Naturschutz im Aufwind
Die Berufsaussichten im Naturschutz sind zurzeit ausgezeichnet. Vor allem Expertise im Bereich Artenkenntnis ist gefragt, zum Beispiel bei Behörden und Planungsbüros.

Naturschutz im Aufwind

Gemeinsam stark im Verband (12): Wer im Naturschutz arbeitet, muss Fachwissen, aber auch Kooperationsbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit mitbringen. Vernetzung und fachlichen Austausch bietet der Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V. (BBN).

Interview: Annika Voßen 

Heinz-Werner Persiel ist seit 2008 Vorsitzender des BBN. Mitglied ist er seit 1974. Foto: privat

WILA Arbeitsmarkt: Wen vertritt der BBN?
Heinz-Werner Persiel: Der Name sagt es schon, wo wir hinsteuern – der Berufsnaturschutz steht im Vordergrund. Wir haben viele Mitglieder aus Behörden. Sie arbeiten im behördlichen Naturschutz, also in Ministerien, Umweltämtern und den Unteren Naturschutzbehörden, in Nationalparkämtern und Schutzgebietsverwaltungen, zudem in Planungsbüros, in der Wissenschaft, in Naturschutzakademien oder Naturschutzverbänden. Das sind die klassischen Berufsfelder.

Mit welchen Stärken können Fachkräfte punkten, die sich professio­nell für Naturschutz und Landschaftspflege einsetzen?
Heike Milkowski: Das sind zum einen natürlich die Fachkenntnisse etwa zu ökosystemaren Zusammenhängen oder Artenkenntnisse. Aber was die Arbeit im Naturschutz auch auszeichnet, ist ein sehr vernetztes Denken: Man muss oft andere Fachgebiete mit einbeziehen und mit anderen Ressorts zusammenarbeiten, gerade in der Raumplanung. Hier sind also auch Kooperationsbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit entscheidend.

Weil man es oft mit Widerständen zu tun hat?
Heike Milkowski: Genau. Man ist es ein Stück weit gewohnt, sich durchsetzen und verhandeln zu müssen, vielleicht auch mal zu scheitern oder noch einen neuen Anlauf zu nehmen. Das erfordert auch Flexibilität. Ich denke, das sind Eigenschaften, mit denen man auch in der freien Wirtschaft punkten kann.

Wie entwickelt sich derzeit die Arbeitsmarktlage?
Heinz-Werner Persiel: Sehr positiv. Der Bedarf an qualifizierten Arten- und Ökosystemexperten und -expertinnen ist gestiegen, zum Beispiel für Planungsprozesse bei Vorhaben aller Art, etwa im Straßenbau oder bei der Anlage von Großkraftwerken.

Heike Milkowski ist seit 2015 im Verband tätig. Seit 2017 ist sie hauptamtliche BBN-Geschäftsführerin. Foto: privat

Heike Milkowski: Der größte Bedarf besteht im Bereich der Artenkenner, da haben wir einen Riesenbedarf. Auch große Büros müssen inzwischen Aufträge ablehnen, weil sie keine qualifizierten Mitarbeitenden mehr finden. Man merkt, dass viel verloren gegangen ist in den vergangenen Jahren. Die Feld-, Wald- und Wiesenartenkenner, also die ältere Generation, die noch jedes Tier und jede Pflanze kannte, geht ins Rentenalter. Da kommt jetzt eine Lücke. Es ist versäumt worden, gute Artenkenner auszubilden.

Dies beruht darauf, dass relevante Studiengänge, wie zum Beispiel angewandter Naturschutz oder Ökosystemforschung, bis auf wenige Ausnahmen verschwunden sind, die Bedeutung des Naturschutzes an den Hochschulen ist sehr zurückgegangen. Das ist eine Entwicklung, die wir mit großer Sorge betrachten. Dabei ist es wirklich toll, im Naturschutz zu arbeiten! Und es lohnt sich – die Berufsaussichten sind aktuell ausgezeichnet, weil dem Naturschutz ein immer größerer Stellenwert eingeräumt wird.

Es ist nicht nur was für „ein bisschen spinnerte Weltverbesserer“, sondern es gibt gute Verdienstmöglichkeiten. Es ist eine sehr große Bereitschaft zum Generationswechsel und zur Unterstützung da. Wir haben auch Mitglieder, die sehr gerne junge Leute beraten.

Über welche Herausforderungen wird aktuell im Verband diskutiert?
Heinz-Werner Persiel: Eine Herausforderung ist es gerade, der Politik den Stellenwert des Naturschutzes deutlich zu machen. Wir als BBN sind hier ein wichtiger Gesprächspartner. Planungsprozesse rechtssicher zu beschleunigen kann man nicht durch das Weglassen von Artenschutzkenntnissen erreichen! Der Rückbau der planungsrelevanten Anforderungen macht uns große Sorgen. Unsere Meinung: Rechtzeitig artenschutzrelevante, naturschutzrelevante Themen aufgreifen und nicht erst hinterher.

