Zurück in den Job
Der Wiedereinstieg nach der Elternzeit will gut geplant sein: Arbeitgeber*innen und Arbeitneh- mer*innen sollten frühzeitig ins Gespräch gehen und ehrlich zueinander sein. Stoßen Eltern auf Hürden, können verschiedene Unterstützungsangebote weiterhelfen.
Text: Elisabeth Werder
Ein Kind zu bekommen, verändert das ganze Leben, was sich natürlich auch auf die eigene berufliche Situation auswirkt. Viele Mütter und Väter nehmen sich eine Auszeit vom Job und gehen in Elternzeit. Diese dauert maximal drei Jahre und darf in mehrere Abschnitte eingeteilt werden, zum Beispiel auf ein Jahr direkt nach der Geburt und eine zweite Pause, wenn das Kind in den Kindergarten oder in die Schule kommt. Das Aufteilen auf mehr als zwei Zeitabschnitte ist jedoch nur möglich, wenn der Arbeitgeber damit einverstanden ist.
„Grundsätzlich gilt in vielen Branchen Fachkräftemangel. Mit dem Ringen um Fachkräfte sind auch viele Chancen für Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gegeben“, sagt Cornelia Spachtholz. Die Vorstandsvorsitzende des Verbands Berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und Initiatorin des Equal Pension Day hat nicht nur selbst Erfahrung mit dem Wiedereinstieg in den Beruf nach der Elternzeit gemacht, sondern durch ihre 16-jährige Verbandstätigkeit auch einen guten Überblick.
Für sie steht fest: „Viele Faktoren beeinflussen die Wiedereinstiegschancen – zum Beispiel die Kinderbetreuung und Bildungsbegleitung der Kinder – sei es durch (Ex-)Partner*in, Kitaplatz, Tageseltern, Familie oder Freundeskreis. Auch wie der Kontakt zum Unternehmen gehalten wird, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen während der Elternzeit, wie Vorgesetzte die neu gewonnen Kompetenzen anerkennen und die Tätigkeit selbst sowie die Branche gehören dazu.“
Die Expertin beobachtet, dass einige Bereiche bessere Chancen bieten: „Offenbar gibt es derzeit gute Bedingungen zum Wiedereinstieg in den Bereichen Versicherungen, Verwaltung, Bildungswesen sowie in Gesundheits- und Sozialberufen. Familienunfreundlicher gestalten sich oftmals Arbeitsplätze in den Branchen Handel, Gastgewerbe und Verkehr; aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel. In Deutschland arbeiten knapp 40 Prozent der Mütter durchschnittlich 20 Stunden pro Woche, wenngleich sie gern mehr arbeiten würden.“
Es braucht ein Umdenken
Einige der Faktoren des erfolgreichen Wiedereinstiegs lassen sich aktiv steuern, andere müssen vorerst als gegeben akzeptiert werden. Wer zum Beispiel nach dem Studium oder aus einer befristeten Tätigkeit in die Elternzeit geht, muss sich anschließend neu bewerben und kann dabei auf Hürden und Vorurteile stoßen: Immer noch gibt es Unternehmen und Personaler*innen, die Mütter kategorisch als weniger belastbar, weniger flexibel und weniger motiviert einschätzen.
Umso wichtiger ist es, dass Mütter im Bewerbungsprozess nicht als Bittstellerinnen auftreten, sondern sich ihrer Fähigkeiten und Kompetenzen bewusst sind. Wenn Kinderbetreuung und Haushaltsaufgaben klar geregelt sind und der Wunsch besteht, wieder in den Job zurückzukehren, sollte das auch deutlich so kommuniziert werden.
Nicht nur auf gesellschaftlicher, auch auf politischer Ebene gibt es enormen Aufholbedarf in puncto berufstätige Eltern. So sieht Cornelia Spachtholz immer noch Probleme, wenn insbesondere Mütter sich entsprechend ihrer Qualifikationen und Neigungen, ihren Weiterentwicklungsambitionen und ihrem Wunsch nach finanzieller Eigenständigkeit wieder ins Berufsleben einsteigen wollen.
