Studie: So entwickelt sich die Umweltbildung
Wichtig für die Gesellschaft: Kinder lernen die Natur und Umwelt kennen. Foto: © micromonkey / Fotolia.de

Studie: So entwickelt sich die Umweltbildung

Wie verändert sich die Job- und Weiterbildungslandschaft für Natur- und Umweltpädagogen? Welche Qualifikationen werden gefordert? Der Bundesverband ANU hat dazu eine bundesweite Befragung in Auftrag gegeben.

Im Interview mit Katharina Hamacher nennt Projektleiterin Dr. Jessica Blings erste Ergebnisse. Unter anderem findet in den Umweltbildungszentren ein Generationenwechsel statt. Die "Pioniergeneration" tritt ab. 

Frau Dr. Blings, Sie haben eine bundesweite Befragung durchgeführt, um die Qualitätsentwicklung in außerschulischer Umweltbildung zu ermitteln. Welche Idee steckt hinter dem Projekt?

Umweltpädagogen-Jobs-StudieDen Anstoß hat die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e. V. (ANU) gegeben. Da ich selbst in der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung arbeite und aus der Umweltbildung komme, kenne ich die Problematiken der Branche wie große Vielfalt und schlechtes Auskommen sehr gut. Daher war ich direkt interessiert, als die ANU mich angesprochen hat.

Ziel des Projektes ist, die Qualitätsentwicklung in der außerschulischen Umweltbildung voranzutreiben, die Umweltzentren zu stärken, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Wir haben im Mai vorigen Jahres begonnen. Mit den Ergebnissen, die im Juni vorliegen werden, möchte die ANU den Stand der Dinge aufzeigen und Unterstützungsmaßnahmen initiieren.

Wie sind Sie beim Projektaufbau vorgegangen?

Wir vom Institut für Technik und Bildung der Universität Bremen (ITB) haben gemeinsam mit der ANU das Projektkonzept entwickelt. Es geht darum, die Bedarfe in drei Bereichen zu ermitteln, um daraus Unterstützungsmaßnahmen abzuleiten: Personalbestand und Weiterbildung, Übergänge in Leitungsfunktion sowie Trends und Leitbilder bezüglich der Qualitätsstandards.

Es war naheliegend, die anfallenden Fragen mit Masterarbeiten zu bearbeiten. Ich habe mich auf die Suche nach Studierenden gemacht und vier sehr engagierte junge Menschen gefunden, die sich mit überdurchschnittlichem Einsatz in die Arbeit gestürzt haben. Als Basis für die Masterarbeiten dienen Interviews mit Leiterinnen und Leitern von Umweltzentren und anderen Beschäftigten in der Umweltbildung sowie die Ergebnisse einer Online-Befragung.

Insgesamt haben 191 Institutionen und 197 Einzelpersonen teilgenommen. Darunter sind klassische Umweltbildungszentren, kommunale Abteilungen, Schullandheime, aber auch freiberufliche Umweltpädagogen. Die ANU hat die Adressdaten für die Online-Befragung zur Verfügung gestellt. Insgesamt haben wir einen sehr guten Rücklauf erhalten.

Welche Inhalte greift der Fragebogen auf?

Der gemeinsam entwickelte Fragebogen ist besonders für die Leitungen der Umweltzentren sehr umfangreich. Darin geht es um die Zahl der Angestellten, Finanzierungsstrukturen, Größe und gewünschte Qualifikationen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und um Weiterbildungsbedarf, aber auch um den persönlichen Werdegang, den Einstiegsweg in die Umweltbildung und die Qualifikationen. Was wünschen sich die Personen im Bereich der Weiterbildungen von ihren Mitarbeitern? Welche der verschiedenen Qualitätsstandards sind besonders bekannt und inwieweit orientieren sich die Zentren daran? Welche Qualifikationen und Zertifikate fordern sie bei der Einstellung?

Was war für Sie besonders spannend?

