Zwischen Masterplan und Scheuklappenkarriere
Immer weiter die wackelige Karriereleiter hoch - ob das gut geht? Und wollen wir das überhaupt? Foto: © olly / Fotolia.de

Zwischen Masterplan und Scheuklappenkarriere

Lässt sich die eigene Karriere wirklich planen? Ein Streitgespräch zwischen zwei Karriere-Coaches über Traumjobs und Talente, Lebensphasen und Selbstblockaden, Automatik-Modus und die Definition von Erfolg.

Text: Daniela Lukaßen

Wenn es um das Thema Karriereplanung geht, könnten die Meinungen und Einstellungen nicht unterschiedlicher sein. Die einen sagen: „Eine Karriere muss man planen“ oder stellen Fragen wie: „Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?“. Die andere Seite sagt:  „Karriereplanung kann nicht funktionieren“ oder „Wer langfristig Ziele festlegt, steht sich selbst im Weg“. 

Wir haben mit dem Coach und Ökonomen Dr. Bernd Slaghuis aus Köln und dem Münchener Karrierecoach Walter Feichtner gesprochen. Seit über 15 Jahren ist Walter Feichtner in den Bereichen Personalberatung, Coaching und Erwachsenenbildung tätig. Eine gute und umfassende Karriereplanung ist für den Diplom-Kulturwirt das A und O.

Dr. Bernd Slaghuis spricht sich hingegen eher für Flexibilität und eine regelmäßige bewusste Anpassung der eigenen Karriereplanung an sich verändernde persönliche Werte und Ziele aus. Ein ausführliches Gespräch über Karriereplanung. 

Viele unserer Leserinnen und Leser haben Vorstellungsgespräche, auf die sie sich vorbereiten müssen. Dabei beschäftigt sie häufig besonders eine Frage, die in Vorstellungsgesprächen oft gestellt wird: Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Was halten Sie, Herr Dr. Slaghuis und Sie, Herr Feichtner davon?

Walter Feichtner: Diese Frage kommt natürlich tatsächlich sehr oft. 

Bernd Slaghuis: Ja und ich bin der Meinung, sie ist so gestellt nur eine unqualifizierte Stressfrage. Denn das weiß in der Regel niemand, und ich bin der Ansicht, das muss ein Bewerber auch nicht wissen. Wenn ich mit Bewerbern arbeite, merke ich immer wieder, dass sie Angst vor einer solchen Frage haben. Ich überlege dann mit ihnen, was eigentlich dahinter steckt.

Denn der Hintergrund dieser Frage hat ja doch auch eine Berechtigung. Denn dahinter stehen zahlreiche verschiedene Aspekte: Wie stellen Sie sich Ihren zukünftigen Job vor? Was sind Ihre persönlichen Ziele? Welche Entwicklung möchten Sie im Unternehmen machen? Vielleicht sogar: Was können wir als Unternehmen für Sie und Ihre Entwicklung tun? Und darum glaube ich, dass Bewerber bei der Beantwortung der Frage besser auf diese Aspekte eingehen sollten.

Walter Feichtner: Ich glaube auch, dass ein Arbeitnehmer zeigen muss, dass er sich mittel- und langfristig weiterentwickeln und dass er zunehmend mehr Verantwortung übernehmen möchte. Es ist nicht so gut, konkret anzusprechen, dass man eine bestimmte Position haben möchte und sich eine bestimmte Teamleitung vorstellt. Schließlich sitzt oft auch die Person als Entscheiderin oder Entscheider mit im Vorstellungsgespräch, an deren Stuhl damit gesägt würde.

"In dem Moment, in dem ich meinem Karriereplan hinterherlaufe, habe ich null Flexibilität."

Bernd Slaghuis: Ich vermute auch nicht, dass ein Arbeitgeber von einem Bewerber erwartet, dass er antwortet: Ich möchte dann den Chefposten haben. Vielmehr meine auch ich, dass Bewerberinnen und Bewerber darauf eingehen sollten, welche Entwicklungsperspektiven sie haben und was ihnen dabei besonders wichtig ist.

Walter Feichtner: Ich denke, dass Bewerberinnen und Bewerber in diesem Kontext eher kurzfristige Ziele ansprechen sollten. Dabei geht es auch darum, sich auf die Aspekte zu konzentrieren, die man selbst steuern kann. Und es spielt eine wichtige Rolle, dem Gegenüber im Vorstellungsgespräch zu signalisieren, dass man der Richtige für den Job ist. Etwa, indem man darauf eingeht, dass man sich die erforderlichen Kenntnisse und das Know-how aneignen wird.

