Die Anwälte der Tiere
Im Tierschutz zu arbeiten ist weit mehr als nur ein Job. Wer hier eine Stelle möchte, muss neben Expertise jede Menge Idealismus mitbringen – und einen langen Atem für die Stellensuche.
Text: Elisabeth Korn
Es ist Mittagszeit in Stuttgart, Harald Ullmann hat Hunger. Den schnellen Weg zum Bäcker kann er nicht gehen, denn da wird er nichts finden: Ullmann ist Veganer. Er und seine Frau arbeiten viel. Da bleibt oft nicht genug Zeit, sich ein Mittagessen fürs Büro vorzubereiten. Und jetzt? „Zweimal die Woche kommt ein veganer Caterer zu uns ins Büro, an den anderen Tagen esse ich in einer der vielen Mensen hier im Industriegebiet, da gibt es ein gutes veganes Angebot“, erklärt der 60-Jährige.
Harald Ullmann ist der zweite Vorsitzende von PETA – der größten Tierrechtsorganisation in Deutschland. Seine Leidenschaft entdeckt hat er während eines Auslandsstudiums in Amerika. Seit mittlerweile 30 Jahren ist er für die deutsche Schwesterorganisation von PETA USA zuständig und leitet das Büro in Stuttgart. „Ich habe in Heidelberg Sport und Englisch studiert, bin während des Studiums in die USA gegangen und habe an der dortigen Uni Infostände für amerikanische Tierschutzorganisationen gesehen. Das Thema hat mich fasziniert.“ Von 1986 bis 1994 hat Ullmann für PETA USA gearbeitet, 1993 wurde PETA Deutschland gegründet. Ullmann hat das Büro in Stuttgart aufgebaut.
„Jeder, der zu uns kommt, ist Idealist."
PETA Deutschland e.V. hat Schwesterorganisationen in vielen Teilen der Welt; alle sind unabhängig voneinander. Es gibt keinen großen Dachverband, es fließen auch keine Gelder hin und her, aber inhaltlich arbeiten alle Vereine oder Stiftungen eng zusammen. Das Ziel der Tierrechtsorganisation: Den Leitgedanken, dass die Grundrechte von Tieren unabhängig von deren Nutzen für den Menschen berücksichtigt werden müssen, in die Welt tragen und dazu aufrufen, sich entsprechend zu verhalten. „Tiere können ebenso leiden und fühlen wie wir, daher steht es uns nicht zu, sie für unsere Nahrung, für Kleidung, für Tierversuche oder zu Unterhaltungszwecken zu missbrauchen“, bekräftigt Ullmann. Und das alles soll ohne erhobenen Zeigefinger passieren, sondern mit Aufklärungs- und Kampagnenarbeit.
- Der Artikel ist im WILA Infodienst für Berufe in Umwelt und Natur erschienen. Jede Woche werden dort aktuelle Stellen im Umweltbereich zusammengefasst und nach Tätigkeitsgebieten und PLZ-Regionen sortiert. So erhalten unsere Abonnent/innen einen Überblick, kommen auf neue Jobideen und bleiben bei der Jobsuche am Ball.
PETA Deutschland hat derzeit über 60 Angestellte, davon sind 55 Akademiker/innen. Der Verein ist organisiert in Vorstand, vier Fachreferate, eine Online-, PR- und Marketing-Abteilung, eine Rechtsabteilung, Fundraising und den Bereich „Specials“. Dazu gehören zum Beispiel Qualitätsmanagement und das PETA International Science Consortium, ein Zusammenschluss von 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind Juristen, Politikwissenschaftler, Übersetzer, Ernährungswissenschaftler, Tierärzte, Naturwissenschaftler und andere Berufsgruppen.
Das Organigramm von PETA Deutschland besteht aus vier Stufen, die nacheinander erreicht werden können: Junior-Coordinator, Coordinator, Senior-Coordinator und Manager. „Im Moment gibt es sieben Manager, weil wir sieben Abteilungen haben. Sollte die Mitarbeiterzahl wie in den letzten Jahren weiter steigen, wird die Struktur entsprechend angepasst“, sagt Ullmann.
Wer bei PETA arbeiten möchte, den erwartet eine 40-Stunden-Woche mit 28 Urlaubstagen. Es gibt kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld, denn der Verein nutzt seine Einnahmen für das Vorantreiben seiner Arbeit. Wochenendarbeit wird normalerweise nicht verlangt, aber in den Fachreferaten gibt es Stellen für Einsätze und Demonstrationen, da sind Überstunden vorprogrammiert.
