Unterm Strich mehr
Die steigenden Lebenshaltungskosten durch die hohe Inflation lassen bei vielen Beschäftigten den Wunsch nach einer Gehaltserhöhung wachsen. Ist das nicht möglich, lassen sich vielleicht andere Benefits aushandeln. Oder man schaut sich bei anderen Arbeitgeber*innen um.
Text: Stefanie Schweizer
Das Statistische Bundesamt gibt die vorläufige Inflationsrate mit +10,4 Prozent an – kein Wunder, dass sich immer mehr Fachkräfte eine Gehaltserhöhung wünschen. Einen gesetzlichen Anspruch darauf aufgrund der Inflation gibt es jedoch nicht. Sollte man dennoch die steigenden Kosten als Grund in der Verhandlung anführen? Für Heidi Störr, der Gründerin von Push Your Career, ist klar: „Mit Inflation lässt sich nicht gut argumentieren. Das Unternehmen hat schließlich genauso mit steigenden Kosten zu kämpfen. Steigere ich aber meinen Wert als Fachkraft, ist die Chance auf eine dauerhaft höhere Bezahlung besser.“
Die ehemalige Recruiterin bereitet heute Akademiker*innen mit Bewerbungskursen auf die Jobsuche vor, und plädiert dafür, lieber mit Qualifikationen zu punkten: „Corona hat den Weg zu einem riesigen zeitflexiblen, ortsunabhängigen Weiterbildungsangebot geebnet.“ Medien wie der Merkur sprechen sich jedoch durchaus dafür aus, die Mehrkosten für den Lebensunterhalt als verstärkendes Argument anzuführen – und zwar so konkret wie möglich.
Gleiche Belastung, ungleiche Auswirkung
„Die zu erwartende Schrumpfung der Reallöhne wird beide Geschlechter betreffen“, erklärt Störr. Dennoch sind es vermutlich wieder einmal insbesondere weibliche Fachkräfte, die das Nachsehen haben, da sie die Inflation zusätzlich zum Gender Pay Gap trifft. Weiterhin erfüllt eine Lohnerhöhung nur dann ihren Zweck, wenn sie die Inflation übersteigt und so den Kaufkraftverlust ausgleicht. Bei mehr als zehn Prozent muss in der Regel ein großer Karrieresprung stattfinden, zum Beispiel in eine Führungsposition – in die weibliche Fachkräfte im Schnitt weniger häufig gelangen als Männer.
Weiterhin sollten Fachkräfte vor der Verhandlung prüfen, wie sich ihr Wunschgehalt auf den zu zahlenden Steuersatz auswirkt, um so eine kalte Progression zu vermeiden. Sonst kann es passieren, dass zwar mehr brutto auf der Gehaltsabrechnung steht, Fachkräfte sich aber dank schleichender Steuererhöhung und Inflation weniger leisten können.
Sollten Arbeitgeber sich gegen eine dauerhafte Erhöhung des Gehalts aussprechen, können Fachkräfte seit dem 1. Oktober 2022 zumindest auf die Auszahlung der sogenannten Inflationsausgleichsprämie hoffen: Bis zu 3.000 Euro können Arbeitgeber ihren Beschäftigten abgabe- und steuerfrei bis 31. Dezember 2024 auszahlen. Erhalten können die Prämie laut Bundesregierung alle Beschäftigten, egal ob Teilzeit, geringfügig beschäftigt oder in Elternzeit.
Prämie für alle?
Allerdings existiert laut Bundesregierung keine Regelung, die besagt, dass allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Prämie ausgezahlt werden müsse (§3 Nummer 11 EStG). Fachanwalt Michael Henn konkretisiert in einem Videobeitrag der Süddeutschen Zeitung jedoch: Würde die Prämie an eine Person gezahlt, müsste sie aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen.
Die Höhe der Zahlung kann allerdings variieren, wie es beispielweise die Bertelsmann SE & Co. KGaA handhabt: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Brutto-Fix-Einkommen von unter 75.000 Euro erhalten den vollen Betrag von insgesamt 3.000 Euro, während Personen mit höheren Einkommen 2.000 Euro erhalten. Ausgenommen von der Zahlung seien bestimmte Geschäftsführungen. Wie viele Fachkräfte letztlich von der Prämie profitieren werden, bleibt jedoch offen. Sowohl Arbeitgeberpräsident Rainer Bulger als auch Verdi-Sprecher Jan Jurczyk dämpfen in verschiedenen Medienbeiträgen die Erwartungen an die Prämie.
„Bewerber sind viel zu oft unnötig auf das eigentliche Gehalt fixiert“, findet Heidi Störr und führt damit eine weitere Möglichkeit an, wie Fachkräfte auf die Inflation reagieren können. „Ich bin ein ganz großer Fan von Sachbezügen und sogar auch von nicht-monetären Vorteilen – und zwar aus der Sicht von beiden Seiten. So ist zum Beispiel ein Jobticket eine sehr flexibel einsetzbare Nachverhandlungsoption, die gut kalkulierbar ist. Für den Personaler wiederum können das gute Problemlöser sein, wenn er einen Kandidaten gewinnen will, aber der existierende Gehaltsrahmen die Forderung nicht zulässt.“
Benefits, Darlehen, Jobwechsel
Ob Tankrabatt, ÖPNV-Ticket oder Wertgutschein: Der Nutzen des jeweiligen Benefits sei vor allem von persönlichen Lebensumständen abhängig. Weiterhin können Arbeitgeber laut einem Beitrag des Fachmagazins Personalwirtschaft ein zinsloses Darlehen bis maximal 2.600 Euro für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewähren, die temporär vor finanziellen Engpässen stünden. Allerdings sollten Fachkräfte die Rückzahlung im Blick haben. Schließlich sei die Spitze des Inflationsanstiegs vermutlich noch gar nicht erreicht, wie Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gegenüber dem WDR erklärte.
Nicht-monetäre Zusätze oder eine Gehaltserhöhung scheinen vor diesem Hintergrund planbarer und auch nachhaltiger. Denn in wirtschaftlichen Krisenzeiten wie diesen müssen die Löhne langfristig steigen, damit Beschäftigte weiterhin gute Arbeit leisten können. Zeigen sich Arbeitgeber dauerhaft verhandlungsresistent, können Arbeitnehmer*innen gerade mit der für sie komfortableren Situation des Fachkräftemangels im Rücken natürlich auch mal ihre Fühler auf dem Arbeitsmarkt ausstrecken.
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