Aber es geht nicht darum, tatsächlich diesen Zehn-Jahres-Blick einzunehmen. Das sollte höchstens im Zusammenhang mit dem Aspekt der Kontinuität geschehen. Eine Bewerberin oder ein Bewerber sollten zeigen, dass sie oder er es sich also auch vorstellen kann, noch in zehn Jahren für den Arbeitgeber tätig zu sein. Das vermittelt oft den Eindruck von großer Sicherheit und überzeugt.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Wer ist denn nun erfolgreicher? Eine Arbeitnehmerin, die im Berufsleben vieles auf sich zukommen lässt? Oder ein Mitarbeiter, der seine Karriere genau plant?

Bernd-Slaghuis-Coach-Köln-WilaBernd Slaghuis: Ich bin der Meinung, man ist erfolgreicher mit der Haltung, im Berufsleben auch Dinge auf sich zukommen zu lassen. Ich denke, dass die Arbeitswelt heute viel dynamischer und komplexer ist, als es noch vor einigen Jahren der Fall war. Ich sollte heute viel flexibler sein, um auch Chancen ergreifen zu können.

In dem Moment, in dem ich meinem Karriereplan hinterherlaufe, habe ich null Flexibilität. Aber wenn ich mich bewusst immer wieder darauf einlasse, etwas Neues zu probieren und mal den Weg rechts oder links rum zu nehmen, trainiere ich meine Flexibilität und kann so auch besser auf neue Umstände von außen reagieren. 

Walter Feichtner: Ich denke schon, dass eine Karriereplanung wichtig ist, weil man sich dann an dem messen kann, was man sich selbst zurechtgelegt hat. Wenn man einen Plan macht - sowohl von der zeitlichen Schiene als auch von den Aufgaben und „To-Do‘s“ - lässt sich die Karriere einfach besser steuern. Einzelne Schritte können nachverfolgt werden, und man kann schauen, ob man in dem erfolgreich war, was man sich vorgestellt hat. Das ist für einen selbst, denke ich, das Wichtigste. 

Bernd Slaghuis: Also, ich spreche da gerne von einer Scheuklappenkarriere. Das erlebe ich häufig auch hier im Coaching. Menschen, die ihr Leben lang mit den Scheuklappen einer festen Karriereplanung eine irgendwann einmal definierte Karriereleiter hochklettern und dann nach vielen Jahren des Durchhaltens doch plötzlich feststellen: Das passt alles nicht mehr zu mir, die Karriereleiter führt nicht weiter, ich erreiche meine Ziele nicht mehr, bin frustriert oder vielleicht ist dies sogar inzwischen die falsche Karriereleiter.

Diese Menschen haben dann auch den Blick für Chancen verloren. Sie haben ihr damaliges Ziel im Blick und rennen immer weiter geradeaus und höher auf der Leiter. Und das ist genau das, was Angestellten im Job oft suggeriert wird: Wenn man gut ist, kommt in zwei Jahren automatisch der nächste Schritt. Klingt immer attraktiv, ist aber am Ende eine Art Automatismusklettern. Karriere aus Routine. Und genau da hinterfragen sich zu wenige Angestellte und Führungskräfte selbst. Sie machen sich nicht deutlich, ob es genau das ist, was sie wollen und ob sie dieser Schritt wirklich weiterführt. Und in dem Moment, wo jemand einen starren Plan hat, ist die Gefahr tendenziell größer, dieses Automatikklettern zu betreiben.

"Man sollte sich mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen auseinandersetzen"

Walter Feichtner: Klar, wenn man überhaupt nicht mehr flexibel ist, kann das natürlich geschehen. Aber darum geht es ja auch nicht. Es können sich selbstverständlich immer wieder verschiedene Änderungen durch externe Einflüsse und sich ändernde Rahmenbedingungen ergeben, auf die ein Mensch in seiner Karriereplanung dringend eingehen muss. Dennoch ist es sehr wichtig, einen eigenen Plan aufzustellen. Zu diesem gehört es schließlich auch, sich mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen auseinanderzusetzen. Was ist mein Traumjob? Wie muss der aussehen? Und was erwarte und erhoffe ich mir davon? Punkte also, die ganz entscheidend dafür sind, ob wir in einem Job Erfolg haben und mit der Stelle glücklich sind oder eben nicht.

