Interkulturelle Kompetenzen
In internationalen Arbeitsverhältnissen prallen häufig Welten aufeinander. Religion, Kultur, Gesten: Es gibt jede Menge Fettnäpfchen - in die man aber nicht zwangsläufig treten muss.
Welche Speisen sind für Geschäftspartner aus Saudi-Arabien tabu? Welche Gesten sind bei der Begrüßung einer asiatischen Delegation angemessen? Warum reagiert das US-amerikanische Team so anders auf Ironie als die Mitarbeitenden in Deutschland? Solche und andere Fragen entstehen immer wieder in international geprägten Arbeitskontakten.
Interkulturelle Kompetenzen helfen dabei, solche Situationen zu meistern. Gefragt sind sie zum Beispiel bei einer Entsendung ins Ausland, bei der Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund oder bei einer Tätigkeit in internationalen Teams. In diesem Interview spricht unsere Autorin Daniela Lukaßen mit Steffen Rink über das Thema. Der Politologe ist im Verein "Arbeit und Bildung" aus Marburg tätig und arbeitet im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ mit dem Schwerpunkt Diversity Management.
Hat interkulturelle Kompetenz in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen?
Steffen Rink: Ja, definitiv. Einfach, weil man erkannt hat, dass angesichts von gesellschaftlicher Pluralität interkulturelle Kompetenz notwendig ist. Deutschland ist schon lange Einwanderungsland. Globalisierung ist ein weiterer Aspekt. Von daher wäre interkulturelle Kompetenz auch schon früher notwendig gewesen. Neu ist – und das ist gut so – dass nun immer stärker darauf geachtet wird, ob Menschen über diese Qualifikation verfügen.
In welchen Bereichen ist interkulturelle Kompetenz besonders gefragt?
Rink: Interkulturelle Kompetenz ist vor allem da gefragt, wo mit Menschen gearbeitet wird. Es ist im Moment ein großes Thema, sowohl was Ausbildung anbelangt, aber auch in den Hochschulen oder bei Qualifizierungsmaßnahmen. Es ist präsent in den Bereichen Pflege, Gesundheit, Erziehung, natürlich auch im ganzen Bildungsbereich – schulisch und universitär – , wo deutlich wird, dass man ohne diese Kompetenz Qualitätsverluste erleidet. Bedeutung hat das Thema im Bereich der Arbeitsvermittlung bekommen und das finde ich auch gut so.
Denn interkulturelle Kompetenz bedeutet immer auch, Potenziale deutlich zu machen. Und Potenziale von Menschen wahrzunehmen, die unter vorgeprägten Rastern verloren gehen könnten. Auch angesichts dessen, dass Belegschaften immer vielfältiger werden, ist interkulturelle Kompetenz auch als Qualifikation bei Fach- und Führungskräften auf der Leitungsebene wichtiger geworden, um etwa mit Situationen, die sich aus kulturell bedingten Konflikten im Team ergeben, besser umgehen zu können. Und natürlich in ganz alltäglichen Situationen im Umgang Kunden und Geschäftspartnern.
Kann man interkulturelle Kompetenz überhaupt erlernen? Und was muss man dafür mitbringen?
Rink: Freiwilligkeit, Empathie und Überzeugung sind wichtig. Man muss sich darüber hinaus immer überlegen, was interkulturelle Kompetenz konkret bedeutet. Dabei sind zwei Dinge wichtig. Zum einen sollte man sehen, dass verschiedene Arbeitsplätze verschiedene Anforderungen haben, was interkulturelle Kompetenzen anbelangt. Dabei gilt es zu schauen, wie interkulturelle Kompetenz am Arbeitsplatz gelebt und umgesetzt werden kann. Eine wichtige Rolle spielt Wissen. Wissen rund um Herkunftsländer, um andere Kulturen. Dann die Dimension der Selbstreflexion. Denn das Wissen alleine reicht nicht aus. Wenn man wirklich kompetent agieren will, sollte man immer auch seine eigene Rolle und seine eigenen Wahrnehmungsmuster mit infrage stellen und reflektieren.
Gerade die Wahrnehmung kulturell bedingter Vielfalt ist wichtig, um Handlungskompetenz zu erlangen. Darüber hinaus muss man immer sehen, dass man interkulturelle Kompetenz nicht allein beim Einzelnen zuordnen kann. Es ist also nicht ausreichend, wenn eine Person nur durch Trainings interkulturell geschult ist. Mindestens genauso wichtig ist der äußere Rahmen, in dem sich die Person bewegt, etwa Betriebsorganisation, rechtliche Vorgaben, gelebte Anerkennungskultur in Belegschaften.
Denken Sie, dass die Berufschancen steigen, wenn ein Bewerber interkulturelle Kompetenzen nachweisen kann?
Rink: Ja, auf jeden Fall. Natürlich wird das Hauptaugenmerk immer auf der fachlichen Qualifikation liegen. Das ist selbstverständlich. Aber in vielen Berufen ist es ein weiterer Vorteil, wenn man auch interkulturelle Kompetenz dokumentieren kann. Wenn man sich Stellenausschreibungen anschaut, wird deutlich, dass es zunehmend ein Kriterium für die Einstellung ist.
Sehen Sie interkulturelle Kompetenz auch als eine Qualifikation der Zukunft?
Rink: Qualifikation der Zukunft ist ein großes Wort. Aber ganz klar: Man hat Vorteile, wenn man den Soft Skill interkulturelle Kompetenz mitbringt.
Das Interview ist ein Auszug aus unseren Themenschwerpunkt "Interkulturelle Kompetenzen". Der Beitrag erschien im arbeitsmarkt Bildung, Kultur, Sozialwesen.