Studium abgebrochen: Was nun?
Der Abbruch des Studiums ist keine Sackgasse, sondern ein Wendepunkt im beruflichen Leben, der hohe Eigenaktivität fordert. Bei der Um- und Neuorientierung sollten die Betroffenen keine externen Hilfen scheuen.
Sören Isleib arbeitet am deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in der Abteilung Bildungsverläufe und Beschäftigung. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projektteam "Studienabbruch", die zurzeit eine Befragung von Exmatrikulierten erarbeitet. Mit dem Forscher sprach Cornelia Voß.
Aus welchen Gründen brechen Studierende ihr Studium ab?
Die Gründe sind äußerst vielfältig und multipel anlegt, das heißt: Selten ist ein Grund allein für den Abbruch verantwortlich. Der Studienabbruch ist meist die Folge aus einem länger andauernden Ablösungsprozess vom Studium. Als entscheidend haben sich vor allem drei Problembereiche herauskristallisiert: Leistungsgründe, finanzielle Situation, motivationale Gründe. Aktuelle Tendenzen wird bald unsere neue Studie aufzeigen.
Gibt es bei Natur- und Geisteswissenschaftlern/innen unterschiedliche Gründe?
Wir sehen tatsächlich andere Abbruchmuster. Vereinfacht und zugespitzt lässt sich sagen: Der Abbruch im MINT-Bereich geschieht eher frühzeitig im Studium und eher aus Leistungsgründen, der Abbruch in den Geisteswissenschaften im Vergleich dazu später und eher aufgrund von Motivationsproblemen und mangelnden beruflichen Perspektiven. Was dahinter steht, ist relativ komplex und vielschichtig.
Ein Aspekt ist die Vorbildung. In den technisch ausgerichteten Studiengängen ist der Anteil der Studienanfänger mit berufspraktisch erworbener Hochschulberechtigung recht hoch. Sie bringen gute handwerkliche Fähigkeiten mit, dennoch fehlen ihnen meist die im Curriculum dieser Studiengänge vorausgesetzten mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse. Somit besteht die Gefahr, den fachlichen Einstieg ins Studium nicht zu schaffen. Die Hochschulen bieten daher Brückenkurse oder auch ein Schnupperstudium an, um die Studienanfänger/innen in dieser schwierigen Phase zu unterstützen.
Plakativ gesprochen, stellen Geisteswissenschaftler/innen in höheren Semestern fest, dass sie nun alles über Sartre und Hegel wissen, aber nicht, welcher Arbeitgeber für sie infrage kommt. Für sie ist es wichtig, realistische Vorstellungen von ihrem Studienfach zu haben und sich frühzeitig mit den Berufsaussichten zu beschäftigen, um ein klares Berufsbild entwickeln zu können. Hierzu bieten zum Beispiel die Career Center der Universitäten passende Veranstaltungen. Mit einem klaren Berufsbild vor Augen, fällt es dann auch leichter, sich initiativ zu bewerben.
Wie geht es nach dem Abbruch beruflich weiter?
Die Situation für Abbrecher ist häufig nicht aussichtslos. Ein Großteil geht einer Beschäftigung nach, sei es fest angestellt, befristet, zur Überbrückung oder auch innerhalb einer Berufsausbildung. Nach unserer Studienabbruchuntersuchung von 2010 (Absolventen und Studienabbrecher von 2008) sind 42 Prozent berufstätig und 22 Prozent in einer Berufsausbildung. Acht Prozent hatten sich für ein Praktikum entschieden, fünf Prozent widmeten sich dem Haushalt und der Familie. 15 Prozent gaben an, arbeitslos zu sein.
Da die Studienabbrecher/innen ein halbes Jahr nach Exmatrikulation befragt wurden, muss man bedenken, das ihre Zeit der Neuorientierung noch nicht unbedingt abgeschlossen ist und ein Teil auch zurück ins Hochschulsystem gehen könnte oder einen Job findet.
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Welche Informationen und Hinweise sind aus Ihrer Erfahrung für Studienabbrecher/innen wichtig?
Dies hängt stark mit dem Grund des Abbruchs zusammen. Vor und nach Abbruch ist jede Information zu „schmerzfreien“ Wegen aus bzw. nach dem Studium willkommen. Mein Eindruck ist, dass die Abbrecher dankbar für eine Bündelung von Informationen zu ihrem möglichen weiteren Berufsweg wären, also alles aus einer Hand. Dies umfasst auch die Not, finanzielle Engpässe zu überbrücken.
Mit Studienberatungen, Career Services, der Arbeitsagentur usw. gibt es bereits viele beratende Einrichtungen. Das Problem ist, so schildern sie uns, dass Abbrecher diese Einrichtungen nicht oder zu spät aufsuchen. Um mehr über die Hintergründe und Umstände zu erfahren, führen wir derzeit eine Studie unter den Beratungseinrichtungen durch.
Was kann man schon bei den ersten Gedanken an einen Studienabbruch tun?
Wer Zweifel an seinem Studium hegt und sich überfordert fühlt, sollte sich zunächst an die Studienberatung seiner Hochschule wenden, denn sie kann gezielt Hilfen anbieten und über ihr Netzwerk je nach Problemlage auch an andere Einrichtungen weitervermitteln. Wer noch keine konkrete Vorstellung von seinem Ausbildungs- oder Berufsweg hat, kommt zudem nicht umhin, eine realistische Selbsteinschätzung zu gewinnen und mehr Eigenaktivität zu entwickeln.
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Über Möglichkeiten des Berufseinstiegs nach dem Studienabbruch informiert auch: www.studienabbruch-und-dann.de