Jobs für Geographen
Stadtplanung - nur eines von vielen Tätigkeitsgebieten von Geographen. Foto: © Albachiaraa / Fotolia.com

Jobs für Geographen

Viele Tätigkeitsgebiete von Geographen entwickeln sich nach dem "Schneeballprinzip", sagt Andreas Veres. In einem zentralen Bereich der Ausbildung gibt es Nachholbedarf.

Veres ist Vorsitzender des Deutschen Verbands für Angewandte Geographie e.V. (DVAG). Im Interview mit Katharina Hamacher spricht er darüber, wie sich Studierende auf die Jobsuche vorbereiten können.  

Herr Dr. Veres, in welchen Bereichen arbeiten Geographen?

Dr. Andreas Veres: Das ist nicht leicht zu umschreiben, denn den klassischen Beruf des Geographen gibt es nicht. Während in den meisten Fällen ein Jurastudent Anwalt oder ein Medizinstudent Arzt wird, haben wir kein festgelegtes Berufsfeld. Geographen sind in allen Bereichen tätig, die einen räumlichen Bezug haben. Viele davon haben sich nach dem Schneeballprinzip entwickelt. Nehmen wir zum Beispiel die Immobilienbranche: Bei der Suche nach einer passenden Immobilie sind Fähigkeiten wie räumlich-vernetztes Denken von großem Vorteil. Das haben einige Geographen bewiesen und somit Pionierarbeit für ihren Berufsstand geleistet. Heute arbeiten viele Kollegen in der Immobilienbranche.

In welchen Bereichen gibt es noch Jobs für Geographen?

Eine kleine Auswahl der sonstigen Arbeitsfelder sind Ämter der klassischen Bereiche Stadtplanung und Verkehr, aber auch Ministerien, Landschaftsverbände, Umweltschutz und Wirtschaftsförderung, Fremdenverkehr und Tourismus oder auch Sozial- und Marktforschung. Geographen arbeiten aber auch an technischen Entwicklungen wie auf dem Gebiet der Geoinformationssysteme, in Forschung und Lehre und der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.

Auch in Verlagen und Fachredaktionen werden Geographen gebraucht, ebenso wie im Bereich der Physischen Geographie, etwa bei Themen wie Klima, Wasser und Bodenbeschaffenheit. Oft unterschätzt wird der Bereich Unternehmens- und Politikberatung: Ein großer Teil der Absolventen findet den ersten Job nach dem Studium in einer beratenden Tätigkeit.

Geographen gelten als Generalisten – ein Vor- oder Nachteil?

In einer globalisierten und vernetzten Welt ist eine generalistische beziehungsweise interdisziplinäre Ausbildung absolut von Vorteil.

Welche Anforderungen müssen sie erfüllen?

Weil es kein spezifisches Berufsbild gibt, sind Geographen noch stärker gefordert, ein breites Portfolio zu entwickeln – bis hin zu innovativen Ideen in der eben angesprochenen Pionierarbeit. Zudem ist der Beruf von einem sehr starken Praxisbezug geprägt: Die Experten müssen Karten erstellen, Satellitenbilder entschlüsseln, Bodenprofile bestimmen, Interviews führen und auswerten. Wir sind Sammler, Analytiker und Weiterverbeiter von Daten.

  • Andreas-VeresDr. Andreas Veres hat an der Ruhr-Uni Bochum studiert und promoviert. Der 38-Jährige bezeichnet die Wahl seines Studiums als die beste Entscheidung seines Lebens. Nach der Promotion war er als politischer Berater beim Europäischen Metallgewerkschaftsbund in Brüssel sowie bei der ThyssenKrupp AG tätig. Heute berät er Unternehmen bei der Project Consult GmbH, die sich auf Betriebsberatung für Arbeitnehmervertreter spezialisiert hat. Bereits im Studium hat er sich beim DVAG engagiert und ist seit 14 Jahren im Vorstand  und im vierten Jahr als Vorsitzender aktiv.

Welche Softskills sollten Geographen mitbringen?

