Neuer Chef, neuer Stress
Neuer Chef - und auf einmal gibt es nur noch Stress. Soll man sich das antun? © contrastwerkstatt - Fotolia.com

Neuer Chef, neuer Stress

Fragen Sie unseren Coach (1): Alle vier Wochen veröffentlichen wir Fragen unserer Leser. Zum Start geht es darum, wie sich Unternehmen wandeln, wenn die Führung ausgewechselt wird.

Die Frage:

"Seit fast zehn Jahren arbeite ich jetzt in meinem Unternehmen – und die Arbeit ist mir ans Herz gewachsen. Jetzt wurde die Führung ausgewechselt und alles wandelt sich. Früher haben wir an einem Strang gezogen und die Entscheidungen waren transparent. Heute geht es nur noch um Profit um jeden Preis. Was soll ich tun?"

Die Antwort von Elisabeth H. Freund:

Wenn man in der Tretmühle steckt und jeden Tag Druck empfindet, kann das Gefühl von Fremdbestimmtheit auftauchen. Zum Teil stimmt dies, zum Teil auch nicht. Jetzt heißt die Devise: Abstand nehmen und die eigene Situation von außen betrachten. Denn letzten Endes hat jeder Mensch die Wahl.

Mit meinen Klienten prüfe ich zuerst die Ausgangssituation. Sind Sie in diesem Job nur, weil er Ihnen Sicherheit gibt? Oder üben Sie die tägliche Arbeit wirklich gerne aus? Welche Konsequenzen hat das veränderte Arbeitsklima auf Ihr gesamtes Leben? Also auch auf die Bereiche Lebensqualität, Gesundheit und das soziale Miteinander mit Kollegen, Familie und Freunden. All diese Punkte spielen eine wichtige Rolle für den weiteren Umgang mit der Situation.

Dabei können Sie durchaus zur Erkenntnis gelangen, dass Sie von der Arbeitsstelle existenziell abhängig sind und nicht einfach gehen können. Etwa weil die Stelle Ihnen finanzielle Sicherheit bietet oder Sie aus privaten Gründen an den Wohnort gebunden sind. Das ist kein Grund zu resignieren, sondern sich die Frage zu stellen: Was kann ich in dieser Situation konkret tun? Wir analysieren, welche Tätigkeiten oder Abläufe im Betrieb zu der spezifischen Belastung führen. Ein Ergebnis kann sein, dass wir ein professionelles Gespräch mit dem Vorgesetzten vorbereiten, mit dem Ziel, die Situation zu verbessern.

Engagieren ja, aufopfern nein

Auch die eigene Einstellung spielt eine wichtige Rolle. Die meisten Menschen gehen gerne arbeiten. Ihnen ist es eben nicht egal, wenn die Arbeit schlecht erledigt wird. Aber das heißt nicht, dass man sich aufopfern muss. Was bringt es, wenn die Arbeit hundertprozentig erledigt wird, aber die seelische und physische Gesundheit enorm leiden?

Sie können aber auch zur Erkenntnis kommen, dass eine große Veränderung unausweichlich ist, zum Beispiel eine Versetzung oder gar eine Kündigung. In diesem Fall geht es darum, die eigenen Talente und Fähigkeiten neu in den Blick zu nehmen und sich ein dazu passendes Arbeitsumfeld zu suchen. Bei der Suche sollte es nicht nur um das Tätigkeitsfeld und die Bezahlung gehen, sondern auch um die Unternehmenskultur am zukünftigen Arbeitsplatz. Nicht wenige Arbeitgeber haben erkannt, dass eine positive Unternehmenskultur für Fachkräfte ein immer entscheidenderes Kriterium ist. 

Viele nutzen diesen Moment auch, um in die Selbstständigkeit zu wechseln. Meistens, weil sie schon länger einen beruflichen Wunsch hatten, den sie sich aber nie erfüllt haben. Für diesen Schritt brauchen Sie große innere Klarheit und Mut. Denn die Selbstständigkeit ist anfangs mit viel Arbeit und Unsicherheit verbunden. Wenn dieser Schritt zu mächtig ist, kann hier eine pragmatische Lösung sein, zunächst eine Halbtagsstelle anzunehmen und parallel die eigene Selbstständigkeit aufzubauen.

Heutzutage finden in zahlreichen Unternehmen häufig Umstrukturierungen statt. Und die Fluktuation in den Chefetagen ist hoch. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Sie die Wahl haben, wie Sie mit den Veränderungen umgehen, Alternativen zu entwickeln und zu prüfen. Es könnte die Gelegenheit sein, wieder auf die innere Stimme zu hören und entsprechend zu reagieren.

Text: Benjamin O'Daniel.

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Elisabeth H. Freund, M.A. begleitet Menschen auf ihrem Weg bei der Umsetzung sinnvoller Berufs- und Lebensperspektiven sowie zum Thema Berufung. Ein wesentlicher Aspekt ist die Versöhnung von Entfaltung und Stabilität sowie die Schulung der Achtsamkeit. Für den Wissenschaftsladen in Bonn bietet sie das Seminar „Wie folge ich meinem inneren Wegweiser“ an. Sie lebt und arbeitet in Wiesbaden. 

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Wila-ArbeitsmarktAlle vier Wochen stellen wir einem Karrierecoach eine Frage rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsleben. Wer auf Jobsuche ist, braucht manchmal eine intensivere Unterstützung. Deswegen kooperiert der Wissenschaftsladen Bonn mit Coaches in ganz Deutschland und bietet seinen Abonnentinnen und Abonnenten exklusive Konditionen an. Mehr Informationen zu unserem Coaching-Kooperationsprogramm.

Teil 2 der Serie: "Ins Ausland gehen?"

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