Wer schafft die Energiewende?
Welche Bedeutung hat die Energiewende für die Berufswelt? Ein Blick in die Arbeitsmarktforschung. Foto: © dreihundertbilder - Fotolia.com

Wer schafft die Energiewende?

Bis 2030 sollen 160.000 neue Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der Energiewende entstehen. Auf einer Konferenz in Nürnberg diskutieren Forscher und Praktiker, über die Probleme und Herausforderungen.

Von Krischan Ostenrath

Nachdem über viele Jahre die arbeitsmarktlichen Konsequenzen der Energiewende zu wenig bedacht und bearbeitet worden sind, kommt nun endlich Bewegung in die Diskussion. Mit einer groß angelegten Konferenz ruft das Nürnberger IAB Forscher und Praktiker zusammen, um das Thema „Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Zeiten der Energiewende“ anzupacken. | Krischan Ostenrath

So ist das mit der Bürgerbeteiligung. Da hatten sich Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Hermann Falk von Bundesverband Erneuerbare Energien, Egbert Biermann von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
(IG BCE) und Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel zu einer öffentlichen Diskussion zum Thema „Energiewende – Jobmotor oder Jobkiller?“ verabredet. Unter der nicht ganz neutralen Moderation des FAZ-Arbeitsmarktredakteurs Sven Astheimer sollte an einem schönen Abend Ende Juli vor interessiertem Publikum über die Frage gestritten werden, wann und wie die Energiewende eigentlich Arbeitsplätze generieren kann.

Und das Publikum kam zahlreich. Allerdings nicht zum genannten Thema, sondern um sich Gehör für eine schnellere und dezentralere Energiewende zu verschaffen, mehr Beteiligung für bürgerschaftliche Interessen einzufordern und um gegen die aktuelle Planung der Süd-Ost-Trasse zu protestieren. Selten war der Historische Ratssaal in der Nürnberger Innenstadt so gut gefüllt. Zweifelsohne ein Erfolg für die Bürger, denn sie hatten der Veranstaltung ihr Anliegen aufgedrückt – fortan musste sich vor allem der aktuelle Wirtschafts- und Energieminister Gabriel einer kritischen Diskussion rund um EEG-Reform, Trassenführung und Umlage-Befreiung stellen.

So blieb denn auch die zwei Tage später erschienene Pressemeldung des Umweltministeriums zur Veranstaltung bei den bekannten Positionen. Bis 2030 sollen – vor allem in den Wachstumsbereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien – 160.000 neue Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der Energiewende entstehen. Und das, so die minsterielle Position, könne natürlich nur funktionieren, wenn energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage befreit würden. Andernfalls stünde dem Aufbau „grüner“ Beschäftigungsverhältnisse der Abbau von hunderttausenden Arbeitsplätzen in Industrieunternehmen entgegen, d.h. schlimmstenfalls könne die Energiewende gar zu einem Jobkiller werden.

Hier rächt es sich, dass der Bundesminister mit seinem Tross die Podiumsdiskussion frühzeitig verlassen musste. Sonst hätte er ja mitbekommen müssen, dass sowohl die Arbeitsmarktexpertin Kemfert als auch der Erneuerbare-Energien-Lobbyist Falk die Sorge um die De-Industrialisierung Deutschlands als ein künstlich geschaffenes Gespenst der Energiewirtschaft und energieintensiven Industrie entlarvten. Einerseits wandern Unternehmen üblicherweise nicht wegen steigender Energiekosten, die in Deutschland nur etwa 2,5 % der durchschnittlichen Unternehmenskosten ausmachen, gleich ins Ausland ab.

Und andererseits habe es ja der Staat durchaus selbst in der Hand, mit der Senkung von Abgaben und Steuern auf die Energiepreise die Kosten unter Kontrolle zu halten. Dass nun ausgerechnet der Gewerkschaftsvertreter in Gabriels Horn stieß und mit seinen Forderungen nach fortgesetzter Nutzung der deutschen Kohlereserven oder einer Öffnung gegenüber des Fracking-Verfahrens sogar noch einen Schritt weiter ging, zeigt ziemlich deutlich, dass rund um die Energiewende mittlerweile recht sonderbare Allianzen entstanden sind.

"Die arbeitsmarktliche Dimension der Energiewende ist für nahezu alle Beteiligten völliges Neuland."

