Undercover Boss, oder was?
Die Arbeitswelt ist sehr vielfältig, mit dem Bildungsprogramm „Brückenschlag“ bietet sich die Möglichkeit, sich mal umzugucken und verschiedene Bereiche kennenzulernen.

Undercover Boss, oder was?

Nicht ganz! Denn bei „Brückenschlag“ geht es nicht wie beim TV-Format von RTL darum, den eigenen Beschäftigten auf die Finger zu schauen. Mit dem Bildungsprogramm ist Alexander Krainer in die Rolle eines Praktikanten geschlüpft und hat fremde Arbeitswelten kennengelernt.

Text: Melissa Strifler

Zweite Praktikumswoche: Alexander Krainer mit Jugendlichen aus einem Flüchtlingsheim. Foto: privat

Seit drei Jahren leitet Alexander Krainer den Vertrieb bei den Stadtwerken Klagenfurt. Insgesamt ist er seit über fünfzehn Jahren im Betrieb. „Man verliert oft den Blick für das Wesentliche, ist so in seinen Strukturen und Handlungsweisen festgefahren, dass ein Perspektivwechsel guttut“, sagt er. Aus diesem Grund nahm der 55-Jährige zweimal am österreichweiten Bildungsprogramm „Brückenschlag“ von „Verantwortung zeigen“ teil, einem Netzwerk, das Wirtschaft und Gesellschaft verbindet. „Ich habe schon viele klassische Lehrgänge im Bereich Management besucht. Doch die Themen wiederholen sich. Deshalb hat mich das Projekt sehr schnell angesprochen“, erklärt Krainer.

Pflege und Flüchtlingshilfe

Beim ersten Mal führte ihn das Programm als Praktikant in ein Alten- und Pflegeheim. Hier ging es hauptsächlich um die Betreuung, aber auch darum, Menschen auf ihrem letzten Lebensweg zu begleiten. „Solche Erfahrungen gehen viel tiefer als eine Fachschulung“, bekennt Krainer, „es ist eine Persönlichkeitsschulung, die Demut lehrt und den Blick schärft.“ Täglich begleitete er das Personal und legte Hand an, wo er gebraucht wurde. Er half bei der Essensausgabe und der Körperpflege, war bei Ausflügen dabei, spielte Spiele, führte Gespräche und wurde sehr freundlich und respektvoll aufgenommen.

„Ich bin gestärkt aus dem Projekt gegangen und habe anschließend meine Arbeit euphorisch wieder aufgenommen.“ Mit der Zeit traten die Erlebnisse aber wieder in den Hintergrund – Macht der Gewohnheit. „Deshalb wollte ich die Erfahrungen mit meiner zweiten Teilnahme nochmal auffrischen.“ So entschied er sich diesmal für ein Flüchtlingsheim für Jugendliche und übernahm über die Grenzen des Projekts hinaus sogar eine Patenschaft. „Die Kinder“, sagt er, „waren teilweise traumatisiert. Wir haben versucht, sie in unsere Gesellschaft einzubinden.“

Fazit für die Führungsposition

Es waren nicht die täglichen Aufgaben, die den Vertriebsleiter teilweise Überwindung kosteten; es waren die intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen mit den Pflegebedürftigen und Jugendlichen, aus denen er für seinen eigentlichen Beruf lernte. Im Management sei es von zentraler Bedeutung, nicht nur in ein Projekt zu vertrauen, sondern zugleich in die Personen, die dieses Projekt ausführen: „Das ist das eigentliche ­Geheimnis.“

Seine Praktikantenrollen habe ihm diesen Mechanismus verstärkt vor Augen geführt: „Jeder Kollege bringt seine eigenen Bedürfnisse und Ideen mit. Das geht im klassischen Business-Umfeld oft unter. Die Kolleg*innen werden auf ihre Funktionen reduziert. Dabei übersieht man die Menschen, die dahinterstecken.“ Darüber hinaus habe ihm das Experiment angesichts der Lebensgeschichten, von denen er erfahren durfte „ein bisschen mehr Gelassenheit“ vermittelt, die er als Führungskraft nun auch an seine Mitarbeiter*innen weitergibt. „Man hat als Führungskraft ja eine gewisse Vorbildfunktion“, so der Vertriebsleiter. Eine wichtige Erkenntnis aus den beiden Wochen für ihn persönlich: „Nutze den Tag und mache die Dinge, die du machen willst, jetzt und heute!“

„Emotional“, „experimentell“, „bewusstseinserweiternd“ – mit diesen Worten beschreibt, Alexander Krainer das Bildungsprogramm „Brückenschlag“. Dabei sei das Team von „Verantwortung zeigen“ sehr flexibel: „Es geht auf die eigenen Wünsche ein, auch was den Einsatzbereich betrifft. Man merkt, dass es den Menschen wirklich eine Herzensangelegenheit ist.“ Mitmachen könne prinzipiell jede*r, der oder die eine gewisse Offenheit habe und von festgefahrenen Wegen abweichen wolle. Empfehlen würde der Vertriebsleiter das Programm vor allem Manager*innen, die schon etwas länger in ihrer Tätigkeit arbeiten: „Da tut eine Auszeit meist besonders gut und kann Strukturen aufbrechen.“

50 Fach- und Führungskräfte in Österreich haben bereits die Chance genutzt, mit „Brückenschlag“ für eine Woche als Praktikant*in eine andere Perspektive einzunehmen und neue Erfahrungen zu gewinnen. Die Kosten belaufen sich auf 1.500 Euro. Organisiert wird der Einsatz vom Netzwerk „Verantwortung zeigen“: www.tinyurl.com/VZ-Brueckenschlag

  • Infodienst-Trainee-Stellen Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben den Artikeln im Online-Magazin bietet das Abo-Produkt mehrere hundert ausgewählte aktuelle Stellen pro Wochen – von Montag bis Freitag aktualisiert und handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
  • Die Abonnentinnen und Abonnenten erhalten durch den redaktionellen Teil und die Stellen-Datenbank einen breiten und dennoch konkreten Überblick über derzeitige Entwicklungen in Berufsfeldern und Branchen, können sich anhand der ausgewählten Jobs beruflich orientieren und bleiben so bei der Jobsuche am Ball. Unsere Erfahrung: Viele Abonnent*innen stoßen auf Tätigkeiten, die sie gar nicht auf dem Schirm hatten.

Weitere WILA-Angebote