Als Absolvent zur Arbeitsagentur?
Nach dem Studienabschluss zur Arbeitsagentur? Foto: © bluedesign / Fotolia.de

Als Absolvent zur Arbeitsagentur?

Wenn der Berufseinstieg nicht sofort klappt, ist der Gang zur Agentur für Arbeit sinnvoll und nützlich. Auch wer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, kann profitieren.

Von Andreas Pallenberg

Viele Jungakademiker/innen mit unspezifischen Studienfächern landen nach dem Examen hart auf dem Boden der Realität. Die Erleichterung über den geschafften Abschluss weicht mehr und mehr einem Unbehagen über die weitere berufliche Situation. Man hat so seine Vorstellungen. Aber meistens sind die Vorstellungen noch keine Strategie, mit der der unmittelbare Berufseinstieg gelingen könnte.

Zunächst hat man mit Entgegennahme des Abschlusszeugnisses bzw. der Urkunde sein Studienziel endlich erreicht. Aber es passiert noch mehr. Man verliert mit der anschließenden Exmatrikulation den Status als Studierende/r und ist ab dann für seinen Lebensunterhalt selbst verantwortlich. Die Eltern können gerne noch weiter unterstützen, aber sie müssen nicht mehr. So die nüchterne Rechtslage.

Absolvent/innen müssen sich also eine einträgliche Arbeit suchen. Klappt das nicht, sind sie arbeitslos - und der Kühlschrank bleibt vorerst leer. Die typische Lösung: Man jobbt, wo es sich ergibt und hält sich nicht selten mit mehreren Einkommensquellen über Wasser. 

Das Problem dabei: Eigentlich müsste man sich bewerben, sich aktiv und initiativ um passende Jobs und den Berufseinstieg kümmern. Und dies ist keine Kleinigkeit. Nichts gegen Jobs. Die können nicht nur eine ganze Weile Spaß machen, sie können bei passender Auswahl der Beschäftigungen auch gut sein für die Berufsbiografie, nämlich als gegebenenfalls passende Berufserfahrung.

  • Arbeitslose-Akademiker-JobsucheDer Artikel ist im Infodienst für Berufe in Bildung, Kultur und Sozialwesen erschienen. Jede Woche werden dort über 400 Jobs speziell für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen zusammengestellt. Die Abonnent/innen erhalten so einen Überblick, kommen auf neue Ideen und bleiben bei der Jobsuche am Ball.

Dennoch – irgendwann muss es weitergehen, die prekäre Jobsituation darf sich nicht verstetigen. Man bracht Zeit für das aktive Bewerbungsgeschäft und zur Entwicklung der eigenen Strategie. Eine Situation, aus der manche nur schwer herauskommen, da sich mit Anspruchslosigkeit und abwechslungsreichen Jobs eine durchaus angenehme Zeit gestalten lässt. Eine Strategie für einen angemessenen Berufseinstieg ist das aber kaum.  

Arbeitslosengeld I

Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat, weil vorher eine versicherungspflichtige Beschäftigung bestanden hat, tut gut daran, diese Versicherungsleistung rechtzeitig zu beantragen. Dann hat man Zeit und Gelegenheit, sich intensiv mit dem Arbeitsmarkt zu beschäftigen und auf Arbeitgeber zuzugehen. Rechtzeitig heißt dann auch, mit entsprechendem Vorlauf.

Ob solche Ansprüche bestehen, lässt sich leicht über Berechnungshilfen feststellen, die es im Netz gibt. Dann steht man der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und kann das Beratungs- und Unterstützungsangebot wahrnehmen. Nicht wenige wurden schon damit überrascht, dass sie auf diesem Weg durchaus passable Stellen bekommen konnten. 

Das ist der einfache Fall. Die meisten Absolvent/innen haben aber solche Ansprüche nicht.

Arbeitslosengeld II

Sie waren nie versicherungspflichtig beschäftigt und kommen schon deshalb gar nicht auf die Idee, die Arbeitsagentur aufzusuchen. Das ist aber ein Fehlschluss: Wenn sie nämlich nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten und auch sonst niemand unterhaltsverpflichtet ist (wie z.B. die Ehepartner), bekommen sie unter Umständen Hilfe zum Lebensunterhalt, und das heißt im Amtsdeutsch Arbeitslosengeld II oder im Jargon „Hartz IV“.