Man könnte angesichts dieser neuen Wirtschaftsfreundlichkeit Gabriels leicht vergessen, dass er vor nicht allzu langer Zeit Umweltminister war und als solcher die Energiewende eher als Innovations- und Beschäftigungsmotor betrachtete. Diese Euphorie teilten auch seine „schwarzen“ Amtsnachfolger; noch 2012 ließ sich der damalige Umweltminister Peter Altmaier vom Handelsblatt mit folgendem Statement zitieren: „Mit dem Gelingen der Energiewende sollen zusätzliche Jobs in Deutschland geschaffen werden. Der Umbau der Energieversorgung ist eine große Chance, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland für die nächsten 20 bis 30 Jahre zu sichern und zu stärken. Ich bin sicher, dass das größte Projekt der Nachkriegsgeschichte gelingen wird.“

Und gerade erst hat das Bundesumweltministerium Gelder freigegeben, um auch in den Jahren 2014 und 2015 den jährlichen „Green Day“ durchzuführen, der Jugendliche mit den Jobperspektiven im Umweltbereich vertraut machen will. Während also das Bundesumweltministerium noch an die Beschäftigungswirkung des Umweltschutzes glaubt, spielt die Frage in der Wahrnehmung des Bundeswirtschaftsministeriums eine eher nachgeordnete Rolle. Sehr deutlich wird das im Monitoringprozess „Energie der Zukunft“, der vom Hause Gabriel federführend gesteuert wird. Hier soll alle drei Jahre über den Umsetzungsstand der Energiewende rapportiert werden. Und das auf der Grundlage von Leitindikatoren, die eine Bewertung der Transformation überhaupt erst möglich machen. Und was fällt auf? Genau – die arbeitsmarktliche Dimension taucht als Leitindikator schlicht nicht auf.

Was auf den ersten Blick wie eine unklare Haltung der Bundesregierung zur Frage „Energiewende – Jobkiller oder Jobmotor?“ aussieht, hat eine klar benennbare Ursache. Die arbeitsmarktliche Dimension der Energiewende ist für nahezu alle Beteiligten völliges Neuland. Zwar gibt es gute Schätzungen, was den Stand der Bruttobeschäftigung beispielsweise im Bereich der Erneuerbaren Energien betrifft. Doch wie sich die Gesamtbeschäftigung von etwa 370.000 im Jahr 2013 auf die Unternehmen verteilt, wie es um andere Sektoren der Energiewende steht und wo gar durch die Transformation des Energiesystems auch Jobs verloren gehen oder sich mindestens verändern, ist deutlich schwerer zu beantworten. Denn die Energiewende im weiteren Sinne berührt ja annähernd alle Bereiche der deutschen Wirtschaft. Einerseits direkt, also in energiebezogenen Tätigkeitsfeldern wie E-Mobilität, Speicher- und Netztechnologien oder Gebäudeenergieeffizienz. Und andererseits auch indirekt zum Beispiel über schwankende Energiepreise oder politisch ausgehandelte Vorgaben zum Klimaschutz.

Obwohl also die Energiewende eines der wichtigsten Querschnittsthemen der deutschen Politik und Wirtschaft ist, bleibt die arbeitsmarktliche Dimension für alle Handelnden terra incognita. Das räumt auch Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), in seinem Grußwort an die Teilnehmer der Veranstaltung „Greening Economy – Arbeitsmarkt und Beschäftigung in Zeiten der Energiewende“ ein. Hier versammelte sich am 30. und 31. Juli 2014 im Nürnberger Verwaltungszentrum der Bundesagentur für Arbeit die Szene der Arbeitsmarktforschung, um mit den Praktikern der Energiewende zum Forschungsstand und vor allem zu Forschungsdesideraten zu beraten.

Neuland ist dabei nicht nur das Thema, sondern wohl auch die Resonanz. Denn Carina Himsel und Markus Janser, den „Treibern“ innerhalb des IAB, war es nicht nur gelungen, das Thema „Greening Economy“ nun endlich auf der großen wissenschaftlichen und institutionellen Bühne einzuführen, sondern auch das Who-is-who der einschlägigen Forschungseinrichtungen und Arbeitsmarktakteure in Nürnberg zu versammeln.

