Nachwuchs gewinnen und halten
Im Gespräch mit Diplom-Psychologe Rüdiger Maas. Foto: © wellphoto – stock.adobe.com

Nachwuchs gewinnen und halten

Die Generation Z hat den Ruf, auf dem Arbeitsmarkt besonders anspruchsvoll zu sein. Der Diplom-Psychologe Rüdiger Maas weiß, wie Jung und Alt zusammenkommen.

Interview: Maike von Haas

Porträt von Rüdiger Maas
Rüdiger Maas ist Generationenforscher sowie Gründer und Vorstand des Instituts für Generationenforschung. Foto: Rüdiger Maas

WILA Arbeitsmarkt: Wer gehört zur Generation Z?
Rüdiger Maas: Zur Generation Z zählen die Jahrgänge 1995 bis 2009. Aber wenn wir in einem solchen Schema denken, dann gibt es nur fünf Kategorien von Menschen: Die Babyboomer, Generation X, Generation Y, Generation Z und Generation Alpha. So einfach ist das aber nicht. Wir Menschen sind sehr verschieden. Außerdem möchte ich anmerken, dass die Generation Z ein populärwissenschaftlicher Begriff aus dem Marketing ist und keine rein wissenschaftliche Bezeichnung.

Menschen dieser Jahrgänge wird oftmals nachgesagt, hohe Ansprüche an Arbeitgeber zu haben. Was ermöglicht diese Entwicklung?
Seit den 70er Jahren lässt sich anhand der Geburtenraten feststellen, dass immer weniger Menschen nachkommen. Aber darauf ist nicht reagiert worden, und jetzt haben wir einen Arbeitnehmermarkt und keinen Arbeitgebermarkt. Nicht nur die Jungen können sich ihre Jobs aussuchen, auch die Älteren – und alle haben infolge heute einen hohen Anspruch bezogen auf ihre Arbeitsstelle

Wie gehen Unternehmen damit um?
Einige reagieren tatsächlich naiv und versuchen, sich nach den vorgeblichen Bedürfnissen der Jungen zu richten. Sie stellen Menschen ein, die sie früher nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen hätten und wundern sich dann, wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert und die Angestellten ein halbes Jahr später kündigen. Meiner Meinung nach ist es besser, niemanden einzustellen als jemanden, der nicht passt. Sie überbieten sich mit Angeboten und konzentrieren sich dadurch hauptsächlich auf die Peripherie innerhalb des Arbeitsplatzes, aber das geht in die falsche Richtung. Wenn ein Arbeitgeber denkt, dass die Jungen etwas möchten, dass ihre Freizeit nicht zu sehr einschränkt, und deshalb Stellenangebote macht, die viel Freizeit enthalten, bekommt er auch Arbeitnehmer, die viel auf Freizeit achten. Man bekommt, was man anzieht. Niemand, der fleißig ist, wird sich bei einem Unternehmen bewerben, das nur zwei Tage Arbeit in der Woche anbietet.

Was können Unternehmen konkret tun, um die junge Generation für sich zu gewinnen?
Sie müssen sich mit ihren Angeboten befassen. Wenn auf eine Ausschreibung zu wenig passende Bewerber reagieren, muss der Bewerbungsprozess angeschaut und Fragen beantwortet werden wie: War meine Anzeige interessant genug? Gibt es überhaupt genügend potentielle Bewerber, die auf meine Ausschreibung reagieren können? Was kann ich tun, um attraktiv zu sein für die Jüngeren? Dabei sollte auch immer die originäre ‚Arbeit‘ beworben werden nicht die Peripherie.

Was muss sich ändern, damit Nachwuchs und Arbeitgeber zusammenfinden?
Es gilt zu verstehen, dass erstmal kein Mensch wirklich jeden Tag arbeiten will. 45 Millionen Menschen in Deutschland müssen arbeiten – die einen machen es gern, die anderen weniger gern. Es geht doch darum, die Jungen ernst zu nehmen. Wer sie braucht, muss sich auch um sie kümmern, wenn er oder sie sie einstellt. Ich muss mich zum Beispiel selbst weiterbilden um in Fragen von Digitalisierung mehr zu wissen als die Jungen. Ich muss mich selbst mit Themen wie Globalisierung und Nachhaltigkeit auseinandersetzen um gegebenenfalls auch hier ein Vorbild zu sein. Ich muss mit der Zeit gehen und mich selbst bewegen. Im Einzelfall könnte man auch prüfen, ob Berufe, in denen viel Erfahrung notwendig ist, andere Fachkräfte jungen Menschen über die Berentung hinaus zur Verfügung stehen können. Auch könnte in einigen Bereichen mehr auf Digitalisierung umgestellt werden, in der wir unnötigerweise in Deutschland hinterherhinken.

Das heißt, im Grunde gibt es gar kein ‚Problem Generation Z‘?
Wir müssen verstehen, dass die Jugend ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist. Wir haben kein Generationenproblem, sondern ein gesellschaftliches Problem. Es ist ein Umdenken von Alt und Jung gefordert. Eine Optionsflut macht die Jungen nicht glücklicher. Frustration und unangenehme Erfahrungen gehören zum Leben, und das müssen die Jungen lernen. Wer sich nichts mehr erarbeiten muss, kann dadurch auch unglücklich werden. Die Älteren müssen begreifen, dass sie so bleiben dürfen wie sie sind, aber dennoch mit der Zeit gehen sollten. Sie müssen ihr Model nicht radikal ändern, sondern es ein klein wenig anpassen. Sie müssen sich fragen, was sie den Jüngeren beibringen können oder wie sie ein Vorbild sein können. Sie müssen sich mit Trends beschäftigen und auch in einigen Bereichen nach wie vor fitter sein als die Jüngeren. Auch müssen sie verstehen, dass es ihre Erfahrung ist, die sie an die Jüngeren weitergeben. So wie sie selbst einmal von der Erfahrung der Älteren profitiert haben.

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