Noch Luft nach oben
Warum die Suche nach einem "grünen Job" kein Selbstläufer ist: Redaktionsleiter Krischan Ostenrath über den Arbeitsmarkt für Akademiker/innen in der Umweltschutz-Branche.
Wie hat sich im Jahr 2014 der Arbeitsmarkt im Bereich Umweltschutz entwickelt?
Krischan Ostenrath: Wir sind selbst überrascht, dass wir in den gedruckten und digitalen Quellen mehr Stellenanzeigen als im Jahr 2013 gefunden haben. Wir werden für den Informationsdienst arbeitsmarkt Umwelt, Naturwissenschaften zum Jahresende vermutlich die 12.000er-Marke erreichen, damit liegt eine durchschnittliche Ausgabe zwischen 200 und 250 Stellenanzeigen. Das ist im Vergleich zum Vorjahr schon ein deutlicher Zuwachs.
Auf der anderen Seite sind wir in einer Phase, in der relativ viele Absolventen die Hochschulen verlassen und ihren Weg in den Arbeitsmarkt suchen. Insofern ist die Konkurrenz durchaus nicht kleiner geworden, besonders bei attraktiven Stellenangeboten für nicht-technische Umweltfachkräfte. Mein Fazit ist also: Der Arbeitsmarkt Umweltschutz ist trotz einiger Rückschläge sehr lebendig. Allerdings profitiert davon nicht jede akademische Qualifikationsgruppe.
Sie halten regelmäßig Vorträge in Hochschulen und auf Jobmessen. Wie gehen Absolventinnen und Absolventen mit der Jobsuche um?
Es gibt nach wie vor den Effekt, dass sich gerade die akademischen „Frischlinge“ zu spät mit den Notwendigkeiten des Arbeitsmarkts auseinandersetzen. Dazu trägt einerseits die – im Einzelfall auch trügerische – Sicherheit bei, dass der demographische Wandel jungen Fachkräften in die Karten spielt.
Andererseits haben die Bologna-Reformen trotz gegenteiliger Versprechungen häufig dazu geführt, dass im Studium noch weniger Raum für praktische Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt bleibt. Und wenn es so etwas wie eine ewige Weisheit für Studierende gibt, dann die Einsicht, dass der Aufschlag nach dem Examen um so härter ist, je weniger praktische Arbeitserfahrungen man vorweisen kann.
Betrifft das nur bestimmte Studiengänge?
Das kann man so nicht sagen. Nicht nur die akademischen Generalisten müssen sich über erste Arbeitserfahrungen profilieren, sondern auch die Absolventen spezialisierter Studiengänge. Und im Laufe der Berufsbiographie wird es ohnehin immer unwichtiger, was man mal studiert hat. Auch im Umweltschutz wird eine berufserfahrene Fachkraft vor allem darüber wahrgenommen, was sie an beruflichen Stationen durchlaufen hat.
Umgekehrt – in welchen Bereichen war im Jahr 2014 die Musik denn am lautesten?
Ich kann das natürlich nicht für den gesamten Umweltschutz beantworten, weil wir ja ausschließlich die akademischen Fachkräfte mit unserer Stellenauswertung bedienen wollen. Und zu der Bedienung gehört auch, dass wie unattraktive Stellen z.B. unbezahlte Praktika oder Zeitarbeitsverhältnisse bewusst aus der Stellenauswertung rausschmeißen. Deshalb können auch wir nicht repräsentativ auf die Frage nach der qualitativen Entwicklung antworten.
Auffällig ist aber, dass die Dynamik im Bereich technischer Umweltschutz sich aus dem Bereich der erneuerbaren Energien etwas in Richtung Abfall, Recycling, Wasser- und Abwasserwirtschaft verlagert hat. Darin spiegelt sich gar nicht so sehr die vielfach herbeigeredete Krise der erneuerbaren Energien, sondern vielmehr eine Erstarkung in den genannten Wirtschaftszweigen.
Jenseits des technischen Umweltschutzes gibt es einen massiven Aufschwung bei Planungs- und Verwaltungsstellen. Hier haben wir einen Zuwachs um etwa zwanzig Prozent, was auch nicht nur darauf zurückzuführen ist, dass wir uns hier neue Auswertungsquellen erschlossen haben. Etwas niedriger sind die Zuwächse im Bereich Umweltbildung bzw. Lehre und Forschung. Immerhin gibt es auch hier mehr Stellen als im Vorjahr, aber hier ist qualitativ wie quantitativ noch viel Luft nach oben.
Das klingt aber in der Summe nach einem klaren Indiz für die häufig beschriebene MINT-Fachkräftelücke, oder?
Jein. Wir haben uns ja vor wenigen Wochen in unserem Informationsdienst ausführlich mit dieser Frage beschäftigt und unter anderem Statistiken analysiert und mit Experten gesprochen. Eines ist klar: Man muss schon etwas genauer hinschauen, denn die Lücken entstehen am ehesten in technischen und IT-Bereichen. Eine Fachkräftelücke für Biologen, Geographen oder Agrarwissenschaftler herbeizureden, wäre unverantwortlich. Mit anderen Worten: Die Rahmenbedingungen für Akademiker im Umweltschutz sind ausgesprochen gut. Aber ein Selbstläufer ist die Suche nach einem grünen Job ganz sicher nicht.
Zur Person
Krischan Ostenrath ist Redaktionsleiter des Informationsdienstes arbeitsmarkt Umweltschutz, Naturwissenschaften und leitet gleichzeitig drittmittelfinanzierte Projekte im Bereich „grüner“ Arbeitsmärkte - zum Beispiel zur Energiewende. Seine Leidenschaft gilt den anwendungsbezogenen Arbeitsmarktanalysen, in dieser Funktion ist er auch regelmäßig Gast bei Universitäten und entsprechenden Fachkonferenzen.