Das ist ein gewaltiger Fortschritt, denn bislang gab es in diesem Themenfeld nur einige wenige Institutionen, die sich in wissenschaftlichen oder umsetzungsorientierten Projekten mit Fragen nach Arbeitsmarkt und Qualifizierung für die Energiewende beschäftigen. Hierzu zählen die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) in Osnabrück, das Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und nicht zuletzt der Wissenschaftsladen Bonn, der sich als Herausgeber des Informationsdienstes arbeitsmarkt Umweltschutz | Naturwissenschaften schon vor Jahren an „grüne“ Arbeitsmarktprojekte herangepirscht hatte. Zu den Pionieren auf diesem Gebiet zählt auch das Bonner Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), das schon früh einen Projektschwerpunkt im Bereich „Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung“ implementiert hatte und dessen Arbeit als halb-staatliche Einrichtung nun endlich vom ebenfalls öffentlichen IAB als Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit ergänzt wird.

Beschäftigungseffekte

Es spricht für das Modellhafte der volkswirtschaftlichen Berechnungen, dass man sich über die Prognosen zum Beschäftigungsaufbau rund um die Energiewende eher einigen konnte als über die quantitative Ausgangslage. Da die Beschäftigungsfelder der Energiewende in aller Regel quer zu den offiziellen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit liegen, lassen vor allem umsatzgestützte Modelle lediglich grobe Schätzungen zu. Die bereits erwähnte Zahl von etwa 370.000 Beschäftigten im Bereich Erneuerbare Energien müsste natürlich um weitere Tätigkeitsfelder der Energiewende wie beispielsweise energetische Sanierung, Energieberatung, Energieeffizienz etc. ergänzt werden, zu denen es aber kaum belastbares Zahlenmaterial gibt. Und auch kaum geben kann, weil es sich meistens um Mischarbeitsplätze handelt, die durchaus nicht nur in der engeren „Green Economy“ zu verorten sind.

Am Beispiel der erneuerbaren Energien verdeutlicht der Vortrag der GWS-Wissenschaftlerin Ulrike Lehr die Schwierigkeiten einer genauen Prognose. Denn im Rahmen der Energiewende entsteht ja nicht planbar ein transparenter Arbeitsmarkt, vielmehr werden über verschiedene Maßnahmen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Emissionshandelsprogramm oder die Energieeinsparverordnung (EnEV) gezielte Impulse gesetzt, aus denen dann indirekt Beschäftigungswirkungen entstehen. Und diese Wirkungen lassen sich dann auch wieder nur umsatz- bzw. investitionsgestützt modellieren.

So geht man – natürlich abhängig von verschiedenen Szenarien – nach wie vor einem mittelfristigen Wachstum der Erneuerbare-Energien-Jobs auf etwa 500.000 im Jahr 2020 aus, weitere 250.000 Stellen könnten in den Bereichen Energieeinsparung und Steigerung der Energieeffizienz stehen. Das aber gilt nur, solange auch die Hypothesen gelten, worauf die DIW-Wissenschaftlerin Claudia Kemfert gebetsmühlenartig hinweist: Beschäftigungsaufbau im Rahmen der Energiewende kann es nur geben, wenn in Effizienzmaßnahmen auch wirklich investiert wird, die Rahmenbedingungen für Investitionen sich nicht ständig ändern und Instrumente z.B. im Emissionsrechtehandel weiter verbessert werden.

Qualitativ hingegen ist es in den letzten Jahren immer besser gelungen, zumindest die Ausgangslage einzuschätzen. Markus Janser, IAB-Wissenschaftler und Promotor der Nürnberger Tagung, beschreibt in seiner Promotion zum Lohngefüge der Erneuerbare-Energien-Wirtschaft, wie sich Lohnniveau und Beschäftigungsstruktur aufeinander beziehen. Denn die zunächst erfreuliche Tatsache, dass das Lohnniveau in den einschlägigen Unternehmen signifikant höher liegt als in der Gesamtwirtschaft, basiert mindestens in Teilen auf der Zusammensetzung der Beschäftigten.

Da die Betriebe regionale Schwerpunkte in relativ wirtschaftsstarken Gebieten haben, durchschnittlich mehr Vollzeitangestellte und Hochqualifizierte beschäftigten, starke Schwerpunkte in technisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Berufen haben und nicht zuletzt männlich dominiert sind, ist das höhere Lohnniveau auch Spiegel der speziellen Beschäftigungsstrukturen. Was dann umgekehrt auch die pauschale Rede vom Fachkräftemangel etwas einschränkt, denn natürlich profitiert man als Fachkraft am ehesten dann vom „grünen Lohnaufschlag“, wenn man in das Suchraster der Energiewende-Unternehmen passt.

