Bin ich geeignet für die Selbstständigkeit?
Wer selbstständig arbeiten will, sollte sich vor der Existenzgründung ein paar grundsätzliche Fragen stellen. Foto: WILA Arbeitsmarkt/Leonardo.Ai

Bin ich geeignet für die Selbstständigkeit?

Für verschiedene Kund*innen schreiben, Projekte organisieren, lehren oder beraten – und das auf selbstständiger Basis. Das klingt gut, aber ist das wirklich was für mich? Dr. Maria Kräuter berät als Coach regelmäßig Geisteswissenschaftler*innen, die über eine Existenzgründung nachdenken.

Interview: Daniela Obermeyer

WILA Arbeitsmarkt: Warum ist es für Geisteswissenschaftler*innen und andere Generalist*innen eine gute Idee, sich mit dem Thema Existenzgründung zu beschäftigen?
Dr. Maria Kräuter: Man erweitert dadurch das berufliche Repertoire und die persönlichen Handlungsoptionen. Das macht gerade in den Geisteswissenschaften Sinn, wo man sich qua Studium sowieso häufig seinen Berufsweg und seine Tätigkeiten selbst entwickelt und zuschneidet. Eine selbstständige Tätigkeit kann daher auch eine zusätzliche berufliche Option darstellen – sei es auf Dauer, nur vorübergehend oder parallel zu einer anderen Tätigkeit. Wenn man schon vorher in den Grundzügen weiß, was eine Existenzgründung mit sich bringt, verliert das seinen Schrecken. Außerdem bietet eine selbstständige Tätigkeit gerade für Geisteswissenschaftler*innen nicht selten die Möglichkeit einer qualifikationsadäquateren und zeitlich flexibleren Erwerbstätigkeit, als dies bei manchen Festanstellungen der Fall ist.

Welche Fähigkeiten sollte ich als Existenzgründer*in mitbringen, abgesehen von der fachlichen Qualifikation?
Empfehlenswert ist es, wenn Existenzgründer*innen über ein hohes Maß an persönlicher Motivation verfügen. Sie sollten idealerweise auch bereit sein, die Verantwortung für alle Bereiche der geplanten Tätigkeit selbst zu übernehmen und sich im erforderlichen Umfang damit zu beschäftigen. Dies gilt auch für die oft eher ungeliebten finanziellen und betriebswirtschaftlichen Aspekte. Steuern, Buchhaltung, technische Ausstattung, Marketing - all das und noch mehr gehört ja ebenfalls dazu. Man kann sich bei Bedarf zwar auch externe Unterstützung holen, doch die Verantwortung für alle diese Teilbereiche sollte man nicht abgeben.

Wichtig ist es auch, dass man sich selbst und seine Zeit gut organisieren und einteilen kann. Darüber hinaus ist eine gewisse Portion Mut und Zuversicht sicherlich hilfreich. Nicht immer ist ja alles planbar und vorhersehbar. Das kann das Gefühl von Unsicherheit auslösen. Es ist klar, dass jeder Mensch hier ein anderes Sicherheitsbedürfnis hat. Dafür gilt es gut zu sorgen. Und auch der wirtschaftliche Druck kann bei Existenzgründungen individuell sehr unterschiedlich sein, etwa wenn man eine Familie zu versorgen hat. Daher ist es schon wichtig, dass man die Ausgangssituation genau analysiert und sich gut auf die Selbstständigkeit vorbereitet.

Expertin zur Existenzgründung Maria Kräuter im Porträt
Dr. Maria Kräuter ist Expertin für Existenzgründung und hilft Menschen im Entscheidungsprozess