Interessant sind für uns die Zahlen der beruflichen Qualifikation: 75 Prozent der befragten Beschäftigten im Bereich Umweltbildung haben einen Studienabschluss, 37 Prozent haben eine abgeschlossene Berufsausbildung und 21 Prozent verfügen sogar über beides. Das sind also hochqualifizierte Personen, die sich sowohl praktisch als auch theoretisch sehr gut auskennen.

Uns hat überrascht, dass sich ein hoher Anteil der Befragten Kenntnisse im Bereich Konfliktmanagement wünscht. Diese Ergebnisse werten wir aktuell noch tiefer aus. Ebenfalls gefragt sind Bereiche wie Finanz- und Projektmanagement. Ein weiterer spannender Aspekt ist die Frage, ob pädagogische oder naturwissenschaftliche Kenntnisse wichtiger sind. Beides ist entscheidend und lässt sich nicht gegeneinander aufwiegen. Unter den Befragten machen Naturwissenschaftler den größeren Anteil aus. Vielfach wünschen sich die Personen aus den beiden Bereichen dann Weiterbildungen im jeweils anderen Feld.

"Von Pädagogik über Marketing bis hin zu Akquise werden viele Bereiche gefordert."

Wie bedeutend ist Weiterbildung generell und gibt es Schwerpunkte?

Generell spielt Weiterbildung in der Umweltbildung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) eine große Rolle. Das liegt auch daran, dass es die entsprechenden Studiengänge noch nicht so lange gibt und sich diese auch noch nicht so etabliert haben. Daher gibt es im Weiterbildungsbereich eine Vielzahl an regionalen Angeboten. Besonders Weiterbildungen im Bereich BNE werden viel genutzt.

Das ist nicht überraschend, da die politischen Vorgaben von den Zentren verlangen, diesen Bereich abzudecken. Eine Veränderung steht in vielen der von uns befragten Zentren an, da in den kommenden fünf Jahren vermutlich rund 130 Leitungsübergaben zu erwarten sind.

Wir empfehlen, dass der Wechsel begleitet wird, denn der Weggang erfahrener Fachkräfte ist eine schwierige Phase für die Zentren. Das Thema haben wir auch auf der Tagung im November mit einer provokanten Frage im Rahmen des World-Cafés „Abschied der Pioniergeneration“ diskutiert: Die Debatte lief unter der Frage „Leitungsübergänge – alter Wein in neuen Schläuchen?“

Wie lief die Tagung ab?

Am Vormittag hatten wir Vorträge zum laufenden Projekt im Plenum und zur Qualitätsentwicklung in der Pädagogik der Umweltbildung sowie der Personalentwicklung im Allgemeinen. Ein wichtiges Thema war der Praxis-Bezug der Absolventen neuer Studiengänge und die Frage, ob sie im Studium genug auf die praktische Pädagogik vorbereitet werden.

Auch die vielfältigen Anforderungen in der Umweltbildung/BNE waren ein großes Thema: Von Pädagogik über Marketing bis hin zu Akquise werden viele Bereiche gefordert. Wir hatten auch einige Freiberufler zu Gast. Es war spannend, die unterschiedlichen Perspektiven einzufangen.

Ein weiteres Diskussionsthema war das große Engagement, das die meisten Fachkräfte in der Branche eint. Herzblut wird immer vorausgesetzt, aber es geht auch um wirtschaftliches Denken und Handeln, darum, sich bei allem Engagement nicht ausbeuten zu lassen beziehungsweise sich nicht freiwillig selbst auszubeuten. Die Dokumentation der Tagung befindet sich auf unserer Internetseite.

Wie geht es mit dem Projekt weiter?

Bis wir es im Juni abschließen, haben wir noch viel vor. Wir wollen uns die Personalausstattung der Zentren genauer anschauen und die Qualitätsstandards, nach denen sich die Zentren richten, herausarbeiten. Die Studierenden sind aktuell damit beschäftigt, ihre Masterarbeiten formal ins Reine zu bringen.