Greening of Jobs 

Das wird von der fast schon traditionellen Beobachtung der Umweltwirtschaft durch das Umweltbundesamt (UBA) bestätigt. Mit etwa 2 Millionen direkt und indirekt Beschäftigten im Umweltschutz und einem Anteil von 4,8 % an der Gesamtbeschäftigung steht die deutsche Umweltwirtschaft ganz sicher international nicht schlecht da. Im Detail zeigt sich dann auch in den UBA-Studien, dass drei Viertel der Beschäftigten männlich sind und durchaus nicht alle Qualifikationsstufen gleichermaßen vom Beschäftigungsaufbau profitieren.

Der Löwenanteil der Beschäftigten liegt mit etwa 50 % auf der mittleren Qualifikationsstufe grundständiger Ausbildungen, weitere 17 % der Beschäftigten verfügen über einen Uni- bzw. 10 % über einen FH-Abschluss. Hierbei handelt es sich allerdings um Auswertungsergebnisse auf der Basis von Stellenanzeigen der Bundesagentur für Arbeit. Und da speziell die Akademikervermittlung bei der Arbeitsagentur eine untergeordnete Rolle spielt, lediglich die Hälfte der suchenden Unternehmen überhaupt die Kanäle der Arbeitsagentur für ihre Besetzungen nutzen und Stellenanzeigen keinen Rückschluss auf die realen Besetzungen zulassen, braucht es auch hier weiterführende Ergebnisse, um künftige Fachkräftebedarfe abschätzen zu können.

Das bekennt auch der Augsburger Arbeitsmarkt-Professor Jens Horbach freimütig. Zwar lassen Betriebsbefragungen einen erhöhten Fachkräftebedarf im dynamisch wachsenden Umweltschutz vermuten. Immerhin 50 % der befragten Unternehmen mit Umweltbezügen erwarten erhöhte Bedarfe im Vergleich zu 36 % aller Betriebe, was sich v.a. für Akademiker in den Bereichen Umweltforschung, Klimaschutz, Erneuerbare Energien, Analytik, Beratung und Projektierung niederschlagen dürfte.

Aber damit ist noch nichts über die Binnendifferenzierung gesagt, denn ob von den erhöhten Bedarfen wesentlich technische Akademiker oder auch generalistisch aufgestellte Absolventen profitieren werden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt wissenschaftlich nicht beantworten. Und das ist für die Gewinnung künftiger „grüner Köpfe“ ein gewaltiges Problem. Zwar empfehlen nahezu alle Akteure mehr Einsatz für die Fachkräftesicherung – aber für was Kommunikations- und Imagekampagnen wie auch die aktuell vom Wissenschaftsladen Bonn aufgelegte Initiative „Wer schafft die Energiewende?“ werben soll, müsste man eigentlich noch viel genauer wissen. 

Ein nachhaltiger Arbeitsmarkt?

Die gewerkschaftliche Seite betont seit geraumer Zeit, dass nicht jeder grüne Job auch ein wirklich nachhaltiger Job ist. Die Arbeitgebervertreter von Gesamtmetall sehen das Problem zwar auf die unmittelbaren Produktionsjobs beschränkt, aber Beschäftigungsverhältnisse außerhalb von Tarifverträgen, ungeregelte Ausbildungen, angelernte Beschäftigte und volatile Beschäftigungsstrukturen sind auch in der Umweltwirtschaft keine vernachlässigbaren Ausnahmen. Franziska Mohaupt vom IÖW bringt das bildlich auf den Punkt (vgl. Abbildung links), in dem sie den Nachhaltigkeitsgedanken nicht nur auf die Ergebnisse der Arbeit anwendet, sondern auch auf die handelnden Beschäftigten selbst.

Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang das Problem der Leiharbeit, die auch auf dem grünen Arbeitsmarkt überproportional gegenüber regulären Beschäftigungsverhältnissen gewachsen ist. Das mag man als natürliche Reaktion eines überhitzten Arbeitsmarktes interpretieren oder als unfaire Flucht der Arbeitgeber aus ihrer unternehmerischen Verantwortung geißeln. Klar jedoch ist, dass es auch Ausdruck einer mangelhaften Strategie zum Beschäftigungsaufbau ist. Denn wäre den Akteuren klar, wo eigentlich welche Arbeitsplätze für welche Qualifikationsgruppen entstehen, dann würde zumindest ein wesentliches Verkaufsargument für die Leitarbeitsfirmen wegfallen.

