Arbeit mit Wirkungseffekt
Als Fellow bei Teach First hat sich Nikolas Napierala für mehr Bildungsgerechtigkeit eingesetzt. Die Chance, eigene Projekte umsetzen zu können und gleichzeitig geschult zu werden, hat er genutzt – und damit die Weichen für seine berufliche Zukunft gestellt.
Interview: Maria Köpf
WILA Arbeitsmarkt: Was ist das Ziel des Leadership Programms bei Teach First Deutschland (TFD)?
Nikolas Napierala: Über allem steht die Vision von Teach First Deutschland, dass jedes Kind es verdient, gute Bildung zu erfahren. Erfahrungsgemäß wirkt unser Programm auf zweierlei Weise: ganz konkret mit dem direkten Einsatz für Schüler*innen und darüber hinaus, wenn sich Alumni für Bildungsgerechtigkeit stark machen. Teach First sucht Hochschulabsolventen jeglicher Fachrichtung, auch pädagogikferne Absolventen. Das Mindestkriterium ist ein abgeschlossenes Bachelorstudium.
Wie kamen Sie darauf, sich zu bewerben?
Ich habe Economics und Staatswissenschaften studiert. Danach sammelte ich Erfahrung als Politikberater der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und stellte bald fest, dass mir die direkte Wirkung meiner Arbeit fehlte. So bewarb ich mich im Jahr 2014 als Fellow bei Teach First Deutschland. Hierfür entwarf ich, wie alle angehenden Fellows, eine Projektskizze. Mir schwebte ein Theaterprojekt an der Schule vor, weil ich selbst als Schüler daran wachsen durfte, im Rahmen einer Theater-AG auf einer großen Bühne zu stehen.
Konnten Sie Ihre eigene Projektskizze an der Schule umsetzen?
Tatsächlich setzte ich in meiner Einsatzschule mit den Schüler*innen ein Theaterstück um, das von der 1850er Gießener Auswanderergesellschaft handelt. Das historische Thema adaptierte ich, damit die Schüler*innen mit Migrationshintergrund ihre eigene Einwanderungsgeschichte darin verarbeiteten konnten.
Am Ende konnten wir das Stück im History Museum in Saint Louis, Missouri, aufführen. Darüber hinaus ergab sich ein spannender Austausch mit Schülerinnen und Schülern einer amerikanischen High School. Ich kümmerte mich komplett selbstständig um Jugendliche wie Eltern, Reiseplanung und das nicht ganz unwesentliche Fundraising.
„Teach First Deutschland hat mich im Projektmanagement und im Fundraising ausgebildet und darin bestärkt, das Solo-Projekt umzusetzen.“
Wie hat TFD Sie bei Ihrem Projekt konkret unterstützt?
Teach First Deutschland hat mich im Projektmanagement und im Fundraising ausgebildet und darin bestärkt, das Solo-Projekt umzusetzen. Als Betreuer*innen werden wir ja im Teamteaching, in Fördergruppen oder im Ganztagsbereich eingesetzt. Überall dort können wir Projekte ausprobieren – die Idee selbst jedoch bleibt den Fellows überlassen. Das kann eine Schülerzeitung sein, ein Theaterstück, Klimaschutzarbeit und vieles mehr.
Welche Situationen waren herausfordernd?
Ich erlebte jeden Tag als herausfordernd, weil der Alltag an Schulen viel Improvisation erfordert. Zum Beispiel fiel an meiner Einsatzschule über längere Zeit der Türkischunterricht aus. Das führte bei meinen Schüler*innen zu großer Frustration. Spontan kam mir damals die Idee, den Türkischunterricht ersatzweise selbst zu übernehmen.
Ich spreche zwar kein Türkisch, traute mir eine Lerneinheit jedoch zu. Dafür besorgte ich mir türkische Kurzgeschichten, die sich die Jugendlichen gegenseitig vorlasen und für mich übersetzten. Diese Situation verdeutlicht, wie viel Improvisation an Schulen oft nötig ist.
„Wer daraus mitnimmt, dass man erst eine positive Beziehung zu anderen Menschen aufbauen muss, bevor man sie motivieren kann, hat viel gelernt.“
Wie geht es für die Alumni danach weiter?
Manche kehren in ihren gelernten Beruf zurück, andere wagen den Einstieg in die Schule, und einige gründen oder werden für außerschulische Bildungseinrichtungen tätig. Die Kompetenzen für das Motivieren und Lehren einer Klasse von 14-Jährigen helfen bei der Überzeugungsarbeit eines jeden Berufes. Wer daraus mitnimmt, dass man erst eine positive Beziehung zu anderen Menschen aufbauen muss, bevor man sie motivieren kann, hat viel gelernt.
Heute sind Sie als stellvertretender Bereichsleiter bei TFD tätig. Was haben Sie für Ihren beruflichen Weg mitgenommen?
Dass man mit einer hohen intrinsischen Motivation eine große Vision angehen kann und sich von dabei innewohnendem und regelmäßigem Scheitern nicht aus der Bahn werfen lässt. Dass gewinnbringende Arbeit im Sinne anderer Menschen nicht selbstbezogen sein darf und man anderen ein positives „Mindset“ beibringen kann, selbst wenn sie nicht aus privilegierten Familien stammen. Und natürlich grundlegende Fähigkeiten im Projektmanagement.
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