Auf Umwegen zum Ziel
Sich mitten in einer globalen Pandemie selbstständig zu machen, ist ein mutiger Schritt. Für Elke Gober war es ein Befreiungsschlag. Nach mehreren Anläufen hat sie als freiberufliche Übersetzerin und Lektorin ihren Traumjob gefunden.
Text: Elisabeth Werder
Nach dem Abitur entschied sich Elke Gober für das Studium der Journalistik in Eichstätt. Die ersten Semester waren theorielastig. Nach dem vierten Semester begann ein umfangreiches Praxisprojekt, das den ganzen Studiengang involvierte. „In der Zeit habe ich das erste Mal darüber nachgedacht, dass ich diesen Job nicht machen will. Der permanente Stress, die Arbeitsweise meiner Kommiliton*innen, immer alles auf den letzten Drücker zu machen oder ständig wieder umzuwerfen – damit kam ich nicht gut zurecht“, erinnert sie sich. Während eines Praktikums verstärkte sich dieses Gefühl, denn die reale Arbeitswelt unterschied sich in diesem Aspekt nur unwesentlich vom Studienprojekt. Trotzdem zog Elke Gober die letzten beiden Semester durch und machte ihren Bachelor-Abschluss.
Kurz vor Studienende stieß sie auf das Angebot einer Sprachschule in Bamberg und vereinbarte spontan einen Termin. Im Gespräch mit der Schulleiterin offenbarte sich eine ernsthafte berufliche Alternative. Nach dem Bachelorabschluss stand sie vor der Entscheidung, in einen Beruf einzusteigen, der eigentlich nicht das Richtige für sie ist, oder eine erneute Ausbildung anzufangen, die sie wirklich interessierte. „Ich habe es damals einer Freundin gegenüber schon so formuliert, dass die Entscheidung für die Sprachschule das Eingeständnis sei, dass ich die drei Jahre Studium verschwendet habe“, erinnert sie sich. „Heute sehe ich das überhaupt nicht mehr so. Von den Fähigkeiten und Kontakten aus dieser Zeit profitiere ich heute sehr.“
Vom Studium zur Ausbildung
Das Gefühl, gescheitert zu sein, stellte sich trotzdem ein – vor allem im Gespräch mit anderen. Während die meisten in ihre ersten Jobs starteten, stand für Elke Gober der Umzug in die nächste Studentenbude an. Die schulische Ausbildung zur Übersetzerin und Dolmetscherin dauerte drei Jahre. Bereut hat sie den Schritt nicht. Ein halbes Jahr vor dem Abschluss ging sie eine neue Beziehung ein, entschied sich danach für einen Umzug zu ihrem Partner und eine Festanstellung als Filialleiterin in einem Übersetzungsbüro.
Schnell kam jedoch die Erkenntnis, dass sie ihr Potenzial so nicht ausleben kann: „Der Job war mies bezahlt, und es gab viel Leistungsdruck, aber kaum Wertschätzung, wenn man ihm gerecht wurde. Auch die organisatorischen Strukturen waren katastrophal. Ich hätte aus meiner Position und meiner Filiale viel machen können, wenn man mir das Vertrauen und die Ressourcen an die Hand gegeben hätte. Stattdessen wurde ich klein gehalten, und das war von Tag zu Tag frustrierender.“
Erneut überkam Elke Gober das Gefühl, beruflich eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Die Option der Selbstständigkeit rückte zum ersten Mal in ihr Bewusstsein: „Vorher hätte ich mir das nie vorstellen können, weil es mir viel zu unsicher war. Aber in diesem einen Jahr im Übersetzungsbüro habe ich gemerkt, dass ich so viel Potenzial habe und es endlich nutzen muss. Im Studium und in der Ausbildung bin ich immer hinter meinem Potenzial zurückgeblieben, weil mir so viele andere Dinge Energie geraubt haben: Nebenjobs, um mich zu finanzieren, und Unterrichtsfächer, die mich eigentlich nicht interessiert haben, aber trotzdem geprüft wurden.“
Gut überlegt und vorbereitet
Der Plan, sich selbstständig zu machen, reifte über Monate. In ihrer Partnerschaft führte das Thema zu Streitigkeiten: „Mein Freund hatte überhaupt kein Verständnis dafür, warum ich die Sicherheit meiner Festanstellung aufgeben wollte. Weil ich viel Zeit in die Vorbereitung des Schrittes investiert habe, litt die Partnerschaft zusätzlich. Meine Entscheidung, die Festanstellung zu kündigen, bedeutete gleichzeitig das Ende der Beziehung und damit einen erneuten Umzug.“
Unterstützung holte sich Elke Gober vor allem auf beruflicher Ebene: Sie bewarb sich bei einem Mentoring-Programm ihres Berufsverbandes, nahm ein Beratungsangebot der Wirtschaftsförderung ihrer Stadt an und entschied sich für ein Persönlichkeits-Coaching. Gerade das Netzwerken empfand sie zu Beginn der Selbstständigkeit als unglaublich wertvoll: „Ich habe in diesem Lernprozess festgestellt, dass ich schon viel mehr kann, als ich zu dem Zeitpunkt dachte“. Stress und Leistungsdruck erlebe sie auch als Selbstständige. „Aber so habe ich die Möglichkeit, mein Potenzial voll zu entfalten. Die Wertschätzung und Flexibilität, die ich erfahre, sind das auf jeden Fall wert.“
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