Im Idealfall arbeiten alle Mitarbeiter gut zusammen - egal, wer Chefin oder Chef ist. Foto: © Robert Knechte / Fotolia.de

"Hierarchische Unternehmen werden abgelöst"

Fragen Sie unseren Coach (Teil 14): Viele Unternehmen arbeiten abteilungsübergreifend zusammen. Wie Teamleiterinnen und Teamleiter "ausgeliehene" Mitarbeiter führen können, erklärt Karrierecoach Sabine Brauer.

Die Frage: 

In unserem Unternehmen leite ich ein abteilungsübergreifendes Projekt. Das Problem: Ich kann nicht durchgreifen, weil die Projektmitarbeiter letztlich einem anderem Chef unterstehen und nur an mich „ausgeliehen“ sind. Wie soll ich vorgehen?

Die Antwort von Karrierecoach Sabine Brauer:

Die Strukturen und Führungskulturen in Unternehmen ändern sich derzeit sehr stark. Es gibt immer mehr abteilungsübergreifende Projekte. Nur so können Unternehmen auf die sich immer schneller verändernde Wirtschaft reagieren.

Klassische hierarchisch geprägte Unternehmen werden zunehmend abgelöst durch solche mit flachen Hierarchien und netzwerkartigem Zusammenarbeiten. Das hat allerdings Folgen – unter anderem für Team- und Projektleiter wie Sie.

 Als Team-Leiterin oder Leiter sind Sie juristisch gesehen nicht weisungsbefugt. Das heißt: Sie können also nicht zu disziplinarischen Maßnahmen greifen, um einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin „auf Linie“ zu bringen.

Auch Ihre Projektmitarbeiter haben es nicht einfach. Sie sitzen zwischen zwei Stühlen. Dazu kommt: Häufig finden solche abteilungsübergreifenden Projekte zusätzlich zur Routinearbeit statt. Für Ihre Kolleginnen und Kollegen ist es also eine Mehrbelastung. 

Wenn einer Ihrer Projektmitarbeiter nicht rechtzeitig Arbeit abliefert, dann liegt das aller Wahrscheinlichkeit nach an Überbelastung oder an der Unklarheit, welche Aufgaben jetzt Priorität haben – Ihr Projekt oder die eigentliche Arbeit in der Heimat-Abteilung. 

Hinzu kommen manchmal Neid-Probleme. Denn bei manchen Mitarbeitern der Heimat-Abteilung herrscht Eifersucht, weil sie selbst nicht in „externe“ Projekte eingebunden sind. Auch Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter sind in der Regel nicht begeistert, weil sie für die fehlende Arbeitskraft keine Kompensation erhalten.

Mit der Brechstange kommen Sie nicht weiter. Stattdessen brauchen Sie neue Methoden, um Ihre Ziele zu erreichen und das Projekt zum Erfolg zu führen. Vier Ratschläge kann ich Ihnen geben: 

1. Schaffen Sie eine Atmosphäre des Vertrauens.

Wenn Sie offen agieren, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertschätzen und auf die vorhandenen Probleme eingehen, haben Sie bereits viel gewonnen. Mit einem motivierten Team können Sie die Widerstände einfacher überwinden.  

2. Gehen Sie auf Ihre Mitarbeiter/innen individuell ein.

Jede Person benötigt eine andere Ansprache. Manche benötigen eine größtmögliche Freiheit, andere brauchen mehr Rücksprachen und Vorgaben. Erkennen Sie die Potenziale eines jeden Teammitglieds und führen Sie flexibel. 

3. Nutzen Sie die Kompetenzen aller Teammitglieder.

Ihre Team-Mitglieder bringen ganz unterschiedliche fachliche Kompetenzen mit. Nutzen Sie dies für die Diskussionskultur: Es geht nicht darum, wer seine Meinung durchsetzt, sondern um den Austausch von Argumenten und Erfahrungen. Seien Sie offen für Ideen und sprechen Sie mit allen auf Augenhöhe.

4. Kämpfen Sie für Ihr Team.

Früher oder später kommt es immer zu Konflikten mit den Abteilungen, aus denen Ihre Mitarbeiter „entliehen“ sind. Gehen Sie diese Konflikte aktiv an. Handeln Sie heraus, dass Ihre Mitarbeiter genug Zeit bekommen für Ihr Projekt. Hier müssen Sie durchsetzungsstark sein!

Vielleicht fühlen Sie sich derzeit noch alleine gelassen oder unverstanden. Aber diesem Führungsmodell gehört die Zukunft und Sie werden lange davon profitieren. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg! 

Zur Person:

Sabine-BrauerSabine Brauer ist Sozialwissenschaftlerin, war langjährige Führungskraft und arbeitet im Ruhrgebiet. Coaching ist eine Chance, den inneren Kompass neu auszurichten, wenn es um Fragen der persönlichen und beruflichen Orientierung oder Veränderung geht. Dabei werden individuelle Perspektiven entwickelt, um nicht nur passende neue Wege, sondern auch den Mut zu finden, diese zu beschreiten. Mehr Informationen zum Wila-Coaching-Kooperationsprogramm.

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