Klärungsbedarf vorab
Einen Hund oder eine Katze während der Arbeit kraueln – geht das so einfach? Welche Rahmenbedingungen Fachkräfte mit Tier am Arbeitsort beachten müssen, erklärt Tjak Menssen, Rechtsanwalt und Pressesprecher der DGB Rechtsschutz GmbH.
Interview: Anja Schreiber
WILA Arbeitsmarkt: Haben Arbeitnehmer*innen ein grundsätzliches Recht, ein Haustier mit zur Arbeit zu bringen?
Tjak Menssen: Nein. Der Arbeitgeber genießt das Hausrecht und kann bestimmen, wer oder was Zutritt hat. Auch wenn man selber therapiebedürftig ist und das Tier zu eigentherapeutischen Zwecken nutzt, kann man den Arbeitgeber nicht dazu zwingen, einen Hund am Arbeitsplatz zu dulden. Ein anderer Fall ist, wenn dem Arbeitnehmer gekündigt werden soll, weil er dauerhaft arbeitsunfähig ist und das Verbot, das Tier mit zur Arbeit zu bringen, der Genesung wesentlich entgegensteht. Hier kann es im Bereich der Interessenabwägung für den Arbeitgeber schwierig werden, die Kündigung zu begründen. Er muss dann Gründe darlegen, warum er das Tier am Arbeitsplatz verboten hat.
Wenn ein Hund zum Beispiel in der Sozialarbeit eingesetzt werden soll und der Arbeitgeber dies nicht ausdrücklich angeordnet hat, muss ebenfalls um Erlaubnis gefragt werden. Der Arbeitgeber allein bestimmt, wie die Arbeit auszuüben ist. Auch wenn ein Tier in der Psychotherapie eingesetzt werden soll, ist dies nicht die alleinige Entscheidung des angestellten Therapeuten.
Welche Tiere darf man überhaupt am Arbeitsplatz halten?
In Deutschland ist es nur bei wenigen Tieren verboten, sie privat zu halten. Das richtet sich weniger nach dem Tierwohl als nach dem Naturschutz, weil es sich hierbei um invasive Arten handelt. Ansonsten wäre zu klären, ob die Nutztierverordnung Anwendung findet. Das Tierschutzgesetz schreibt zudem vor, dass das Tier seinen Bedürfnissen entsprechend untergebracht sein muss. Die Frage lässt sich deshalb nicht abschließend beantworten. Ein Hund im Büro ist aber sicher anders zu bewerten als ein Pony.
Wer darf darüber entscheiden, ob ein Tier im Büro willkommen ist?
Ausschließlich der Arbeitgeber entscheidet zunächst darüber, ob ein Tier mitgebracht werden darf. Wenn er sich dafür entschieden hat, darf er es aber Beschäftigten nicht willkürlich gestatten oder untersagen. Er muss hier Gleichbehandlungsgrundsätze beachten. Besteht zudem ein Betriebsrat, wäre dies eine Frage, die die Ordnung im Betrieb betrifft. Deshalb wäre eine Regelung mitbestimmungspflichtig.
Auf was muss man bei der Tierhaltung am Arbeitsplatz achten?
Wenn Sie das arbeitsrechtlich meinen, dann bedeutet das, dass der Betriebsablauf nicht gestört oder gefährdet werden darf. Das Gesetz schreibt eine ausdrückliche Tierhalterhaftung vor. Das bedeutet, dass der Halter für jeden Schaden haftet, unabhängig davon, ob der Geschädigte ‚selber schuld‘ ist — etwa, weil er das Tier erschreckt hat — oder ob dieses sich bedroht fühlte. Hundebesitzer haften gegebenenfalls auch im vollen Umfang für Störungen, die der Hund verursacht. Die Schadenshöhe kann in einem Betrieb schnell sehr viel höher sein als im privaten Bereich.
Ich würde deshalb prüfen, ob die eigene Haftpflichtversicherung auch für solche Schäden eintritt. Aus Respekt und Höflichkeit den Kolleg*innen gegenüber sollte man außerdem nachfragen, ob jemand etwas gegen ein Tier am Arbeitsplatz hat, etwa, weil eine Allergie besteht. Viele Menschen haben auch durchaus Angst vor bestimmten Tieren. Auch das sollte vorab geklärt werden, um Ärger zu vermeiden. Denn in diesem Fall müsste der Arbeitgeber einschreiten und eine einmal gegebene Zusage widerrufen.
Was müssen Arbeitnehmer*innen vorab klären?
Sie müssen auf jeden Fall die Erlaubnis einholen. Dabei sollten sie auch mitteilen, um was für ein Tier es sich handelt. Wenn sie nur sagen, sie möchten ihr Haustier mitbringen und der Arbeitgeber dies gestattet, rechnet er nicht unbedingt damit, dass es sich um eine Vogelspinne oder Schlange handelt.
Ist es erlaubt, sich wegen dem Tier vom Arbeitsplatz zu entfernen?
Ja. Wenn der Arbeitgeber es gestattet, etwa einen Hund mitzubringen, rechnet er auch damit, dass dieser Gassi gehen muss. Dabei handelt es sich aber nicht um Arbeitszeit, sodass diese Zeit notiert werden sollte, um sie nachzuarbeiten. Auch wenn der Arbeitgeber darauf keinen Wert legt, sollte man die Frage trotzdem klären.
Und wenn sich Kolleg*innen durch das Tier gestört fühlen?
Es wird dann vom Arbeitgeber zu klären sein, ob das Tier am Arbeitsplatz bleiben kann. Bei schweren Beeinträchtigungen, wie etwa Tierhaarallergien, muss der Arbeitgeber darauf bestehen, das Tier wieder zu entfernen.
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