Automatisierung der Verwaltung?
Künstliche Intelligenzen finden in immer mehr Bereichen Anwendung. Auch in der Verwaltung könnten sie hilfreich sein.

Automatisierung der Verwaltung?

Die Überprüfung der Einkommensteuer läuft heute schon teilweise mittels KI. Inwieweit dieser Einfluss auch andere Arbeitsbereiche von Fachkräften in der Verwaltung und im öffentlichen Dienst betreffen kann, weiß Trendforscher Dr. Mike Weber.

Text: Christine Lendt

Mike Weber ist stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) beim Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme Fokus. „In der Verwaltung ist KI bisher noch ein Randphänomen“, stellt er fest. „Allerdings könnte sich dies noch ändern, denn das Potenzial von KI ist enorm.“ Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Begriff Künstliche Intelligenz mehrdeutig ist. Er steht keineswegs nur für die Automatisierung von Arbeitsprozessen, wie sie etwa bereits in vielen Industriebereichen zu finden ist. Zudem muss KI auch nicht zwangsläufig mit intensiven Datenmengen verbunden sein.

Definition von KI: Nicht eindeutig

Oft existiert eine falsche Vorstellung von den bisherigen Möglichkeiten, wie Mike Weber erläutert. „Viele denken an eine ‚große KI‘, die Probleme jeglicher Art selbst lösen und jede ihr gestellte Frage beantworten kann. Eine solche starke KI, bei der der Maschine sogar ein Bewusstsein zugesprochen werden könnte, gibt es nicht. Es kommt also zum Beispiel auch nicht vor, dass jemand bei einer Behörde einen komplexen Antrag stellt, bei dem es eine Vielzahl von Aspekten abzuwägen gilt, über den dann eine KI selbst entscheidet.“

Dies ist nach wie vor Science-Fiction und dürfte es vorerst auch bleiben. Aber: Davon zu unterscheiden ist die schwache KI, und diese spielt im Alltag bereits vielerorts eine Rolle: Algorithmen, die Lösungen erlernen und dann parat haben, um damit spezielle Fragen beantworten zu können. „So können also auch in der Verwaltung bereits viele kleine, spezifische Aspekte KI-unterstützt erfolgen, etwa per Sprachsteuerung“, erklärt der Trendforscher. „Der Klassiker sind die allgegenwärtigen Chat-Bots, die mittlerweile auch auf den Homepages von Gemeinden aufpoppen.“

Solche textbasierten Dialogsysteme, die es ermöglichen, mit einem technischen ­System zu chatten, sind nur ein Beispiel dafür, wie KI-Komponenten als IT-Bausteine in die Verwaltungsarbeit einziehen. „Dies sind einfache Methoden, um Informationen auf eine andere Weise anbieten zu können. Der Chat-Bot wird zum geduldigen Erklärer der Verwaltung und ihrer Leistungen – ob textbasiert oder als Voice-Bot im gesprochenen Dialog. Auch bei der Dokumentenerkennung, etwa bei Eingangspost oder der Klassifizierung von Dokumenten, stehen leistungsstarke Komponenten zur Verfügung. Schließlich können auch Unterstützungssysteme zur Anwendung kommen, um einzelne Teilprozesse näher an die Automatisierung zu bringen.“ Neben diesen KI-Anwendungen gibt es laut dem Experten derzeit noch zwei weitere große Anwendungsfelder für Künstliche Intelligenz in der Verwaltung.

Dazu gehört die Muster- und Anomalie-Erkennung. Dabei können große Datenmengen etwa aus Verwaltungsprozessen daraufhin untersucht werden, ob es Auffälligkeiten gibt. Ist das der Fall, kann das ein menschliches Eingreifen erforderlich machen. „Die Überprüfung der Einkommensteuer funktioniert bereits heute so“, erklärt der Experte. „Dabei funktioniert das Zusammenspiel zwischen Datenanalyse und den Mitarbeitenden, weil sich anhand klarer, relativ einfacher Kriterien bestimmte Auffälligkeiten ermitteln lassen. In solchen Fällen tragen KI und Datenanalyse dazu bei, dass menschliche Arbeitskraft effizienter eingesetzt werden kann.“

Er nennt noch einen Vorteil: Weil das künstliche System sich nicht von Emotionen oder Befindlichkeiten beeinflussen lässt, kann der Einsatz von KI zu gerechteren Entscheidungen führen. Jedoch sind die Risiken spiegelbildlich: „KI ist keine Wundermaschine und reproduziert nur das, was der Mensch eingespeist hat. Werden etwa diskriminierende Daten eingegeben, kommen auch solche Ergebnisse wieder heraus.“

Als drittes großes Anwendungsfeld nennt Mike Weber größere Datenanalyseprojekte, um zum Beispiel Risiken oder unerwünschte Entwicklungen vorzeitig zu erkennen und dann entsprechend gegensteuern zu können. Das Auswärtige Amt setzt das zum Beispiel zur Krisenfrüherkennung ein. Die Herausforderung ist dabei gar nicht so sehr die Auswertung, sondern die Zusammenstellung aussagekräftiger Daten. „Insgesamt entfaltet sich also durch den Einsatz von KI ein Riesenstrauß von Veränderungen“, resümiert er. „All dies stellt auch ganz andere Anforderungen an die Mitarbeitenden.“

Werden Mitarbeitende ersetzt?

Gibt es von Menschen in der Verwaltung ausgeführte Prozesse, die durch den Einsatz von KI bereits überflüssig geworden sind oder demnächst verschwinden werden? „Bisher passiert diesbezüglich am meisten zum Beispiel bei der Sortierung von E-Mails oder Dokumenten. Auch dabei kann KI an Arbeitsplätzen enorm unterstützen.“ Es bedeutet, dass die bislang damit beschäftigten Personen möglicherweise neue Tätigkeitsfelder finden müssen – allerdings nicht, dass insgesamt weniger Arbeit anfiele. Dies sei laut Mike Weber eine Illusion.

„Die Arbeit verändert sich lediglich, zumal sich auch jemand um den Einsatz der KI kümmern muss. Und es gibt weiterhin Aufgaben, die KI noch nicht übernehmen kann, wie zum Beispiel Beratungs- und Betreuungsangebote.“ Für solche Aufgaben haben Arbeitnehmer*innen mehr Zeit, wenn KI die Routineaufgaben übernimmt und sie somit entlastet. Andererseits benötigen sie dann auch mehr Technikkompetenz. „Es braucht dafür zwar keiner Informatiker werden“, wiegelt der Experte ab. „Aber die grundlegenden Mechanismen und die Funktionslogik der KI zu verstehen, wird immer mehr gefordert sein. Darin besteht die Challenge.“

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