Bernd Slaghuis: Es könnten sich aber auch ganz viele Türen an der Seite öffnen, die tolle neue Perspektiven bieten und die möglicherweise deutlich besser zum aktuellen Lebensabschnitt passen, die ich dann aber mit einem derart festen Karriereplan im Kopf gar nicht sehe und übrigens auch nicht sehen will. Denn an diesem Karriereplan hängt ja auch ein fixes und scheinbar attraktives Ziel und dessen Aufgabe wäre für viele Karriere-Denker subjektiv ein Versagen. Erfolgreicher sind daher die, die ihre Karriere nicht bis ins letzte Detail und bis zur Rente planen.

Walter-Feichtner-Coach-WilaWalter Feichtner: Natürlich ist es auch wichtig, dass es Abweichungen geben kann und dass ich meine persönlichen Ziele an die Rahmenbedingungen anpasse. Denn diese können immer Veränderungen mit sich bringen. Vielleicht werde ich versetzt oder mein Team ändert sich plötzlich. Das sind alles Aspekte, die eine Anpassung erfordern können. Dennoch sind aus meiner Sicht die Menschen erfolgreicher, die ihre Karriere planen. Denn die kennen ihre Ziele. Und sie haben sich schon einmal einen Weg zurechtgelegt. Das bietet ihnen den Vorteil, dass sie irgendwann eine Art Check machen können, ob sie diese Zwischenziele schon erreicht haben.

Bernd Slaghuis: Ja, ein regelmäßiger Plan-Ist-Abgleich bietet eine Standortbestimmung. Doch für viele ist das dann auch mit Frust verbunden, wenn sie immer wieder bemerken, dass sie ihre hoch gesteckten Ziele eben nicht geschafft haben. Sie verlieren die Wertschätzung für ihre eigenen Fähigkeiten und Talente und machen ihr Selbst-Bewusstsein mit der Zeit selbst immer kleiner.

Walter Feichtner: Natürlich lässt sich auf einem Karriereweg nicht jedes Etappenziel immer ganz konkret umsetzen und erreichen. Wie schon gesagt, müssen viele Vorstellungen auch an äußere Rahmenbedingungen angepasst werden, damit Ziele tatsächlich realistisch sind. Doch ich bin der Meinung, dass auch das Erkennen, ob diese Ziele erreicht worden sind, zu der persönlichen Entwicklung eines Menschen beiträgt. Dieses Erkennen ist darum auch mit Lernprozessen verbunden und hilft dabei, weitere Ziele zu definieren.

"Wer sturr seinen alten Werten, rennt wahrscheinlich irgendwann in die völlig falsche Richtung." 

Bernd Slaghuis: Aber wenn wir zum Beispiel Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen nehmen, ist für sie möglicherweise die Vorstellung attraktiv, irgendwann einmal Konzernchef zu sein. Vielleicht wissen sie nicht genau, was ein Konzernchef täglich tut, doch in ihren naiven Vorstellungen steht eine solche Position vielfach für Erfolg und Karriere. Diese jungen Menschen planen nun strategisch, was sie hierfür tun müssen und schauen sich ab, welchen typischen Werdegang Top-Manager aufweisen und eifern dem nach. Sie haben Ziele. Das ist gut und richtig.

Problematisch wird es jedoch, wenn sich die eigenen Werte und Ziele verändern, wir sprechen da von bis zu vier Karriere-Phasen, in denen sich auch das eigene Verständnis von Karriere wandelt. Die Gründung einer eigenen Familie ist so ein typischer Einschnitt, bei dem sich Werte im Leben und auch die Perspektive auf den Beruf häufig grundlegend verändern. Wer das nicht mitbekommt, sondern stur seinen alten Werten hinterher rennt, weil er glaubt, dass sie noch stimmen, rennt wahrscheinlich irgendwann in die völlig falsche Richtung.

Ich glaube, genau das ist das Hauptproblem bei einer Karriereplanung. Darum halte ich eine langfristige Planung nicht für sinnvoll. Wenn jemand sagt: Ich bin 25, habe mein Studium gerade abgeschlossen und plane nun die nächsten 40 Jahre bis zur Rente oder setze mir beispielsweise das Ziel, in 30 Jahren Vorstandschef der Deutschen Bank sein zu wollen, ist das Risiko hoch, irgendwann blind den falschen Zielen hinterherzulaufen.