Wie komme ich zu einer Geschäftsidee?
In den Geisteswissenschaften beruht die Geschäftsidee meist auf dem persönlichen Know-how der Existenzgründer*innen. Allerdings sollte hier genau ausgewählt, priorisiert und definiert werden, wofür man genau Lösungen anbieten möchte. Eine reine Aneinanderreihung möglicher Tätigkeiten ist noch kein Geschäftsmodell! In meiner Beratung frage ich deswegen gezielt danach, was der Kern des Leistungsangebots sein soll: Was ist das Besondere des Angebots? Wofür will man empfohlen werden? Warum sollten die Kundinnen und Kunden mit ihrem Anliegen genau zu Ihnen kommen? Ein Business-Plan ist dabei ein sehr gutes Hilfsmittel, um sich in dieser Beziehung selbst zu analysieren und sprachfähig zu werden. Wer auf die Frage ‚Was machen Sie beruflich?‘ lediglich antwortet ‚Da muss ich jetzt erstmal etwas weiter ausholen‘ oder nur ‚Journalismus‘ sagt, der weckt kein Interesse beim Gegenüber. Da lässt man gegebenfalls die Chance neue Kunden zu gewinnen, ungenutzt verstreichen. Ein sorgfältig ausgearbeiteter Businessplan hilft hier in vielerlei Hinsicht, auch bei der Entwicklung einer eindeutigen Positionierung und eines klaren Profils.

Wie kann ich überprüfen, ob das alles trägt?
Wie gesagt, es empfiehlt sich immer, einen Business-Plan zu erstellen, der unter anderem auch eine Markt-, Zielgruppen- und Mitbewerberanalyse sowie eine Finanz- und Liquiditätsplanung beinhalten sollte. So hat man gute Anhaltspunkte, welches Marktpotenzial es gibt und wie hoch der finanzielle Bedarf ist. Es kann auch empfehlenswert sein, mit ersten kleineren Projekten selbstständig im Nebenerwerb zu starten. So kann man sehen, wie die Resonanz auf die Geschäftsidee ausfällt oder um persönliche Fähigkeiten – etwa in Selbstorganisation und Durchsetzungsvermögen – zu überprüfen. Aber Vorsicht: Geschieht das parallel zu einem Angestelltenverhältnis, sollte das immer mit dem Arbeitgeber abgeklärt werden. Doch egal, wie man es anpackt: Wichtig ist es letztlich, ins Tun zu kommen! Und zwar zum richtigen Zeitpunkt, gut vorbereitet und organisiert sowie mit Mut und Ergebnisoffenheit.

Welche Arten von Existenzgründung sind in den Geisteswissenschaften oder bei anderen Generalist*innen üblich?
Meine Erfahrung zeigt, dass der größte Teil eine Solo-Selbstständigkeit ohne zusätzliche Mitarbeiter*innen plant. Die Investitionen sind hier oft überschaubar, benötigt man für viele Gründungsideen in diesem Bereich doch in der Regel nur einen Computer und Internet. Eine GmbH oder auch eine GbR wird – zumindest zu Beginn der Selbstständigkeit – eher selten angestrebt.

Wo kann ich mich zu dem Thema weiter informieren?
Es gibt sehr viele Publikationen zur Existenzgründung und auch im Internet findet man umfangreiche Informationen zum Thema. Die Schwierigkeit für alle, die sich neu mit dem Thema befassen, ist hier vor allem zu beurteilen, welche der Informationen zum einen richtig und zum anderen auch relevant für das eigene Gründungsvorhaben sind. Das unterscheidet sich ja stark, je nachdem ob man eine Solo-Selbstständigkeit ohne Kapitalbedarf oder ob man ein technologieorientiertes Start-Up mit mehreren Mitarbeitern und einem hohen finanziellen Investitionsbedarf plant.

Deshalb empfehle ich immer, sich die drängendsten Fragen rund um das eigene Gründungsvorhaben zu überlegen und gezielt dafür die Antworten bei geeigneten Plattformen und Anlaufstellen zu suchen. So kann man sich einen ersten Grundstock an Wissen aneignen. Zur Überprüfung und Erweiterung des persönlichen Know-how sind auch Existenzgründungsseminare zu empfehlen, die von den Inhalten her auf das jeweilige Gründungsvorhaben abgestimmt sind. Hier werden oft die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Themen der geplanten Gründung nochmals deutlicher und viele Fragen können beantwortet werden, auf die man im Internet so einfach keine Antworten findet. Auch ein individuelles Coaching kann sinnvoll sein: für alle, die eine Begleitung bei der Businessplan-Erstellung wünschen, die den persönlichen Austausch bei der Entwicklung des Geschäftsidee und zur Gründungsvorbereitung als hilfreich empfinden oder die nach einer Unterstützung bei der Entscheidung ‚Gründung: ja oder nein?‘ suchen. Für solche Gründungsberatungen gibt es – je nach Ausgangssituation – gegebenenfalls auch finanzielle Fördermöglichkeiten.

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