Voraussetzung für die Bewerbung: Man muss Vegetarier sein
Gerade als Aktionsreferent/in ist es üblich, viel zu reisen und bei verschiedenen Aktionen in ganz Deutschland dabei zu sein. „Jeder, der zu uns kommt, ist Idealist. Und das ist auch gut so, denn wer bei PETA arbeiten möchte, muss brennen für das Thema Naturschutz, Tierschutz und Tierrechte. Wer bei PETA arbeitet, muss beseelt sein, schaut nicht auf die Uhr und arbeitet schnell, denn es geht um Leben und Tod“, sagt Ullmann. Jedes Engagement über den normalen Arbeitsalltag hinaus ist willkommen, aber freiwillig.
Vorausgesetzt wird, dass man sich zu 100 Prozent mit den Einstellungen der Organisation identifizieren kann. Ullmann ist sich sicher, dass jeder Mitarbeiter von PETA innerhalb kurzer Zeit vom Vegetarier (der er bei der Bewerbung schon sein muss) zum Veganer wird. „Wenn man die Fleisch- und Nahrungsmittelindustrie mit unseren Augen sieht und das jeden Tag, vergeht einem einfach der Appetit auf tierische Produkte“, erklärt er.
"Wir suchen immer nach guten Leuten"
Gemeinsam gekocht wird im Büro eher selten. Zum Essen in die Kantine gehen die Mitarbeiter gerne zusammen, und auch außerhalb des Büros unternehmen sie öfter etwas, denn ihre Leidenschaft für Tiere schweißt zusammen. „Die Altersstruktur geht von 20 bis 60 Jahren, und auch menschlich sind verschiedene Typen dabei, der Familienvater genauso wie der Partygänger oder der unermüdliche Schaffer. Das Arbeitsklima ist sehr angenehm, und teilweise sind unter den Mitarbeitern sogar enge Freundschaften entstanden“, sagt Ullmann.
Der Büroleiter sieht sich und seine Organisation wie einen „normalen mittelständischen Betrieb, und das Produkt, welches wir verkaufen, heißt Mitgefühl“. Das kann man auf verschiedene Art und Weise machen, für PETA funktionieren Online-Kampagnen und öffentliche Aktionen am besten. „Um unser Anliegen umzusetzen, brauchen wir Mitarbeiter mit Fachwissen, das dann durch unsere anderen Abteilungen umgesetzt wird. Und solche Mitarbeiter suchen wir immer“, bekräftigt Ullmann.
Einer der promovierten Mitarbeiter bei PETA Deutschland ist Dr. Edmund Haferbeck, der an sein Studium der Agrarwissenschaft in Göttingen eine Dissertation über Produktionsbedingungen in der deutschen Pelztierzucht angeschlossen hat. Seit 2004 ist er für PETA tätig, auch er hat Aufbauarbeit an der Seite von Harald Ullmann geleistet. Heute ist Haferbeck der Leiter der Rechts- und Wissenschaftsabteilung, und er stimmt Ullmann zu: „Wir suchen immer nach guten Leuten, sowohl in Deutschland als auch in Amerika“.
Zur Fluktuation bei PETA kann Haferbeck sagen, dass es einen häufigen Wechsel zwischen anderen Tierrechts- bzw. Tierschutzorganisationen gibt. „Das hängt oft von den persönlichen Verhältnissen ab, und es gibt noch einige andere Organisationen, bei denen man hauptberuflich für das Thema Tierschutz und Tierrechte arbeiten kann“, erklärt er. Als Beispiele nennt Haferbeck den Deutschen Tierschutzbund, den Vegetarierbund, Vier Pfoten e.V., die Albert-Schweitzer-Stiftung oder Menschen für Tierrechte.
- Folgende Organisationen schreiben – zumindest gelegentlich – hauptamtliche Stellen aus:
- PETA (Stuttgart, Berlin)
- Deutscher Tierschutzbund (Bonn, Berlin, Neubiberg, Weidefeld)
- Deutsches Tierschutzbüro
- Vier Pfoten (Hamburg, Wien)
- Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt (Berlin, München)
- Die Welttierschutzstiftung (Hamburg)
- soko Tierschutz (Augsburg)
- VEBU Deutschland (Berlin)
- Menschen für Tierrechte (Aachen)
- ARIWA (Aalen)
- Animals‘ Angels (Frankfurt am Main)
- PROVIEH (Kiel)
- IFAW (Hamburg, weltweit)
- animal equality (Stuttgart, Berlin, weltweit)
Haferbeck hat einen eigenwilligen Weg in das Arbeitsfeld Tierschutz gefunden: Nach dem Agrarwissenschafts-Studium und der Promotion in Göttingen ging er in die Politik, eignete sich als Autodidakt Fachwissen im Rechtsbereich an und baute ab 2004 die Rechts- und Wissenschaftsabteilung von PETA auf. Er ist ein Beispiel dafür, wie ein grüner Kopf sich seinen Weg gebahnt hat, die Leidenschaft für Tiere zum Beruf zu machen.