Walter Feichtner: Na ja, es ist natürlich tatsächlich so, dass sich nicht immer alles planen lässt. Aber wenn man sich das von Anfang an sagt, kann man ja auch überhaupt nicht richtig planen. Man blockiert sich also selbst. Und ich bin der Meinung, dass wir alle das Recht haben, Ziele zu formulieren und dass wir auch Wünsche und Träume haben ? und uns hier auch mal die Rosinen rauspicken dürfen. Wie realistisch das am Ende alles ist, lässt sich nie mit Bestimmtheit sagen. Nur sollte man dennoch die Möglichkeit haben, so für sich zu planen.

"Es gibt ja noch viele andere Ziele im Leben. Reisen, Sprachen lernen, etwas Bleibendes schaffen, Musik machen."

Herr Feichtner, wie kann denn eine gute Karriereplanung aus Ihrer Sicht am besten gelingen?

Walter Feichtner: Zum einen natürlich durch das schriftliche Erfassen. Dabei legt sich ein Mensch Ziele und Etappenziele zurecht und hält diese auch schriftlich fest. Wichtig ist es aber auch, dass man mit anderen Menschen über seine Ziele spricht. Nur so kann eine neutrale und objektive Sicht gelingen. Genau das können beispielsweise wir als Karriereberater in unseren Coachings leisten.

Das ist für viele Menschen extrem hilfreich. Denn sie sind häufig so sehr auf ihre eigenen Ziele fixiert, dass sie gar nicht richtig abschätzen können, ob diese realistisch sind oder nicht. Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die glauben, dass sie zum aktuellen Zeitpunkt noch keine langfristigen Ziele formulieren können. Und auch hier kann es hilfreich sein, jemanden an seiner Seite zu haben, der einem einen Rat geben kann.

Braucht man denn dann gar keinen Plan, wenn es um die eigene Karriere geht, Herr Dr. Slaghuis?

Bernd Slaghuis: Doch. Wenn ich mit Klientinnen und Klienten an den nächsten sinnvollen Karriereschritten arbeite, geht es zum einen um eine grundsätzliche Haltung zum Leben und zum Beruf. Dabei stellen wir uns  Fragen wie: Was habe ich im Leben noch vor? Wie soll es mir im Alter gehen? Wo will ich dann stehen? Wer soll um mich herum sein? Was bedeutet Karriere für mich, und was möchte ich im Beruf noch erreichen?

Das fällt natürlich gerade jungen Menschen extrem schwer, weil es noch so weit weg ist. Wenn Berufserfahrene in der Lebensmitte zu mir kommen, die bereits zwanzig Jahre lang eine steile Karriere gemacht haben und jetzt etwas verändern möchten, dann wird ihnen häufig bewusst: Es gibt ja noch ganz viele andere Ziele im Leben, die sie noch erreichen möchten. Reisen, Sprachen lernen, etwas Bleibendes schaffen, Musik machen und so weiter. Dieses Bewusstsein finde ich für eine Karriere- und auch Lebensplanung sehr wichtig.

"Wir sprechen hier ja die ganze Zeit über Erfolg. Was heißt das überhaupt? Heißt es, viel Geld zu verdienen?"

Das klingt ein bisschen so, als sei eine Planung vielleicht sinnvoll, wenn man immer wieder neu plant. Dass man seine Ziele also immer wieder flexibel anpassen und umdefinieren muss.

Bernd Slaghuis: Ich habe auch hier ein Problem mit „Müssen“. Ich bin der Meinung, dass sich persönliche Ziele während eines Lebens verändern dürfen. Und darum ist es wichtig, dass man sich selbst erlaubt: Wenn sich meine Ziele verändern, darf ich auch meinen Weg anpassen. Und insofern ist es eben keine 30-Jahre-Karriereplanung, die ich sinnvoll finde, sondern vielleicht eine drei- unter Umständen auch fünf-Jahres-Karriere-Planung. Und dann eben auch nicht in Stein gemeißelt, sondern mit der Flexibilität, auf äußere Umstände und Änderungen im persönlichen Umfeld eingehen zu können.