Das sind immerhin fast 400,00 € plus die Wohnkosten (Miete, Nebenkosten und Heizung). Und das ist deshalb sinnvoll, um sich zumindest mal für eine Zeit Luft zu verschaffen und sich vorwiegend dem Bewerbungsgeschäft widmen zu können. Die meisten scheuen diese etwas mühsame und vielleicht auch als demütigend empfundene Prozedur. Aber immer mehr Akademiker/innen gehen erhobenen Hauptes zum zuständigen Jobcenter und regeln damit die finanzielle Grundlage für diese oft prekäre Phase in der Berufsbiografie. Wie diese Phase später im Lebenslauf dargestellt wird, steht auf einem anderen Blatt. 

"Bedürftigkeit" wird geprüft 

Wer allerdings verwertbares Vermögen jenseits einer Freigrenze hat, wird unter Umständen leer ausgehen, da eventuell die Bedürftigkeit nicht gegeben ist. Die Feinheiten sind allerdings sehr vielschichtig und sollten im Einzelfall geprüft werden. Wer sich die Mühe macht, sich in die Gesetzesgrundlagen einzuarbeiten, kann so manche spitzfindige Feinheit des zuständigen Sozialgesetzbuches zum eigenen Vorteil nutzen. Dafür gibt es gute Ratgeberliteratur (siehe unten). 

Das Risiko als akademischer ALG-II Bezieher zu einem Ein-Euro-Job verdonnert zu werden, ist zwar grundsätzlich möglich, aber relativ gering. Ungemütlich werden die Agenturen bzw. die Jobcenter erst, wenn der Eindruck entsteht, das sich da jemand auf diesem Status einrichtet und keine hinreichenden Bewerbungsaktivitäten zeigt. 

Angst vor dem Fallmanager?

Was viele auch abschreckt vom Gang zur Arbeitsagentur ist der über viele Anekdoten genährte zweifelhafte Ruf des ehemaligen Arbeitsamtes. Natürlich gibt es Fälle, bei denen einzelne Fallmanager/innen weniger kooperativ sind und kaum Vorstellungen haben, wo und wie im Einzelfall eine Vermittlung in Arbeit sinnvoll ist. Dann kommt es vor, dass unter Zeitdruck und dem Vermittlungsgebot Vorschläge gemacht werden, die als strafbewehrte Schikane (Sperrzeiten und Leistungskürzungen!) betrachtet werden können.

Typisch sind dann Aufforderungen zur Mitwirkung über einen Eingliederungsvertrag, der die Balance zwischen fördern und fordern häufig vermissen lässt. Aber da muss man sich nicht alles gefallen lassen. Es gibt genügend Rechtsmittel, über die man sich wehren kann. Aber es hat sich auch vieles getan in der Arbeitsverwaltung. Seit einigen Jahren spricht man von „Kunden“ und von „Dienstleistungen“. Diesen Anspruch sollte man ernst nehmen und möglichst unvoreingenommen auf die Probe stellen. 

Status "arbeitssuchend"

Und dann gibt es die Leute, die überhaupt keinen Anspruch auf Zahlungen haben. Entweder weil sie von anderen unterstützt werden müssen oder weil sie verwertbares Vermögen haben. Diese müssen zunächst diese Quellen anzapfen. Und weshalb dann trotzdem zum Arbeitsamt? Ganz einfach, weil es auch dann Unterstützung und Vorteile gibt, wenn man sich auf Arbeitssuche befindet. Und genau so nennt sich  dann auch der offizielle Status: „arbeitssuchend“.

Man bekommt zwar kein Arbeitslosengeld, aber Hilfe in Form von Beratung und über die Nutzung der Infrastruktur. Es gibt sogar die Möglichkeit – allerdings keinen Anspruch darauf –, Bewerbungskosten bis zu einer maximalen Höhe von 200 € pro Jahr erstattet zu bekommen. Bitte aber auch dann die Spielregeln beachten. Die Kosten vorher beantragen und nachher nachweisen. Dann klappts auch mit Fahrtkostenerstattungen, wenn der Arbeitgeber zum Vorstellungsgespräch einlädt, aber schon vorher deutlich macht, keine Reisekosten zu übernehmen.

Das angenehme beim Status „arbeitssuchend“: Die Arbeitsverwaltung kann weder reinreden noch zu irgendwelchen Aktivitäten nötigen, denn sie können einem ja nichts wegnehmen, da man ja keine Leistungen in Anspruch nimmt, außer eben diese Kann-Leistungen, die man –sofern noch Mittel vorhanden sind – mit guten Argumenten auch beziehen kann.

