Wege in die Supervision
Reflexion ist unerlässlich, um qualitativ arbeiten zu können. Deshalb will Dr. Annette Mulkau von der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching e.V. (DGSv) Fachkräfte im Bereich der Supervision stark machen – beruflich und persönlich.
Interview: Maria Köpf
WILA Arbeitsmarkt: In welchen Berufszweigen wendet man Supervision an?
Dr. Annette Mulkau: Vor allem im Sozialwesen, Gesundheitswesen, in Bildung und Wirtschaft, kirchlicher Beratung und in der öffentlichen Verwaltung. Unsere supervisorisch tätigen Mitglieder beraten vorrangig zu Themen der Berufsrolle, Teamentwicklung, Teamkonflikten und Fallbesprechungen. Die DGSv-Supervisor*innen kommen vorrangig aus den Fachgebieten der Sozialen Arbeit, Erziehungswissenschaften und Pädagogik, Theologie und Psychologie. Zunehmend kommen sie aber auch aus Branchen wie Industrie oder Justiz, wodurch sie neue Beratungsfelder in die DGSv einbringen.
Was ist die grundlegende Idee dahinter?
Ursprünglich wurde die Supervision nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA, und später auch in Deutschland, als Praxisberatung für angehende Sozialarbeiter*innen eingeführt. Die grundlegende Idee dahinter ist, dass Berufstätige in Organisationen, deren primäre Aufgabe die Arbeit mit und am Menschen ist, ihre Rolle in der Spannung zwischen Nähe und Distanz zu Klient*innen, Kund*innen oder Schüler*innen immer wieder ausbalancieren.
Dies ist eine höchst anspruchsvolle Beziehungsarbeit, für die Supervision unerlässlich ist. Supervision regt die Reflexion der eigenen beruflichen Rollen an. In den verschiedenen Arbeitsbeziehungen, die man erlebt und die sich häufig im Spannungsverhältnis zueinander und zu Rahmenbedingungen der eigenen Organisation befinden, ist das sehr hilfreich. Das gilt nicht nur in der Sozialen Arbeit, weshalb sich Supervision schnell auch in anderen Berufsfeldern etabliert hat.
Wo liegt der Unterschied zum Führungskräftecoaching oder zum Prozess- und Konfliktmanagement?
Coaching, Prozess- und Konfliktmanagement richten sich an Personen, die ihr Handlungsrepertoire, ihre Arbeitsabläufe oder ihre Konflikte erweitern oder besser lösen wollen. Diese sind meist anlassbezogen, lösungsorientiert und zeitlich begrenzt. Hier geht es eher um die Erprobung neuer Verhaltensweisen, etwa bei Stellenbesetzungen. Supervision hingegen leistet eine länger währende Begleitung von Führungskräften zur Reflexion ihrer Rolle. Oft führen nicht gut organisierte Abläufe zu Konflikten zwischen Personen und belasten ihre Arbeitsbeziehungen. Hat jemand nicht mehr die notwendige Distanz, das zu unterscheiden, hilft wiederum Supervision.
Was sollte man wissen, wenn man selbst Supervision anbieten möchte?
Supervisor*in ist ein herausfordernder Beruf. Die notwendigen Fähigkeiten erwirbt man am besten über eine Weiterbildung oder ein Studium. Zertifizierte DGSv-Weiterbildungen und Masterstudiengänge umfassen mindestens 640 Zeiteinheiten zu je 45 Minuten. Sie zielen auf den Erwerb notwendiger Theorie, die Erweiterung von Fähigkeiten zur Selbstreflexion und das praktische Handeln ab. Deshalb sind darin – in recht großem Umfang – auch eigene Supervisionsprozesse unter Begleitung erfahrener Lehrsupervisor*innen enthalten.
Und welche Fähigkeiten sollten Interessierte mitbringen?
Wenn man seine Arbeit gut machen will, sollte man folgende Fähigkeiten mitbringen oder sich im Laufe der Weiterbildung aneignen: Selbstreflexion, genügend Metaperspektive und Rollenverständnis über das Handeln anderer und seiner selbst sowie Analyse- und Abstraktionsvermögen. Hinzu kommen Persönlichkeitszüge wie Empathie, Mitgefühl und emotionale Belastbarkeit. Zudem sollte man den Fokus auf das Wesentliche lenken und dennoch achtsam für Details sein, Grenzen erkennen und einhalten sowie über ein gutes Zeitmanagement verfügen.
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