„Zum einen durch Defizite in der Betreuungs- und Bildungslandschaft, zum anderen durch seltene Führungspositionen der verschiedenen Ebenen in Teilzeit. Des Weiteren ist immer noch das Ehegattensplitting mit der beitragsfreien Mitversicherung in der Krankenkasse sowie die Erhöhung der Mini- und Midijobgrenze mit Steigerung des Mindestlohns ein Erwerbshemmnis insbesondere von verheirateten Frauen, vor allem von Müttern“, sagt die Expertin.
Gemeinsam im Gespräch
Regina Lorentz ist seit neun Jahren im Projekt „power_m – Perspektive Wiedereinstieg“ tätig, das durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Landeshauptstadt München gefördert und unter anderem von der Frau und Beruf GmbH in München durchgeführt wird. Dort berät sie Frauen als Trainerin und Coachin, die nach einer Familien- oder Pflegezeit in das Berufsleben zurückkehren möchte: „Mit der Bekanntgabe des ‚freudigen Ereignisses‘ beginnt eine neue Zeit – für die werdenden Eltern ebenso wie für den Arbeitgeber. Im gegenseitigen Interesse ist es, Planungssicherheit herzustellen und jeweilige Erwartungen zu thematisieren. Ein Fristen- oder Elternzeitrechner, den Krankenkassen auf ihren Websites bieten, hilft, die genauen Daten für den Beginn und das Ende der Elternzeit zu ermitteln. Auch sollten frühzeitig Vertretungsregeln besprochen werden. Der Wunsch auf Elternzeit muss spätestens sieben Wochen vor dessen Beginn gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geäußert werden.“
Beginnt dann die Job-Pause, ist es sinnvoll, nicht gänzlich von der Bildfläche zu verschwinden, sondern den Kontakt zum Arbeitgeber und Kolleg*innen zu halten: Um die Entwicklungen im Unternehmen mitverfolgen zu können, fachliche Neuerungen zu erkennen und Beziehungen zu pflegen. „Die Rückkehr in den Job wird so erleichtert und nicht selten mit neuen Ideen angereichert“, erklärt Lorentz. In einem Rückkehrgespräch, etwa drei Monate vor Ende der Elternzeit, klären die Gesprächspartner die aktuelle Situation und jeweiligen Anforderungen.
Regina Lorentz empfiehlt, die Terminanfrage schriftlich zu stellen, zu dokumentieren und dranzubleiben, sollte nicht umgehend eine einladende Reaktion des Arbeitgebers erfolgen. Wer sich vom bisherigen Arbeitgeber gegen Ende der Elternzeit trennt, sollte die dreimonatige Kündigungsfrist bedenken und sich umgehend bei der Agentur für Arbeit melden.
Individuelle Lösungen
Auch Regina Lorentz bewertet die Arbeitsmarktsituation für Bewerber*innen insgesamt positiv, wenngleich es vor allem Mütter nicht immer leicht haben: „Qualifizierte Fach- und Arbeitskräfte werden gerade durch die pandemischen Folgen dringend gesucht. Dabei ist zu beachten, dass trotz des hohen Fachkräftebedarfs immer noch erhebliche Hürden für weibliche Fachkräfte bestehen, vor allem für die mit familiären Verpflichtungen. Wir beobachten zum Beispiel, dass die zeitliche Verfügbarkeit nach wie vor ein Faktor ist, auf den Arbeitgeber Wert legen. Besonders in den Branchen des ‚fast changing environment‘ ist dies der Fall, was Eltern mit Care-Aufgaben vor enorme Herausforderungen stellen kann. Eine Vollzeittätigkeit oder spontane Überstunden vertragen sich einfach oftmals nicht mit den Kita-Zeiten.“
Gleichzeitig erkennen die Unternehmen laut Regina Lorentz, dass sie sich umstellen müssen und handeln mit den zukünftigen Mitarbeiter*innen individuelle Lösungen aus: Zum Beispiel verschiedene Teilzeit-Modelle, eine lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung, Remote-Work oder Home-Office. „Die Vereinbarkeit von Job und Familie erhöhen sich natürlich, wenn beide Elternteile Arbeitgeber finden, die ein Verständnis davon haben, was konkret die familiären Herausforderungen sind. Flexibilität und Perspektivenwechsel sind aber von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen gefragt, um dauerhaft gute Lösungen zu finden“, sagt Lorentz.