Dabei geht es in erster Linie darum, selbst das Bewusstsein zu entwickeln, regelmäßig hinzuschauen. Regelmäßig kann heißen: einmal im Jahr. Sich also wirklich die Zeit zu nehmen, sich hinzusetzen und zu überlegen: Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Und passt das noch, was ich mache? Oder haben sich meine Werte und Ziele, meine Vorstellungen von Beruf und Privatleben verändert? Vielleicht auch meine Vorstellungen davon, was Erfolg ist. Denn wir sprechen hier ja die ganze Zeit über Erfolg. Was heißt das überhaupt? Heißt es, viel Geld zu verdienen? Oder bedeutet Erfolg, nur noch sinnvolle Dinge zu tun? Ja, selbst die Definition von beruflichem Erfolg wird sich bei vielen Menschen im Laufe des Lebens sicher auch verändern.

Fällt es denn den meisten Menschen schwer, sich und die eigenen Bedürfnisse selbst in den Blick zu nehmen?

Bernd Slaghuis: Also besonders die weite Sicht fällt vielen Menschen nicht leicht. Denn es ist eine Perspektive, die wir nicht gewohnt sind. Die kurze Sicht hingegen auf das, was heute im Leben und im Job wichtig ist, das ist den Meisten sehr klar. Aber ich glaube, dass viele Menschen so sehr im hektischen operativen Alltag gefangen sind, ob beruflich oder familiär, dass sie da ganz einfach nicht dran denken. Auch ein Punkt, warum wir jeden Tag im Automatik-Modus laufen, bis es dann plötzlich nicht mehr passt, und das Fass überläuft.

Walter Feichtner: Die eigene Sicht halte ich auch für wichtig. Jeder Mensch sollte für sich selbst klar wissen, was ihm wichtig ist und was seine Bedürfnisse sind, wenn es um die Themen Beruf und Karriere geht. Nur so lässt sich auch eine sinnvolle und realistische Planung vornehmen.

Was würden Sie denn Akademikerinnen und Akademikern raten, die gerade von der Hochschule kommen oder sich beruflich neu orientieren und in Zeiten der beruflichen Flexibilität eine Stelle suchen müssen?

Bernd Slaghuis: Zunächst einmal würde ich das auch hier gar nicht als müssen sehen. Ich denke, dass viele junge Menschen heute ganz gezielt immer mal wieder den Arbeitgeber wechseln, um sich zu entwickeln und neue Branchen kennenzulernen. Die Fluktuationsquote in Unternehmen steigt seit Jahren zunehmend.

Ich glaube gar nicht so sehr, dass das nur von außen bestimmt ist. Ich denke vielmehr, dass das Thema der Identifikation mit dem Arbeitgeber, also: Wenn ich da einmal bin, bleibe ich da mein Leben lang, insbesondere bei jungen Menschen nicht mehr in dem Maße existiert. Gerade junge Menschen möchten sich entwickeln und etwas tun, was sinnvoll ist, ihnen Freude macht und wo sie für gute Leistungen auch Anerkennung erhalten.

Und in dem Moment, in dem sie erkennen, sie kommen in diesen Punkten bei einem Arbeitgeber nicht weiter, haben sie inzwischen auch das Selbstbewusstsein, die Stelle zu wechseln. Und darum bin ich überzeugt: Flexibilität ist nicht nur eine wichtige Eigenschaft, um in unserer heutigen Welt besser zurechtzukommen, sondern Flexibilität ist als persönliche Kompetenz wichtig, um auch selbstbestimmt Entscheidungen treffen zu können.

Walter Feichtner: Ich sehe es so, dass es junge Menschen gibt, die eine größere Struktur brauchen als andere. Das ist immer eine Frage des eigenen Charakters. Manche Personen entscheiden sich hingegen in der Regel sehr spontan aus dem Bauch heraus. Auch für sie ist aber ein Plan sinnvoll, um das Große und Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.

Das gilt für Hochschulabsolventinnen  und  -absolventen wie für Menschen, die schon länger im Berufsleben stehen. Denn mit der Formulierung von Zielen hört man innerhalb eines Berufslebens nicht einfach auf. Man plant immer weiter und legt Ziele und Etappenziele fest. Und dazu würde ich selbstverständlich schon Hochschulabsolventinnen und -absolventen raten, die sich gerade im Bewerbungsprozess befinden.

Vielen Dank für das Gespräch! 

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