Bitte bei der Arbeitsverwaltung melden!

Viele Arbeitsuchende melden sich nicht bei der Arbeitsverwaltung, entweder weil sie keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld haben oder weil sie meinen, diese nicht zu haben. Sie wollen ihre faktische Arbeitslosigkeit damit nicht offiziell werden lassen, wollen keine „Stamm-Nummer“ bei der Arbeitsverwaltung haben, weil sie ihre Situation selbst in die Hand nehmen und auch irgendwie keine Lust haben, sich zum „Arbeitsamt“ zu bewegen. Das führt dazu, dass die Arbeitsverwaltung schöne bzw. geschönte Zahlen präsentieren kann. Wer nicht gemeldet ist, ist eben auch nicht arbeitssuchend und auch nicht arbeitslos.

Diese verdeckte Arbeitslosigkeit wird also statistisch gar nicht erfasst und vermittelt neben anderen Umwidmungsstrategien (wer zum Beispiel eine Fortbildung macht, ist ebenfalls nicht arbeitslos!) ein Trugbild von der tatsächlichen Arbeitslosigkeit. Wer hier zum Wahrheitsgehalt der Arbeitsmarktzahlen beitragen möchte, meldet sich schon deshalb.   

Rentenanwartschaft

Für Arbeitslosengeld I-Bezieher werden auch Rentenversicherungsbeiträge gezahlt. Bei Arbeitslosengeld II-Beziehern ist es seit 2011 leider nicht mehr so. Hier werden nur noch Anrechnungszeiten berücksichtigt. Aber auch die könnten einmal wichtig werden, wenn es darum geht, die reguläre Rente zu beziehen, vorzeitig in Rente zu gehen oder eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen.

Dafür gibt es jeweils Mindestzeiten, die bei der Rentenversicherung erfüllt sein müssen. Und dazu zählen unter Umständen auch Phasen, für die man nur als „arbeitsuchend“ gemeldet ist. Leider ändern sich diese Bedingungen relativ häufig, und man weiß nicht, ob sich eine aktuelle Arbeitssuchend-Meldung in 20 oder 30 Jahren tatsächlich noch so auswirkt. Aber wenn man es lässt, wirkt gar nichts.  

Versicherung 

Wer Leistungsbezieher ist, ist auch in der Krankenversicherung. Wer keine Leistung bezieht, muss sich in der Wartezeit zwischen Studium und Beruf übergangshalber anderweitig versichern oder lebt ohne Krankenversicherung (gar nicht so selten auch bei uns!). Das ist in der Regel teurer, weil man den ganzen Beitrag allein bezahlen muss. Die Krankenversicherungen sind meistens kulant und versichern zum Minimaltarif weiter. Wer sich dann privat versichert, muss bedenken, dass es zukünftig vielleicht keinen Weg mehr zurück in die gesetzliche Krankenversicherung gibt. Wer dagegen über die Familienversicherung beim Ehepartner mitversichert ist, hat diese Probleme natürlich nicht.

Wer also Ansprüche auf Alg-I oder II hat, bekommt die Krankenversicherung praktisch im Paket mitgeliefert.

Jobbörse

Ob man es glaubt oder nicht: bei der Arbeitsverwaltung gibt es auch Stellen. Die werden zwar selten passgenau aus dem Ärmel gezogen, aber sie schlummern vielleicht in der Jobbörse der Agentur für Arbeit. Und diese funktioniert immer besser. Auf jeden Fall bekommen wir immer häufiger Mitteilungen von Abonnent/innen, die über diese Jobbörse eine Stelle bekommen haben. Da kann man sich also als „arbeitssuchend“ anmelden, einklinken und spezifisch nach seinen Vorstellungen suchen, beziehungsweise – nach sich suchen lassen über das hinterlegte Profil.

Literatur

Frank Jäger/Harald Thomé: Leitfaden Alg II/Sozialhilfe ISBN: 978-3-932246-66-1 2015 592 S. 13,50 €

Arbeitslosenprojekt TuWas (Hrsg.): Leitfaden für Arbeitslose Der Rechtsratgeber zum SGB III, also für Alg-I Fälle. Im selben Verlag gibt es auch einen Leitfaden für den Rechtsbereich ALG-II, alles wird fast jährlich auf den neuesten Stand gebracht.

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