Ähnlich ging es auch Lea Schmitz, die Biologie in Bonn studiert hat (Schwerpunkt: Zoologie/Verhaltensforschung) und heute in der Presseabteilung des Deutschen Tierschutzbundes arbeitet. Schon im Studium hat sie festgestellt, dass sie im Tierschutz arbeiten möchte. Jedoch fand sich kein passendes Jobangebot, und nach Schmitz‘ Erfahrung sind die Arbeitsstellen im Tierschutz für Akademiker/innen rar gesät.
An ein Praktikum im Presse- und Öffentlichkeitsarbeitsbereich einer Natur- und Klimaschutzstiftung schloss sich ein Volontariat im PR-Bereich an. Schließlich ergab sich dann doch die Möglichkeit, das Biologie-Studium und die Pressearbeit miteinander zu verbinden. „Jeder grüne Beruf kann den Einstieg in den Bereich Tierschutz ermöglichen, wichtig ist, dass man sich mit dem Thema identifizieren kann“, sagt Schmitz.
Den Deutschen Tierschutzbund gibt es seit 1881, er ist der Dachverband der Tierschutzvereine in Deutschland und ermöglicht seinen angegliederten Vereinen ein stärkeres Auftreten gegenüber der Politik und anderen Interessensgemeinschaften. Organisiert ist die gemeinnützige Non-Profit-Organisation in 16 Landesverbänden, jedes Bundesland hat seinen eigenen Landesverband. 2016 sind deutschlandweit über 740 örtliche Tierschutzvereine angeschlossen, dazu gehören über 550 vereinseigene Tierheime oder Auffangstationen. Damit ist er die größte Tier- und Naturschutz-Dachorganisation in Deutschland und einer der größten Arbeitgeber im Bereich Tierschutz.
„Man muss gerade in den kleineren Tierschutzvereinen schon eine große Portion Idealismus mitbringen, wenn man dort arbeiten möchte“, sagt Schmitz. In vielen Städten und Kreisen gibt es einen örtlichen Tierschutzverein mit angegliedertem Tierheim, die Vorstandschaft des Vereines ist meist mit Ehrenamtlichen besetzt. Das Tierheim wird neben der Tierheimleitung und festangestellten Tierpflegern auch von vielen ehrenamtlich Aktiven getragen, dazu gehören auch FSJler, Praktikanten und Bundesfreiwilligendienstler.
„Ehrenamtler sind für den Tierschutz unverzichtbar und tragen einen immens großen Teil der Arbeit“, erklärt Schmitz. Nach einer Studie des Deutschen Tierschutzbundes beschäftigt jedes Tierheim im Schnitt 30 Personen, davon sind neun bis zehn festangestellt. Unter den 30 Mitarbeitern sind etwa drei Tierpfleger, eine hauptamtliche und eine ehrenamtliche Tierheimleitung, ein Hausmeister/Techniker, Verwaltungsangestellte und 16 Ehrenamtliche, die beim alltäglichen Tierheimbetrieb mithelfen.
Der Deutsche Tierschutzbund hat seine Bundesgeschäftsstelle in Bonn. Dazu kommen ein Hauptstadtbüro in Berlin und das Tier-, Natur- und Jugendzentrum in Weidefeld in Schleswig-Holstein. Ein eigenes Tierheim unterhält der Dachverband nicht, aber im Zentrum in Weidefeld kommen unter anderem Notfälle aus beschlagnahmten Tierschutzfällen unter.
In Neubiberg bei München gibt es die Akademie für Tierschutz, in der die wissenschaftlichen Expert/innen angestellt sind. Sie ist organisiert in verschiedene Fachreferate, die sich beispielsweise mit Alternativen zu Tierversuchen, Artenschutz, Tieren in der Landwirtschaft oder Heimtieren beschäftigen. Die meisten Akademiker/innen dort sind Biologen, Geographen oder Tiermediziner; dazu kommt eine Rechtsabteilung. Die Referent/innen setzen sich mit den Tierschutzproblemen unserer Gesellschaft auseinander und erarbeiten die Grundlagen und Positionen für die Ausrichtung der Tierschutzarbeit in Deutschland und Europa.
