Wenn es intim wird ...
Sie sind das Bindeglied zwischen den Darsteller*innen und der Regie, wenn es im Film oder auf der Bühne körperlich wird: Intimitätskoordinator*innen. Warum braucht es sie überhaupt? Und wie kann man sich für diesen Job qualifizieren?
Interview: Elisabeth Werder
WILA Arbeitsmarkt: Wo werden Intimitätskoordinator*innen gebraucht und warum?
Cornelia Dworak: Intimitätskoordination wird da gebraucht, wo eine Geschichte über eine simulierte Intimität erzählt werden soll oder ein gewisses Level an Nacktheit Teil der Darstellung ist. Sie kann allerdings auch in Szenen mit medizinischem Kontext, zum Beispiel bei einer Geburt oder Leibesvisitation, zum Einsatz kommen. Dies kann in Film, Fernsehen, Videoproduktionen, auf Bühnen, Tanztheatern oder bei Live-Performances sein.
Wie hat sich das Berufsbild entwickelt und verändert?
Das Berufsbild bekam Rückenwind durch die MeToo-Bewegung und ist demnach noch jung. Trotzdem hat sich in den letzten Jahren viel verändert: Ich merke, dass mehr Bewusstsein da ist, aber es gibt natürlich auch noch Widerstände. Es braucht noch viel Aufklärung: Was ist Intimitätskoordination, wofür ist sie da? Und auch darüber, dass der Beruf nicht restriktiv ist und sagt, was alles nicht geht, sondern im Gegenteil: Er hilft der Kreativbranche einen reibungslosen Ablauf sensibler Szenen zu meistern, schafft mehr Freiheit durch klare Absprachen, zeigt Stereotype auf und ermöglicht neue Blickwinkel.
Wie läuft so eine Koordination am Set oder auf der Bühne konkret ab?
In der Vorbereitungszeit finden nach der Drehbuchanalyse viele Gespräche mit Produktion und Regie statt. Dann führe ich Einzelgespräche mit den Darstellenden: Welche Bedürfnisse und Grenzen gibt es? Auf dieser Basis vereinbaren wir in Proben einvernehmliche Bewegungsabläufe und Berührungen, legen Techniken zur Simulation fest und besprechen Kamerawinkel oder Positionen auf der Bühne. An einem Filmset betreue ich die Darstellenden durch den Dreh, indem ich die vereinbarten Abläufe nochmals wiederhole, darauf achte, dass Absprachen eingehalten werden und wir die Grenzen tagesaktuell definieren. Die Regie unterstütze ich am Drehtag als Bewegungsspezialistin und kreativer Kopf im Storytelling. Nach dem Dreh schreibe ich einen Bericht für die Produktion.
Welche Fähigkeiten braucht man für diese Tätigkeit?
Unter anderem Empathie, Achtsamkeit und eine hohe emotionale Kompetenz. Des Weiteren braucht es Kreativität sowie die Fähigkeiten, Konflikte zu lösen und im Team zu arbeiten. Natürlich sollte man auch klar über Sex und Körper kommunizieren können und bereit sein, mit unterschiedlichen intimen Inhalten zu arbeiten. Unabdingbar ist außerdem Erfahrung in der Filmbranche oder im Theater: Man muss die Abläufe am Filmset oder Theater verstehen, wissen, wie Kamera oder Bühne funktionieren und die Fähigkeit mitbringen, Choreografien gegebenenfalls spontan an spezielle Blickwinkel anzupassen.
Wie wird man Intimitätskoordinator*in?
Der Beruf ist keiner, den man in einem Wochenend-Seminar erlernt und so nebenbei machen kann. Intimitätskoordinator*innen haben viel Verantwortung und dafür brauchen sie viel Wissen. Das heißt, gute Weiterbildungen dauern länger und sind aufwändig. Das Berufsbild erlebt aktuell enormen Zuwachs, dabei wird oft nur ein Teil des Ganzen gesehen: Grenzen abstecken ist was Tolles, aber Intimitätskoordination ist vor allem unglaublich viel Vorbereitung und Kommunikation, sehr viel Büro- und Papierkram und bedeutet eine enorme Verantwortung.
Wie war Ihr eigener Weg in die Filmbranche?
Ich bin studierte Biologin mit der Fachrichtung Zoologie/Ethologie und habe im Lauf meines Lebens weitere Ausbildungen in den Bereichen Tanzpädagogik, Personal Fitness Training, Bühnenkampf, Stunts, Intimitätskoordination und Thai-Yoga-Massage abgeschlossen. Aktuell bin ich als „Stunt – Movement – Intimacy Coordinator“ an internationalen Film-, TV- und Bühnenproduktionen beteiligt. Zudem erarbeite ich Infomaterial und Richtlinien als Teil des Berufsverbands Intimitätskoordination und Kampfchoreografie (BIK).
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