Präsentations- und Kommunikationskenntnisse sind ebenso gefragt wie Fingerspitzen- und Feingefühl. Da viele Kollegen an der Schnittstelle von Kommunen und Privatwirtschaft arbeiten, sind zudem Teamfähigkeit und moderierende Fähigkeiten von Vorteil.

Was zeichnet den Berufsstand darüber hinaus aus?

Die Fähigkeit, breit zu fokussieren – eigentlich ein Widerspruch, aber das macht uns aus: große Areale mit allen Details im Blick zu haben, ohne den Überblick zu verlieren, ist in unserer globalisierter Welt die perfekte Ausgangslage. Ich erinnere mich gut an einen Praktikanten, der in der Bauplanung für eine Lebensmittelkonzernfiliale als einziger darauf aufmerksam gemacht hat, dass das Areal eine Hanglage hat. Niemandem sonst ist aufgefallen, dass dort eine besondere Berechnung erforderlich war.

Und wo haben Geographen Nachholbedarf?

BWL-Grundkenntnisse bleiben leider oft auf der Strecke, sind allerdings eine wichtige Voraussetzung, um unternehmensspezifische Zusammenhänge zu begreifen. Zudem sind Fähigkeiten, wie Bilanzen lesen und Gewinn-Verlust-Rechnungen aufstellen zu können, notwendig, um in eine gehobene Position aufzusteigen. Ich selbst habe mich im Studium darumherumgedrückt und meinen Betriebswirt Jahre später berufsbegleitend erworben. Sich die Kenntnisse gezielt während des Studiums anzueignen, ist allerdings immer die bessere Wahl, nicht nur aus finanzieller Sicht. Dafür ist jedoch eigenes Engagement gefragt, und vieles kann man sich erst nach dem Studium aneignen, da die geographischen Lehrstühle ihrem Qualifizierungsauftrag leider nicht genügend nachkommen. 

Welche Möglichkeiten gibt es, sich zu spezialisieren?

Von Planungsrecht über Softwarekenntnisse wie GIS bis zur Immobilienbranche gibt es unzählige Möglichkeiten. Das ist allerdings auch problematisch, denn der Markt ist sehr unübersichtlich und die Angebote oft sehr teuer. Unser Verband versucht, mit den Hochschulen in Dialog zu treten, damit bestimmte Inhalte bereits im Studium vermittelt werden. 

Inwiefern hat der Berufsstand von der Digitalisierung profitiert?

Wie in allen Berufen und im Leben überhaupt hat die Digitalisierung die klassischen Arbeiten nicht nur enorm vereinfacht, sondern vieles auch erst ermöglicht, gerade wenn ich an die Arbeit mit enormen Datensätzen denke, die jetzt erst in vernünftigen Zeitfenstern bearbeitbar sind.

Welche Weichen für eine erfolgreiche Karriere lassen sich bereits im Geographie-Studium stellen?

Praktische Erfahrungen zu sammeln, ist sehr wichtig. Mein Tipp an Studierende lautet: Nicht nur das zu machen, was vorgegeben ist, sondern auch jetzt schon Eigeninitiative zu zeigen. Freiwillige Praktika bieten die Möglichkeit, Berufsfelder kennenzulernen, auf die man sonst vermutlich nicht kommen würde. Zudem ist es eine wertvolle Chance, den Fuß in die Tür zu bekommen, denn Unternehmen greifen gern auf Leute zurück, mit denen sie bereits positive Erfahrungen gemacht haben. Auch eine geschickte Wahl der Nebenfächer wie BWL, Jura und andere akademische Disziplinen, Anwendungsprogramme, Datenanalyse und Projektmanagement ist von Vorteil. Auch weniger verbreitete Sprachen können einen Berufseinstieg fördern.

Wie wichtig ist frühzeitiges Networking?

