Befristung:
Unsichere Verhältnisse - und trotzdem optimistisch und aktiv bleiben. Keine einfache Aufgabe. © contrastwerkstatt - Fotolia.com

Befristung: "Ein dickes Fell zulegen"

Viele Akademiker haben heute nur noch befristete Arbeitsverträge. Häufige Folgen: Stress, Unsicherheit, Existenzangst. Aber es gibt Wege mit dieser Situation umzugehen.

Unsere Autorin Daniela Lukaßen sprach mit Dieter Frey. Er ist Professor für Arbeitspsychologie an der Ludwig-Maximilians Universität. Seit 2007 ist er Leiter des LMU Centers für Leadership und People Management.

arbeitsmarkt: Während frühere Generationen häufig Jahrzehnte für ein Unternehmen tätig waren, sind viele Arbeitsverträge heute befristet. Was hat das für Konsequenzen? 

Dieter-FreyProfessor Dr. Dieter Frey: Eine Konsequenz von Befristung ist, dass die Ansprüche der Beschäftigten an die Arbeitswelt abnehmen. Das bedeutet etwa, die Loyalität nimmt ab. Man weiß, dass man möglicherweise keine Langfristigkeit mehr erwarten kann und wird deshalb oft auch mit Schonhaltung reagieren. Es sei denn, es besteht noch eine winzige Chance, doch eine Langfristigkeit erreichen zu können.

Aber es bedeutet gleichzeitig auch, dass viele Beschäftigte nicht mehr bereit sind, ein Überengagement zu zeigen. Im Extremfall bewirkt die Befristung aber auch, dass die Ängste so groß werden, dass man sich sehr anstrengt, um ja nicht der Nächste zu sein, dem in einer Schlechtwetterperiode gekündigt wird.

Was geschieht aus psychologischer Sicht mit den Menschen, die mit der ständigen Unsicherheit durch die Befristung leben müssen? Welche Folgen kann der Stress auf die betroffenen Arbeitnehmer haben?

Natürlich sind die Menschen verunsichert, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen wird. Der Stresslevel steigt, die Sorgen und Ängste nehmen zu. Gleichzeitig bewirkt das aber auch, dass ein befristeter Arbeitnehmer schaut, möglichst keine Fehler zu machen und nicht negativ aufzufallen, weil er sonst der Erste sein könnte, der die Konsequenzen der Befristung tragen muss.

Der Beruf nimmt häufig einen wichtigen Platz im Leben ein. Wie wirkt sich die Befristung auf das Privatleben aus? Nimmt sie etwa einen Einfluss auf das Thema Familiengründung?

Die Befristung hat selbstverständlich auch Konsequenzen für das Privatleben. Der Mensch ist ja ein ganzheitliches Wesen, das nicht unbedingt abschalten kann, wenn es das Werkstor verlässt. Stattdessen ist es so, dass die Sorgen und Ängste, insbesondere auch in Bezug auf das Thema Familiengründungen, bewirken, dass die Betroffenen nicht langfristig planen können.

  • Tipps aus der arbeitsmarkt-Redaktion: 
  • Aktualisieren Sie Ihre Bewerbungsunterlagen etwa ein Jahr vor Ende des Arbeitsvertrages (Tipps zum Lebenslauf)
  • Bitten Sie Ihren aktuellen Arbeitgeber um ein Zwischenzeugnis ("nichts Ungewöhnliches...")
  • Wechseln Sie die Perspektiven, um sich von Ihrem aktuellen Arbeitgeber zu lösen ("berufliche Landkarte")
  • Sichten Sie aktiv die Stellenangebote, auch in "benachbarten" Arbeitsbereichen (zum Beispiel mit der Methode "Zehn Minuten, zehn Stellen")
  • Bilden Sie sich weiter und bauen Sie sich so ein Netzwerk und neue berufliche Optionen auf (zum WILA Bildungszentrum)

Wie können Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen aus Ihrer Sicht am besten mit der Unsicherheit, die durch die Befristung entsteht, umgehen?

Es hilft häufig, wenn sich die Betroffenen sich selbst verdeutlichen, dass die Befristung eine im Moment nicht veränderbare Tatsache ist. Diese Überwindung von Verzweiflung in nicht veränderbaren Situationen setzt aber auch eine gewisse Gelassenheit voraus. Die betroffenen Personen müssen sich darum die positiven Seiten vor Augen halten. Etwa die Tatsache, dass sie momentan eine Stelle haben. Sie müssen lernen, mit dem Fehlen langfristiger Perspektiven umzugehen. Begrenzt kann man dies tatsächlich auch lernen. Und da die Welt schwer zu verändern ist, müssen die Menschen ihre Einstellung zu dieser schwierigen Situation ändern.

Bietet die Befristung aus Ihrer Sicht auch Chancen? Wenn ja, welche Chancen sind das?

Die Befristung bietet insofern Chancen, als man sich permanent entwickeln muss, um quasi seine Beschäftigungsfähigkeit, die sogenannte employability, zu erhöhen. Gleichzeitig kann man das auch so interpretieren, dass man dauernd versucht, neue Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen zu entwickeln und sich möglichst zu verbessern und dass man verschiedene Welten kennenlernt. Für das Unternehmen bietet dieser Aspekt die Chance, sich dort nicht langfristig festlegen zu müssen. Darüber hinaus kann man sich sofort von Mitarbeitern, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht zum Unternehmen passen, trennen. 

Was raten Sie Menschen, die selbst einen befristeten Arbeitsvertrag haben?

Für die von der Befristung betroffenen Personen ist es wichtig, dass sie die Probleme, die mit Befristung verbunden sind, nicht personalisieren. Das bedeutet, dass sie sich nicht selbst für die Situation verantwortlich machen, sondern dass sie die Ursache in der Struktur, beziehungsweise im jeweiligen Zeitgeist oder der Marktlage, zu sehen versuchen. Es hilft, wie schon angedeutet, auch, sich ein dickes Fell zuzulegen.

ArbeitsmarktDas Interview ist im "arbeitsmarkt" erschienen. Jede Woche stellen wir mehrere hundert aktuelle und qualifizierte Stellen für Akademiker zusammen, im Bereich Bildung, Kultur und Sozialwesen und im Bereich Umweltschutz, Naturwissenschaften.  

 

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