Angebote nutzen
Regina Lorentz und ihre Kolleg*innen beobachten bei ihren Teilnehmerinnen ein sinkendes Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. „Nachweislich lässt das berufliche Selbstvertrauen nach neun Monaten der beruflichen Unterbrechung nach. Frauen sollten sich nicht ‚unter Wert‘ verkaufen oder geringer qualifizierte Jobs annehmen, nur, weil diese von vornherein in Teilzeit verfügbar sind.
Für berufliches Selbstvertrauen und Perspektive sowie die finanzielle Unabhängigkeit ist es entscheidend, dass die Berufstätigkeit der eigenen bisherigen Qualifikation entspricht. Als weitere Hürde für einen qualifizierten Wiedereinstieg erkennen wir die mangelnde Fähigkeit, sich zu präsentieren und über die eigenen Kompetenzen sprechen zu können“, erklärt Lorentz.
Wer sich dabei Unterstützung wünscht, kann zum Beispiel eines der Angebote von power_m in München oder des VBM in Anspruch nehmen, oder gezielt nach Workshops zum Thema suchen. Der Wissenschaftsladen Bonn veranstaltet zum Beispiel am 22. Oktober 2022 einen Tagesworkshop für Frauen zum Thema „Spontan und schlagfertig“: www.tinyurl.com/WILA-Bonn-Workshop. Nicht zuletzt durch die Coronapandemie gibt es inzwischen viele Möglichkeiten, sich virtuell weiterzubilden, oder eine Ausbildung beziehungsweise ein Studium in Teilzeit zu absolvieren.
Umsatteln in der Elternzeit
Nicht selten nutzen Eltern die Elternzeit auch als Gelegenheit, sich beruflich neu zu orientieren, zum Beispiel, weil sie in ihrem alten Job keinen Sinn mehr sehen oder durch die Elternschaft auf völlig neue Themenwelten stoßen: Mit Berufen wie Stillberater*in, Trageberater*in, Hebamme oder Familienberatung haben die meisten Menschen schlichtweg keine Berührungspunkte vor einer Schwangerschaft oder Geburt. „Wer nach einer inhaltlichen Neuorientierung sucht, sollte den Arbeitsmarkt im Auge haben und Stellenanzeigen analysieren,“ empfiehlt Lorentz.
Auch wenn etwas Mut dazu gehört, kann sich der berufliche Neustart für alle Beteiligten lohnen. Cornelia Spachtholz zum Beispiel hatte eine Führungsposition im Familienunternehmen inne: „Während ich im Büro in Nürnberg war, wurde mein Sohn zwischen den Stillphasen von den Großeltern abgeholt. Mein Exmann ging seinen beruflichen Verpflichtungen in Köln nach und ich pendelte mit unserem Sohn während meiner Elternzeit zwischen Nürnberg und Köln hin und her. Nach zwei Jahren entschied ich mich dafür, das Familienunternehmen nicht zu übernehmen und mir mit Mitte 30 den Wunsch zu erfüllen, trotz verschiedener Berufsabschlüsse doch noch zu studieren“, erinnert sie sich.
Mit ihrem Engagement im VBM kämpft Cornelia Spachtholz für bessere Vereinbarkeitsinstrumente seitens Politik und Arbeitgeber und möchte andere Frauen und Mütter ermutigen und unterstützen, selbstbewusster für ihre Bedürfnisse einzustehen. Ihre Botschaft lautet: „Den Müttern mehr Karriere, den Vätern mehr Familie und unseren Kindern beide Eltern.“
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