Enorm wichtig. Ich empfehle jedem Studierenden, in einen Berufsverband einzutreten, denn dort lassen sich Kontakte zu künftigen Arbeitgebern knüpfen. Bei uns posten viele Mitglieder ihre Stellenangebote exklusiv im internen Netzwerk statt auf gängigen Jobportalen. Deshalb ist es wichtig, sich auf Veranstaltungen sehen zu lassen und sich aktiv im Verband einzubringen.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt ein?

Im vorigen Sommer waren bei der Bundesagentur für Arbeit 2,8 Millionen Arbeitssuchende gemeldet, davon 190.000 mit akademischem Abschluss. Davon waren in der Gruppe der Geographen, Geologen und Meteorologen, die zusammen erfasst werden, nur knapp 1.450 arbeitssuchend. Betrachtet man zum Beispiel die Zahl der Juristen (5.500), ist das vergleichsweise wenig. Daran hat sich nach unserer Kenntnis nicht viel geändert.

 Wie wird sich der Arbeitsmarkt Ihrer Einschätzung nach künftig entwickeln?

Die Berufsaussichten sind weiterhin positiv, Geographen werden schließlich immer gebraucht, weil sie ein Bündel an Kompetenzen mitbringen, die andere Fachbereiche in dieser Summe nicht bieten. Schon jetzt finden etwa Dreiviertel der Absolventen in den ersten sechs Monaten nach dem Abschluss ihren ersten Job; das ist ein guter Schnitt. Problematisch ist allerdings, dass die Geographen von der Bildfläche verschwinden, sobald sie im Job sind. Plötzlich sind sie Fachleute für Boden, Wasser, Planung und Verkehr. Die Umstellung auf Bachelor und Master unterstützt dieses Problem, denn der Name des Berufs taucht in vielen Studiengängen nicht mehr auf.

Was hat sich darüber hinaus durch die Umstellung auf Bachelor und Master verändert?

Das Studium ist seitdem sehr verschult. Dass die Pflichtpraktika an einigen Instituten in der Anfangsphase der Umstellung von drei Monaten auf sechs Wochen gekürzt wurden, konnte – auch auf Initiative des DVAG - als unsinnig erkannt und verändert werden. Zudem wird die Profilierung schwieriger: Durch die Festlegung der Pflichtmodule gleichen sich die Kompetenzen der Absolventen immer stärker.

Ein weiteres Problem ist, dass zu wenige Bachelor-Absolventen in den Job gehen. Noch immer ist den Unternehmen nicht klar, was Bachelor-Absolventen können. Deshalb wollen viele den Master aufsatteln. Allerdings gibt es einen bundesweiten Wettbewerb um vergleichsweise wenige Studienplätze. 

Wie haben sich die Absolventenzahlen entwickelt?

Bis vor kurzem waren es noch rund 2.500 Absolventen pro Jahr,  von denen 2.000 direkt in den Beruf eingestiegen sind. Wie viele Bachelor- und Masterabsolventen es nach der Umstellung auf den Master sind, dazu existieren keine bundesweiten Zahlen.

Was wünschen Sie sich als Verbandsvorsitzender für Ihren Berufsstand?

Dass die Geographen ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen und deutlicher machen, wie wichtig sie sind. Sie sollten ihren Berufsabschluss in den Fokus stellen und sich dafür einsetzen, dass die Berufsbezeichnung nicht durch Experte für Boden, Verkehr, oder Ähnliches ersetzt wird. Jeder Einzelne ist gefordert, sichtbar zu sein. Denken Sie an die Geschichte des kleinen Prinzen, der dem Geographen als Gelehrten für Meere, Ströme, Städte, Berge und Wüsten begegnet und begeistert feststellt: „Endlich ein richtiger Beruf!“

Vielen Dank für das Gespräch. 


Geographen-JobsDas Interview  ist im arbeitsmarkt Umweltschutz, Naturwissenschaften erschienen. Jede Woche wird eine Übersicht von rund 300 aktuellen Jobs zusammengestellt. Die Stellen werden in über 90 Tageszeitungen, 50 Fachzeitschriften und ausgewählten Online-Portalen recherchiert. 

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