Wer schafft die Energiewende?

Aus der historischen Betrachtung des grünen Wirtschaftswachstums in Deutschland ist es durchaus verständlich, dass es zur Beschäftigungsfrage noch jede Menge Klärungsbedarf gibt. Schließlich ist die Energiewende nicht als Arbeitsplatzprogramm entstanden, sondern ein gesamtwirtschaftliches Transformationsexperiment, für das es keine Blaupause gibt. Gleichzeitig hat die Energiewende aber eindeutig Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und das Qualifizierungssystem. Alles andere wäre ja auch sonderbar, denn eine ernst gemeinte Energiewende kann unmöglich folgenlos für Unternehmen und Beschäftigte sein.

Wer aber soll die Energiewende schaffen? Denn vor allem in den technischen Dimensionen haben es Unternehmen und Betriebe zunehmend schwerer, qualifizierte Bewerber zu gewinnen. Hierfür ließen sich eine Vielzahl von Gründen nennen, unter denen die demographische Entwicklung, die Akademisierung der Berufslandschaft oder auch der immer noch viel zu niedrige Anteil weiblicher Nachwuchskräfte nur die am lautesten diskutierten sind. Aber selbst wenn es diese Probleme nicht gäbe, bliebe vermutlich eines vorerst bestehen, das sich nur mühsam und langfristig bearbeiten lässt. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nämlich nicht klar, welche Fachkräfte überhaupt für die Umsetzung der Energiewende gebraucht werden und wie man Schüler in der Berufsorientierungsphase für die entsprechenden Ausbildungs- und Studienwege erreicht.

Denn selbst in einem wachsenden Arbeitsmarkt wie der Green Economy haben es manche Qualifikationsgruppen leichter als andere. Was für die meisten Leserinnen und Leser unserer Informationsdienste arbeitsmarkt Umweltschutz | Naturwissenschaft eine – häufig durch eigene frustrierend lange Bewerbungsphasen belegte – Binsenweisheit ist, wird von Arbeitsmarktexperten unter dem Stichwort „Matching“ diskutiert. Und es ist natürlich doppelt schwer, junge Menschen an die beruflichen Perspektiven der Energiewende heranzuführen, wenn im Detail gar nicht recht klar ist, welche Berufe denn eigentlich nachhaltig, spannend, zukunftssicher sind oder schlicht vernünftig bezahlt werden.

Deshalb können sich alle Beteiligten eigentlich nur freuen, dass die arbeitsmarktlichen Fragestellungen des Umweltschutzes nun endlich auch von schlagkräftigen Forschungseinrichtungen aufgegriffen werden. Auch wir im Wissenschaftsladen Bonn werden dabei unsere praktischen Erfahrungen verstärkt einbringen. Einerseits als Projektträger zweier Berufsorientierungsprojekte, die sich unter dem Arbeitstitel „Serena – Serious Game für Erneuerbare Energien Berufe“ auf die weiblichen Fachkräfte konzentieren bzw. unter der Überschrift „Wer schafft die Energiewende?“ der zielgruppengerechten Verbreitung von Informationen zu Umweltberufen widmet. Und andererseits werden wir noch stärker als bislang versuchen, unsere systematische Betrachtung des deutschen Arbeitsmarktes Umweltschutz wissenschaftlich zu nutzen bzw. nutzen zu lassen.

Schon in den vergangenen Jahren haben unsere Vorarbeiten für ein Arbeitsmarktmonitoring Erneuerbare Energien sehr spannende Ergebnisse zur „Mikroebene“ des Arbeitsmarktes geliefert. Hier wird es Anfang 2015 für die „Energiewende-Berufe“ eine Neuauflage geben, die dem immer noch nicht vollständigen Bild des Arbeitsmarktes Energiewende einen weiteren kleinen Mosaikstein hinzufügt. 

Zum Autor

Krischan-OstenrathKrischan Ostenrath ist Redaktionsleiter des Informationsdienstes arbeitsmarkt Umweltschutz, Naturwissenschaften und Leiter des Fachbereichs Ausbildung und Arbeit für Erneuerbare Energien im Wissenschaftsladen Bonn. 

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