Zukunft der Arbeit: Auftrag per Klick
Am Strand arbeiten: Der Traum vieler Menschen. Aber unter welchen Bedingungen? Foto: © anyaberkut / Fotolia.de

Zukunft der Arbeit: Auftrag per Klick

Plattformen im Netz vermitteln Freiberufler jeglicher Art. Doch die neue Schicht der Selbstständigen ist schlecht abgesichert und hat keine Interessenvertretung.

Von Benjamin O’Daniel 

Im Netz boomt das Plattform-Geschäft. Ob für Übernachtungen, Taxis oder Handwerker – es gibt für alles eine Webseite oder App. Früher haben wir in die Gelben Seiten geschaut. Heute bestellen oder beauftragen wir übers Netz. Die Plattform leitet den Auftrag weiter und bekommt eine Provision. Und der Lieferant vor Ort - ein Hotelier, ein Taxidienst oder ein kleines Handwerksunternehmen - hat den Auftrag in der Tasche.

Diese Logik gibt es auch in umgedrehter Form: Auf spezialisierten Plattformen können Unternehmen ihre Aufträge einstellen. Dutzende Freiberuflerinnen und Freiberufler bewerben sich um die Aufträge – und konkurrieren dabei aufs Schärfste miteinander. Wie es den Selbstständigen dabei geht, das hat jetzt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie untersucht. 

Für die Studie wurden rund 400 „Crowd Worker“ befragt, die so heißen, weil sie als große Menschenmenge („Crowd“) im Netz ihre Dienstleistung anbieten. Steckt dahinter Ausbeutung? Wie viel verdienen Crowd Worker? Und wie werden ihre Interessen vertreten? 

Die Ergebnisse: Etwa 70 Prozent verdienen unter 500 Euro im Monat. Häufig handelt es sich um Nebenverdienste. Die hauptberuflichen Crowd Worker verdienen im Durchschnitt 1500 Euro. Über die Hälfte sorgt nicht fürs Alter vor. Die freiberuflichen Wanderarbeiter fühlen sich allerdings zum Großteil „nicht ausgebeutet“, schreiben die Autoren der Studie. Gleichzeitig seien sie aber auch nicht zufrieden mit dem Arbeitsumfeld.

Noch am Anfang

Die Böckler-Studie liefert einen ersten Einblick in neue Arbeitsbedingungen – und offenbart zugleich, wie sehr Wissenschaft und Politik noch am Anfang stehen, die Veränderungen zu erfassen. Die Ausgangslage der Selbstständigen ist sehr unterschiedlich: Die einen sind ein Heer von „Klickarbeitern“, das für sehr wenig Geld einfache Dienste erledigt, wie Adressen korrigieren oder Schlagwörter in Datenbanken einpflegen. Sie haben vielleicht kaum andere Möglichkeiten, als für eine Plattform zu schuften.

Die anderen sind hochqualifizierte Programmiererinnen oder Designer, die spezialisierte Branchen-Plattformen nutzen. Viele von ihnen genießen die Freiheit, zu arbeiten wann, wo und wie sie wollen. Die „digitalen Nomaden“ machen daraus sogar einen Lifestyle – und verdienen an sonnigen Stränden in Südostasien ihr Geld.

Was alle Plattformen jedoch eint: Die freiberuflichen Lieferanten der Adressen, Grafiken, Texte sind nicht organisiert. Sie stehen im freien Wettbewerb. Teilweise sind sie über Online-Foren locker miteinander verbunden. Aber es gibt keine Gewerkschaft, keine Organisation, die gegenüber der Plattform ihre Interessen vertritt. Wie auch? Früher verbarrikadierten die Arbeiter die Eingangstore und legten den Betrieb lahm. Heute sitzen zu Hause am Rechner.

Die Politik steht vor einem entsprechend großen Problem. Wie soll sie die Freiberufler schützen – wenn ein Großteil von ihnen vielleicht gar nicht geschützt werden will? Und auch für Gewerkschaften ist die Lage schwierig: Wie können sie die isolierten Freiberufler vereinen? Wie können sie Druck auf eine Plattform ausüben, die ihren Sitz irgendwo in der Welt hat?

Der Wunsch nach einer Interessenvertretung scheint bei manchen Gruppen zumindest vorhanden zu sein. Laut der Böckler-Studie wünschen sich knapp 70 Prozent der Designer mehr Mitbestimmung auf den Design-Plattformen. Also doch keine heile Welt. Die Arbeitsbedingungen: Ein Unternehmen beauftragt zum Beispiel ein Firmenlogo. Dutzende Designer entwickeln parallel Entwürfe. Das Unternehmen entscheidet sich dann für einen Entwurf. Der Rest der Designer geht leer aus und hat umsonst gearbeitet. So ist der Deal. Jeder Designer weiß das.

Was erschwerend hinzukommt: Die Freiberufler auf den Plattformen kommen bereits aus der ganzen Welt. In Asien - nicht unweit von den Stränden der digitalen Nomaden entfernt – arbeiten ebenfalls hochqualifizierte Programmierer. Sie sind mit weniger Honorar einverstanden und drücken so die Preise. Das ist kein neues Phänomen. Schon vor knapp zehn Jahren hat der Autor Thomas L. Friedman in „The World is flat“ beschrieben, wie amerikanische Bürger ihre Steuerunterlagen einscannen, per Mail an indische Steuerberater schicken und so Geld sparen. Die Plattformen beschleunigen diesen Trend weiter.

Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Oder wie es der US-Investor Marc Andreessen formuliert: „Software is eating the world“. Ob die Mehrheit der Menschen dabei gewinnt oder verliert, ist noch längst nicht ausgemacht.

Mehr zur Studie und zur Kommission „Arbeit der Zukunft“ unter: http://www.kommission-arbeit-der-zukunft.de und in der Publikation Böckler Impuls

Weitere WILA-Angebote