„In einer Nichtregierungsorganisation kann man keine immensen Summen wie bei einem Wirtschaftsunternehmen verdienen“
Eine Voraussetzung, sich vorher aktiv für den Tierschutz engagiert zu haben, gibt es für die Mitarbeiter/innen des Deutschen Tierschutzbundes nicht. „Trotzdem sollte man sich mit dem Thema identifizieren können, je nach Stelle ist eine grundsätzliche Ahnung von Tier- und Artenschutz sinnvoll“, sagt Schmitz.
Als Fachreferent/in sollte man sich bereits im Studium mit dem Thema beschäftigt haben, beispielsweise in der Abschlussarbeit. „Wer selbst Tierversuche durchgeführt hat, ist eher fehl am Platz. Die Einstellung, die jemand mitbringt, ist sehr wichtig“, summiert Schmitz. Auch beim Deutschen Tierschutzbund findet die Arbeit vor allem am Bürotisch statt, klassische Feldarbeit wird eher wenig betrieben. Auf dem Gebiet der Alternativmethodenforschung genießt die Akademie für Tierschutz in Neubiberg allerdings weltweites Ansehen: Im eigenen Zellkulturlabor werden in Zusammenarbeit mit Behörden, Industrie und Hochschulen tierversuchsfreie Methoden weiterentwickelt, um die Abschaffung von Tierversuchen zu beschleunigen.
„In einer Nichtregierungsorganisation kann man keine immensen Summen wie bei einem Wirtschaftsunternehmen verdienen“, sagt Schmitz. Auch Ullmann von PETA stimmt ihr zu. „Wer bei uns große finanzielle Karriere machen möchte, ist falsch.“ Geld ist jedoch für die meisten Mitarbeiter/innen bei PETA oder dem Deutschen Tierschutzbund nicht die Motivation hinter der Arbeit. „Es geht tatsächlich viel um Idealismus. Man kann etwas bewirken mit seiner Arbeit, und das ist am Ende des Tages auch eine Form der Bezahlung“, erklärt Schmitz.
Neben PETA und dem Deutschen Tierschutzbund gibt es noch andere Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, die immer wieder Stellen für grüne Akademiker/innen anbieten. Trotzdem sind die Jobs nicht im Übermaß vorhanden. Alle Organisationen betonen zwar, dass vorheriges Engagement keine Voraussetzung für eine Einstellung ist, aber einen Vorteil kann man sich damit schon verschaffen. „Wer nicht weiß, wofür er kämpft, kann seinen Job nicht gut machen“, bestätigt Ullmann.
Die große Karriere im Tierschutz bleibt leider eine Illusion, auch wenn man sich die staatlichen Optionen anschaut. Es gibt Landwirtschafts- und Umweltministerien, die das Thema Tierschutz abdecken. Die Landesregierungen in Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben hauptamtliche Tierschutzbeauftragte angestellt. Berlin, Schleswig-Holstein und das Saarland haben ehrenamtliche Tierschutzbeauftragte bzw. Vertrauensmänner im Tierschutz. Die einzelnen Fraktionen in den Landtagen sowie im Bundestag haben jeweils tierschutzpolitische Sprecher, außerdem gibt es Minister auf Landes- und Bundesebene in deren Ressort das Thema Tierschutz fällt.
Projektmittel von der EU
Theoretisch gäbe es für PETA die Möglichkeit, öffentliche Gelder zu beziehen, beispielsweise Projektmittel von der EU. Die Organisation will aber bewusst unabhängig sein und muss es laut Haferbeck sogar, denn „wir greifen jeden Tag potentielle Förderer an, und zwar in einer Härte, wie wir es nicht könnten, wenn wir auf deren Gelder angewiesen wären“. Auch der Deutsche Tierschutzbund erhält keine bzw. nur sehr geringe Fördermittel, um seine Unabhängigkeit zu bewahren.
Personen, die noch am Anfang ihres Berufslebens stehen und wissen, dass sie einmal im Bereich Tierschutz arbeiten möchten, rät Haferbeck Folgendes: „Wer sich mit enormem Engagement einbringen will, soll unbedingt zuerst eine richtige Ausbildung oder ein Studium beenden. Und sich dann genau überlegen, was er wirklich tun will.“ Die Arbeit im Tierschutz bedeutet, sich mit sehr ernsten Problemen auseinanderzusetzen und nicht immer mit offenen Armen empfangen zu werden.