Top Ausbildung und keinen Job
Bitter: Artikel wälzen, Bewerbungen schreiben - und trotzdem klappt es nicht. © Eisenhans - Fotolia.com

Top Ausbildung und keinen Job

Ist das geisteswissenschaftliche Studium eine berufliche Sackgasse? Eine enttäuschte Zuschrift, die uns kürzlich erreicht hat - und die wir hier veröffentlichen.

Zunächst möchte ich eine Warnung an all diejenigen ausgeben, die noch frisch im geisteswissenschaftlichen Studium sind: TUT ES NICHT! Ich sage dies nicht leichtfertig – habe mein Studium der Europäischen Kulturgeschichte selbst aus Überzeugung gewählt – aber dennoch mit einem gewissen Hintergrundwissen. An alle Absolventen kann ich nur den Rat ausgeben, sich möglichst bald einen „Plan B“ zu überlegen und sich selbst eine Deadline zu setzen. Als ich im April 2013 meinen Master mit 1,4 abschloss, dachte ich, dass sich darauf aufbauen lässt.

Die ersten 20 Bewerbungen waren bereits im Vorfeld geschrieben, meine Stimmung auf einem Allzeithoch. Und dann kam das Arbeitsamt, das Jobcenter, der Fall durch das „soziale Netz“ und die dahin rasende Zeit, die an einem nagt. Klar war, dass es mir wie vielen Anderen ergehen würde und ich eine längere Bewerbungsphase vor mir hatte. So fasste ich vorab schon weitere Bereiche ins Auge: Verlagswesen, öffentlicher Sektor und die Privatwirtschaft. Ich bewarb mich bundesweit auf befristet wie unbefristete Stellen.

Beim Arbeitsamt wurde ich zunächst als „leicht zu vermitteln“ eingestuft und vom Hochschulteam betreut. ALG I erhielt ich wie die meisten Absolventen nicht, ebenso wie ALG II (Verdienst meiner Lebenspartnerin zu hoch). Das bedeutete selbst Krankenversichern und keine Förderung in irgendeiner Form. Nach zahllosen Bewerbungen wie Absagen wurde mir bewusst, das ich mit meiner Qualifikation weder eine Anstellung, noch ein Volontariat erringen kann. Offensichtlich fehlte mir entweder die Berufserfahrung und/oder die Promotion.

Also senkte ich meine Ansprüche und bewarb mich auf meist unbezahlte Praktikantenstellen, ohne Erfolg. Nach Aussage meiner Betreuerin und etlichen Personalangestellten fehle mir der Studentenstatus (Unfallschutz, Versicherung ect.). Ohne diesen hätte ich so gut wie keine Chance auf eine Praktikantenstelle. Aber ohne Praktika gibt es weder einen „Fuß in der Tür“, noch die so nötige Berufserfahrung. Dessen erst einmal bewusst ging ich erneut einen Schritt zurück und dachte über eine Weiterqualifizierung über das Arbeitsamt nach.

Meine Betreuerin vermittelte mir, dass eine Weiterbildung etwa in Form von Sprachkursen nicht gefördert werde und auch eine Umschulung im „virtuellen Klassenzimmer“ für mich nur bedingt in Frage käme, da diese auf 40 Wochenstunden angelegt ist, ich aber auf einen Zuverdienst angewiesen war. Was blieb war ein weiterer Schritt zurück – eine neue Ausbildung. Auch hier kamen für mich in erster Linie Ausbildungen im Verwaltungsbereich infrage.

Und auch hier wurde mir „der Zahn“ recht zeitnah von meiner Betreuerin gezogen. Der Ausbildungspool der Arbeitsagentur ist nur für Personen geöffnet, die noch keine Ausbildung ( = Studium) erhalten haben – im Übrigen gibt es auch keine Vermittlungsscheine. Öffentliche Ausschreibungen sind zwar vorhanden, doch muss jedem bewusst sein, dass er der Letzte auf der Liste sein wird. Insgesamt über 80 Bewerbungen, nur ein Vorstellungsgespräch und der Tiefpunkt war erreicht, die Angst riesig. Und dann erhielt ich nur durch Glück ein Vorstellungsgespräch bei einem Verlag und konnte mit „Ecken und Kanten“ überzeugen. Das Studium hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht und mich geformt, eine wirkliche Perspektive bietet es jedoch meines Erachtens nicht.

Allen viel Glück!      

Was denken Sie? Haben auch Sie „Ihre Geschichte“ zu erzählen? Oder wollen Sie auf die hier geschilderten Erfahrungen eingehen? Immer her damit. Hier ist Ihr Forum! Lesen Sie dazu auch die Antwort "Lasst euch nicht entmutigen!" und drei weitere Zuschriften.

Arbeitsmarkt-GeisteswissenschaftlerDie Zuschrift ist im arbeitsmarkt Bildung, Kultur, Sozialwesen erschienen. Jede Woche bieten wir eine Übersicht von mehreren hunderten aktuellen Stellen für Geistes- und Sozialwissenschaftler. Außerdem berichten wir in ausführlichen Analysen über die beruflichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt und über berufliche Lebenswege von Akademikern. Mehr Informationen zum Abonnement

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