Zum Schluss möchten wir die Ergebnisse in einem Fachbuch veröffentlichen. Die ANU wird noch die regionalen Bedarfe in Erfahrung bringen. Zudem sind in allen drei Feldern der Masterarbeiten Workshops geplant, mit verschiedenen Experten und Stakeholdern aus der Umweltbildung.

Welches Ergebnis soll am Ende des Projektes stehen?

Unser Ziel liegt darin, die Qualitätsentwicklung der außerschulischen Umweltbildung herauszuarbeiten. Wir hoffen, dass wir auf der Grundlage dieser Ergebnisse Empfehlungen geben und Planungsgrundlagen zur Verfügung stellen können. Das Projekt ist damit auch ein Baustein für mehr Transparenz, die für eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in der Branche wichtig ist. Man wird mehr über die Leistungen im Bereich Umweltbildung/BNE sprechen müssen. Mit der Vielfalt umzugehen und sie zu erhalten, ist eine Herausforderung. 

Vielen Dank für das Gespräch.

  • Zur Person: Dr. Jessica Blingsarbeitet am Institut Technik und Bildung (ITB) der Universität Bremen. Die Forschungsschwerpunkte der promovierten Berufspädagogin und Diplom-Biologin sind: Anerkennung informellen Lernens, Gestaltung von beruflich-betrieblichem Lernen, Durchlässigkeit in Bildungssystemen und Nachhaltige Entwicklung.
  • Das ITB: Das Institut Technik und Bildung (ITB) der Universität Bremen arbeitet seit 25 Jahren intensiv in der Berufsbildungsforschung. Mit zurzeit rund 60 Beschäftigten zählt es zu den größten unabhängigen Forschungseinrichtungen zu diesem Themenkomplex weltweit. Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeiten des ITB bildet die Berufs­bildungs­forschung mit den Gegenstandsbereichen berufliche Aus- und Weiterbildung, Berufe und Berufs­bildungs­systeme einerseits sowie ihren Ab- und Ausgrenzungen, Übergängen, Voraussetzungen und Alter­nativen andererseits. Für die interdisziplinäre Forschung kooperieren im ITB Berufswissenschaftler, Ingenieure, Berufspädagogen, Arbeitswissenschaftler, Bildungsökonomen, Industriesoziologen, Kulturwissenschaftler und Psychologen.
  • Das Projekt: Mit Förderung der deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und gemeinsam mit der Universität Bremen führt die ANU von Mai 2015 bis Juni 2016 ein Projekt zum Thema Qualitätsentwicklung durch. Es verfolgt das übergeordnete Ziel, die Qualitätsentwicklung von Umweltbildungszentren zu unterstützen. Die Bildungsarbeit in Umweltzentren ermöglicht Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, systemisches Bewertungs- und Handlungswissen zu Schlüsselthemen wie Biologische Vielfalt, Klima- oder Ressourcenschutz zu erwerben. Dabei werden häufig Kooperationen mit Schulen und mit Partnern anderer gesellschaftlicher Bereiche eingegangen. Ziel des Projekts ist es, konkrete Vorschläge für nachfolgende Unterstützungsmaßnahmen für die außerschulische Umweltbildung auszuarbeiten. Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt im Bereich Personal, vorgesehen sind die Themenschwerpunkte Leitungswechsel, Aus- und Fortbildung, Personalakquise und künftige Leitbilder und Trends der Umweltbildungsarbeit. Denkbare zukünftige Maßnahmen sind u.a. Fortbildungen für Leitungskräfte mit Personalverantwortung, externe Begleitung bei Leitungswechseln, Fachfortbildungen für Multiplikatoren, Impulse für die Weiterentwicklung von Hochschulausbildungen, Öffentlichkeitsarbeit zum Berufsbild oder die Ausweitung von Berufsorientierungsangeboten. Zu diesen und weiteren Vorschlägen soll der Bedarf erhoben und es sollten mögliche Umsetzungs- und Förderpartner gefunden werden. 
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