
Orte des Geschehens
Ob Sonntags-Tatort oder Kino-Spielfilm: Die Orte, an denen Bewegtbildproduktionen spielen, werden von Location Scouts gefunden. Was die tägliche Arbeit ausmacht und wie Fachkräfte hier quereinsteigen können, erklärt Marie Brückner.

Interview: Anja Schreiber
WILA Arbeitsmarkt: Was machen Location Scouts?
Marie Brückner: Wir suchen nach geeigneten Drehorten für Kino-, Fernseh- und Werbefilme. Im Vorfeld von Produktionen arbeiten wir mit den Szenebildner*innen zusammen und besprechen die Motivliste. Auf der Suche nach Motiven sprechen wir sogenannte Motivgeber*innen an – also Menschen, die zum Beispiel ihre Wohnung oder ihr Haus für eine Filmproduktion zur Verfügung stellen. Wir fragen nach der generellen Drehbereitschaft und stellen nach erfolgreicher Motivbesichtigung den Kontakt zur Produktion her.
Welche weiteren Aufgaben übernehmen Sie?
Die Arbeit beginnt meist zwei bis drei Monate vor Drehbeginn. Bei einem 90-Minuten-Film von ARD und ZDF liegt die Anzahl der Motive meist zwischen 15 und 20 Drehorten. Für jede dieser Locations mache ich mehrere Vorschläge. Zuerst suche ich in unserer Datenbank. Da haben wir etwa 18.000 potentielle Drehorte in Berlin und Brandenburg gespeichert. Finde ich dort nichts Passendes, fahre ich raus und lasse mir zum Beispiel von Anwohner*innen Hinweise geben. Ich hänge oft Zettel auf. Meist melden sich dann auch Interessierte. Wenn ich vor Ort bin, mache ich möglichst viele Fotos, damit Szenebildner*innen und Regisseur*innen einen ersten Eindruck gewinnen können. Habe ich eine Vorauswahl erstellt, besuchen dann die Regisseur*in, die Szenebildner*in, der Kameramann oder die Kamerafrau und ich die ausgewählten Orte. Erst danach wird entschieden, wo tatsächlich gedreht wird. Das letzte Wort liegt bei dem oder der Regisseur*in.
Welche Fähigkeiten muss man als Location Scout mitbringen?
Wichtig ist ein hervorragendes visuelles Vorstellungsvermögen. Außerdem braucht man sehr gute Ortskenntnisse, aber auch fotografisches Wissen. Die technischen Abläufe von Film- und Fernsehproduktionen müssen Location Scouts natürlich ebenfalls kennen. Für die Ansprache von möglichen Motivgeber*innen sind Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen und kommunikative Fähigkeiten nötig. Denn manchmal muss ich auch Überzeugungsarbeit leisten. Man merkt als Scout, wenn der oder die Angesprochene keine Ahnung hat, was Dreharbeiten bedeuten würden und deswegen aus Unsicherheit direkt absagt. Diese Personen kann man oft noch durch eine detaillierte Aufklärung über die Abläufe überzeugen. Die Tatsache, dass Motivmieten gezahlt werden, hilft hier natürlich auch.
Arbeiten Location Scouts angestellt oder frei?
Location Scouts sind in der Regel freiberuflich tätig. Ich habe zwar schon gehört, dass es bei Serien-Dauerbrennern auch angestellte Location Scouts geben soll. Aber das weiß ich nur vom Hörensagen. Es wäre die ganz große Ausnahme und läuft dann auch nicht unbedingt unter der Bezeichnung Location Scout, sondern unter „Location Manager*in“.
Wie kamen Sie auf die Idee, als Location Scout zu arbeiten?
Als ich mich für diesen Beruf entschied, habe ich noch Geografie studiert, war aber mit den Berufsperspektiven nicht zufrieden. Ich wollte nicht in einem Planungsbüro arbeiten und den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen. Zufällig las ich damals einen Artikel über einen Location Scout und war begeistert. Eine Cineastin war ich schon immer. Deshalb nahm ich an einer Weiterbildung zum Location Scout teil, die damals zufälligerweise angeboten wurde. Meine damaligen Dozenten sind heute teilweise meine Kollegen.
Ist Ihr Werdegang in der Branche eher unüblich?
Ja, auch weil ich vor der Weiterbildung keinen Kontakt zum Film hatte. Die meisten haben zuvor schon in der Film- oder Entertainment-Branche gearbeitet. Unter meinen Kolleg*innen gibt es zum Beispiel Regieassistent*innen und Musiker*innen.
Wie wird man Location Scout?
Location Scout ist kein regelrechter Ausbildungsberuf, sondern etwas für Quereinsteiger*innen. Die Qualifikationen kann man über eine Weiterbildung erwerben oder in verwandten Berufen bei Film- und Fotoproduktionen. Die Weiterbildung wurde allerdings bisher nur einmal angeboten. Die Arbeit macht mir wahnsinnig Spaß. Immer wieder finde ich tolle Blicke und Motive. Ich bin unterwegs und habe das Gefühl, Freizeit zu haben und nicht zu arbeiten. Viele Location Scouts sind Einzelkämpfer*innen. Das bin ich nicht, denn in der Motivagentur habe ich fünf Kolleg*innen. So können wir uns gegenseitig unterstützen und austauschen.