Eine Frage der Vorbereitung
Wer viele Jahre in ein und demselben Job gearbeitet hat, schreckt womöglich vor einem Jobwechsel zurück aufgrund von Unsicherheit und Selbstzweifeln angesichts des eigenen Alters. Doch Recruiter*innen schätzen erfahrene Fachkräfte – und Bewerben ist neu erlernbar.
Text: Anja Schreiber
Wenn sich Berufstätige seit zehn oder gar zwanzig Jahren nicht mehr beworben haben, stehen sie gleich vor mehreren Herausforderungen. Denn in den vergangenen Jahrzehnten haben sich der Bewerbungsprozess und die Anforderungen an eine Bewerbung stark verändert. Auch der Stil, in dem die Ausschreibungen formuliert werden, hat sich gewandelt.
Außerdem finden sich die Jobangebote heutzutage an ganz anderen Stellen als früher: Sie stehen nicht nur in klassischen Printanzeigen, sondern auch auf Jobportalen, auf Unternehmenswebsites und in den sozialen Medien. Die Tatsache, dass die allermeisten Bewerbungen inzwischen digital versendet werden, mag für einzelne langjährig Beschäftigte ebenso gewöhnungsbedürftig sein wie der nichtchronologische Lebenslauf.
Doch die größte Herausforderung liegt wahrscheinlich auf mentaler Ebene. Viele langjährig Beschäftigte haben Sorge, dass sie das Bewerben mittlerweile verlernt haben oder dass sie den Ansprüchen der Personaler*innen von heute nicht mehr entsprechen. Vielleicht fürchten Ältere gar, dass man gegenüber ihrer Generation Vorurteile hat und ihnen zum Beispiel mangelnde Flexibilität unterstellt. So können sich ungute Gefühle einstellen. Berufserfahrene sehen dann nicht mehr ihre Leistungen und vielfältigen Fähigkeiten.
Sie schauen nur auf ihre vermeintlichen Schwächen wie etwa ihr höheres Alter. Aber genau diese Geisteshaltung kann zum Problem werden. Denn für eine optimale Bewerbung ist auch die innere Einstellung entscheidend. Wer positiv und motiviert an die Bewerbung herangeht, hat ungleich bessere Chancen als jemand, der voller Angst ist oder gar seinem Gegenüber Vorurteile unterstellt.
Chancen für Ältere
„Menschen mit langjähriger Berufserfahrung, die aber in den letzten Jahren keine Bewerbungserfahrung sammeln konnten, sollten sich nicht so viele Sorgen machen. Denn wir haben inzwischen einen Arbeitnehmermarkt. Das heißt: Gerade hoch qualifizierte Akademiker*innen werden gesucht“, berichtet Deborah Dudda-Luzzato, Leiterin der Fachgruppe Recruiting beim Bundesverband der Personalmanager (BPM) und erfahrene Recruiterin bei einem international tätigen Unternehmen.
Damit seien auch die Chancen für ältere Berufstätige, die sich lange nicht mehr beworben haben, im Allgemeinen gut. Die Tatsache, dass sich Arbeitgeber*innen längst nicht mehr aus einer Fülle von Be-werber*innen jemand aussuchen können, hat auch Auswirkungen auf das Recruiting: „Wir haben keine unrealistischen Erwartungen an die Unterlagen. Wenn wir zum Beispiel Tippfehler oder Formfehler sehen, ist das längst kein Ausschlusskriterium mehr“, erklärt Dudda-Luzzato.
Vor diesem Hintergrund ermutigt die Recruiterin erfahrene Berufstätige, sich ohne Scheu zu bewerben. Sie ist sich sicher: „Wenn man sich vorab auf den neuesten Stand gebracht hat, ist die schriftliche Bewerbung keine Hürde. Allerdings haben sehr unsichere Kandidat*innen im Vorstellungsgespräch eher schlechte Chancen.“ Aber auch dagegen können Bewerber*innen etwas unternehmen – sich gut vorbereiten.
Optionales Anschreiben
Eine der wichtigsten Veränderungen beim Bewerbungsprozess ist, dass aktuell fast ausschließlich digitale Bewerbungen verschickt werden. Das geschieht entweder per E-Mail oder über ein Online-Portal. Inzwischen nutzen nicht nur große Konzerne, sondern zunehmend auch mittelständische Unternehmen solche Bewerbungsportale.
„Mit Einführung dieser Websites haben sich auch die Anforderungen an die Bewerbung geändert“, berichtet Deborah Dudda-Luzzato. Zwar besteht häufig noch die Möglichkeit, ein Anschreiben hochzuladen. Das sei aber oft nur optional. „Und optional bedeutet dann auch optional. Bewerber*innen, die ein Anschreiben hochladen, bekommen dafür keine Fleißpunkte.“
Generell nehme die Bedeutung des Anschreibens ab, so die Einschätzung der Personalerin. „Es ist heutzutage viel weniger ausschlaggebend für die Auswahl als früher. Auch deshalb sollte man das Anschreiben kurzhalten.“ In vielen Fällen wird bei ausgeschriebenen Stellen gar kein Anschreiben erwartet.
