „Sofort fand ich das Schreiben von Büchern viel schöner, weil sie viel länger am Leben bleiben. Zeitungen sind ja doch am nächsten Tag Schnee von gestern.“

Für Anni Bürkl war klar: Das Psychologiebuch sollte keine Eintagsfliege bleiben, ihr Ausflug in die Welt der Bücher kein einmaliges Erlebnis. Schritt für Schritt baute sich die Journalistin darum ein weiteres Standbein auf, begann einerseits, eigene Projekte umzusetzen, half andererseits als Ghostwriterin anderen bei der Realisierung ihrer Bücherideen. Heute bietet Bürkl ihren Kunden die redaktionelle Zusammenarbeit für Bücher an. Dazu gehören ganz unterschiedliche Leistungen, wie das Lektorat oder das Ghostwriting. Hin und wieder vermische sich beides auch. „Ich mache auch Exposé-Arbeit. Das alles für den Bereich Sach- und Fachbuch“, erklärt sie. 

Das Vorgehen bei Ghostwriting-Aufträgen sei bei ihr immer ähnlich. „Beim Ghostwriting recherchiere ich meist bereits Vorgegebenes und bekomme Material vom Kunden. Schreibe ich hingegen selbst ein Buch, entscheide ich auch selbst, wie es aufgebaut sein soll oder darüber, welche Themenbereiche genau ins Buch kommen, also auch, wo und was ich recherchiere.“

Beim Ghostwriting sei das stärker vom Kunden vorgegeben, der meist ganz genaue Vorstellungen von der Umsetzung des Themas habe. Vielfach hat Anni Bürkl jedoch auch einen gewissen Spielraum, berichtet sie. „Manchmal bekomme ich nur die Vorgabe, ein Thema zu bearbeiten und eine Menge Material und den Auftrag, selbst auszuwählen, zu planen und zu schreiben.“ Doch egal, welche Vorgaben ihre Kunden/innen machen, für Anni Bürkl geht es zunächst darum, beim Schreiben den richtigen Ton zu treffen. Denn anders als in ihren eigenen Krimis und Romanen sollen die Bücher dann den Charakter ihrer Auftraggeber/innen widerspiegeln, ihre Sprache und Ausdrucksweise aufgreifen.

Dass ihr Name dabei nicht auf dem Cover zu lesen ist, stört die Ghostwriterin nicht. „Sie sieht die Sache pragmatisch, wie sie sagt: „Viele Menschen haben keine Zeit, um neben ihrer aufreibenden täglichen Tätigkeit auch noch ein ganzes Buch zu schreiben. Diese Arbeit kann ja doch einige Monate dauern – man sagt gern, so lange wie eine Schwangerschaft.“ Außerdem seien einige Menschen zwar Fachleute auf ihrem Sachgebiet, wie in der Psychologie, aber im Schreiben nicht gut genug, um damit Verlage zu gewinnen. „Hier komme ich ins Spiel. Die Heizung würde niemand selbst reparieren, warum also nicht auch für Buchtexte jemanden beauftragen, der das besser kann?“

Autorin der drei Portraits: Daniela Lukaßen, freie Journalistin aus Köln 

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