Aber Vorsicht: Die Bewerbungsmail sollte man nicht grußlos mit den Anhängen verschicken. Die Recruiterin rät dazu, ein paar erklärende Sätze zu formulieren. Statt allerdings zu viel Arbeit in diesen Text zu investieren, empfiehlt sie, dem Lebenslauf besondere Aufmerksamkeit zu widmen und ihn gründlich zu aktualisieren.
Aufgaben beschreiben
„Heute sind die Lebensläufe antichronologisch angeordnet. Das Schriftstück beginnt also mit der aktuellen Position und geht dann zeitlich rückwärts“, erklärt Dudda-Luzzato. Der Lebenslauf sollte außerdem tätigkeitsbezogen sein. Dass bedeutet, dass die Bewerber*innen nicht nur Funktion, Beschäftigungszeitraum und Arbeitgeber nennen, sondern auch die Aufgaben beschreiben, die sie täglich erledigt haben beziehungsweise erledigen.
„Gerade bei dem aktuellen Dschungel an Jobbezeichnungen ist das besonders wichtig.“ Denn nur so können sich Personaler*innen vorstellen, was die Bewerber*innen können und was nicht. Deshalb empfiehlt Deborah Dudda-Luzzato, für jede wichtige Position, die die Bewerber*innen im Lauf der Zeit bekleidet haben, mehrere Spiegelpunkte mit stellenbezogenen Tätigkeiten aufzuführen. „Anhaltspunkte dafür, was Bewerber*innen in ihr Curriculum Vitae schreiben können, bietet die Tätigkeitsbeschreibung der Unternehmen.“
Falls den Jobsuchenden eine Tätigkeitsbeschreibung für ihre aktuelle Stelle nicht vorliegt, empfiehlt die Recruiterin, im Vorfeld eines Jahresgesprächs den aktuellen Arbeitgeber um eine solche zu bitten. „Auch das Zwischenzeugnis kann bei der Formulierung des Lebenslaufs helfen, weil auch in diesem Schriftstück auf das Tätigkeitsprofil eingegangen wird.“
Außerdem ist es unbedingt ratsam, auf Formalien zu achten. „Wenn man einen älteren Lebenslauf bearbeitet, muss man in jedem Fall die Kontaktdaten aktualisieren.“ Es darf zum Beispiel in den Unterlagen keine veraltete Mobilnummer stehen, sonst ist die Personalabteilung nicht in der Lage, bei Interesse Kontakt aufzunehmen. Das Gleiche gilt für die E-Mail-Adresse.
Der alte Ratschlag, dass ein Lebenslauf eine Seite nicht überschreiten sollte, ist inzwi-schen hinfällig, so die Personalerin: „Bei einer berufserfahrenen Person kann er schon zwei bis drei Seiten lang sein. Länger sollte er aber nicht werden.“ Das Schriftstück sollte so aussagekräftig sein, dass die Personaler*innen erkennen können, ob die Bewerber*innen zum Stellenprofil passen. Sind zum Beispiel bei einer ausgeschriebenen Stelle spezielle Softwarekenntnisse gefragt, sollten diese im Lebenslauf auch aufgeführt werden, wenn die Bewerber*innen darüber verfügen.
Über das Layout sollten sich berufserfahrene Bewerber*innen keinen Kopf zerbrechen. „Niemand muss dafür drei Grafikdesigner engagieren“, erklärt Dudda-Luzzato. Sie ist überzeugt: „Weniger ist mehr.“ Und das bedeutet im Klartext: Der Lebenslauf sollte logisch und leserlich sein und nicht verspielt aussehen. „Man kann ruhig die Schriftart Times New Roman verwenden.“
Nicht zu nervös sein
Sind erfahrene Berufstätige erst einmal zum Vorstellungsgespräch geladen, haben sie die entscheidende Hürde genommen: Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber möchte sie kennenlernen. Sie oder er hat also bisher einen positiven Eindruck gewonnen. Deshalb betont die Recruiterin: „Es gibt keinen Grund, übernervös oder ängstlich zu sein. Denn das Gegenüber hat Interesse.“ Sorgen, dass man „verstaubt“ wirkt, weil man lange nicht mehr den Job gewechselt hat, sollte man sich nicht machen. Statt darüber zu grübeln, zu alt zu sein, ist es viel sinnvoller, die Unternehmensvertreter*innen mit konkreten Beispielen von den eigenen Kompetenzen und dem aktuellen Fachwissen zu überzeugen.
„Der Erfolg im Jobinterview steht und fällt mit der Vorbereitung“, betont Dudda-Luzzato. Dazu gehört nicht nur Wissen über das Unternehmen, bei dem sich die Bewerber*innen vorstellen, sondern auch die mentale Vorbereitung. Wichtig ist, von dem Gedanken wegzukommen, dass die langjährige Tätigkeit auf einer bestimmten Position ein Problem ist.
Stattdessen gilt es, sich seiner Stärken wie Durchhaltevermögen bewusst zu werden. „Bewerber*innen sollten durch Beispiele belegen, dass ihnen ihre langjährige Arbeit Spaß gemacht hat und dass sie dabei immer wieder auch ihre Flexibilität zeigen konnten.“ Wer so vorgeht, braucht keine Angst zu haben, dass er mögliche Vorurteile wie Inflexibilität oder veraltetes Wissen bestätigt.
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