Wie beeinflusst die Coronapandemie den Arbeitsalltag?
Heike Milkowski: Im Berufsalltag ist es so, wie in anderen Berufsfeldern auch: In Verwaltungen und Hochschulen besteht die Möglichkeit, mit digitalen Formaten zu arbeiten. Freiberufliche Experten und Expertinnen, die für Planungsbüros arbeiten, sind nicht eingeschränkt bei der Kartierung – das ist ein Vorteil der Arbeit an der frischen Luft. Einfluss hat die Pandemie allerdings auf die Qualifizierung, die erfolgt jetzt vor allem durch Videokonferenzen. Um Artenkenntnisse zu erlangen, muss man aber ins Gelände.

Was raten Sie Berufs- und Wiedereinsteiger*innen. Wie kann der Jobeinstieg gelingen?
Heike Milkowski: Zum einen kommt es auf viele praktische Tätigkeiten an, darauf, dass man möglichst viel ausprobiert und ­frühzeitig Erfahrungen sammelt in verschiedenen Tätigkeitsbereichen und darüber erste Kontakte knüpft. Zweitens sollte man sich auch schon frühzeitig anderweitig vernetzen. Das geht natürlich ganz gut über den Verband, zum Beispiel durch die aktive Teilnahme an Fachtagungen, oder durch die Teilnahme an Angeboten von Akademien und NGOs.

Wenn man sich im Verband engagieren möchte, was bieten sich für Möglichkeiten?
Es gibt verschiedene Formate, es kommt hier darauf an, was man sucht. Zum einen gibt es in allen Bundesländern Regionalgruppen oder Mitgliedsverbände, wo man vor Ort mitarbeiten kann. Zum anderen haben wir fachgebundene Arbeitskreise, bei denen man einsteigen kann. Wenn man sich auf ein Fachgebiet spezialisiert hat oder spezialisieren möchte, findet man da Experten und Expertinnen, die auch gemeinsam hochkarätige Stellungnahmen entwickeln. Hier kann man sich auf hohem fachlichen Niveau vernetzen.

Welche Arbeitskreise gibt es denn?
Heike Milkowski: Wir haben zum Beispiel die Arbeitskreise Landschaftsplanung, Arten- und Biotopschutz, Erneuerbare Energien und Naturschutzverwaltung, wo man sich um die Belange der Kollegen und Kolleginnen in der Verwaltung kümmert. Es werden aber auch immer wieder neue Arbeitskreise ins Leben gerufen bei Themen, die situationsbezogen aufkommen. Hier besteht Bedarf, damit wir uns fachlich positionieren können.

Wir werden gerne gehört von der Politik, weil wir uns sehr kurzfristig zusammenschließen können und bei uns hohe Expertise zu holen ist – wir haben Professorinnen und Professoren aus den Universitäten und Leute aus Ministerien im Verband. So sind wir am Puls der Zeit, auch was aktuelle Gesetzgebung und politische Schwerpunkte angeht.

Hat eine Mitgliedschaft aus Ihrer Sicht auch Vorteile bei der Jobsuche?
Heinz-Werner Persiel: Aktiv im Netzwerk des BBN zu sein, bedeutet zunächst ein gewisses Renommee. Man zeigt damit, dass Interesse und Aufmerksamkeit für das Berufsfeld bestehen. Ist man sogar aktiv dabei, kann man seine Expertise gezielt für Bewerbungen einbringen.

Von was profitieren Ihre Mitglieder sonst noch?
Heike Milkowski: Wir bieten regelmäßig Veranstaltungen und Fortbildungen an, auch in Kooperation mit anderen Verbänden, wie die Bundesfachtagung Naturschutzrecht, „Natur in der Stadt“ sowie Weiterbildungen auf dem Gebiet der Artenkenntnis. Größter Kongress ist der alle zwei Jahre stattfindende Deutsche Naturschutztag (DNT) mit über 1.000 Teilnehmenden – hier trifft sich das „Who is Who“ im Naturschutz, um über aktuelle Themen des Naturschutzes zu informieren, zu diskutieren und zu netzwerken.

Daher würde ich jedem, der einsteigt oder wieder einsteigt, empfehlen da hinzugehen, denn da sind wirklich all die Menschen, die im Naturschutz engagiert sind. Die Tagung ist offen für alle. Wir hoffen sehr, dass wir uns diesmal im Sommer wieder live sehen dürfen. Digital war zwar auch toll, aber das digitale Format kann die persönliche Vernetzung nicht ersetzen, die Pausengespräche, den Flurfunk, die netten Kontakte und die fünf Visitenkarten, die man mit nach Hause nimmt.

Gibt es im Verband auch ein Mentoring-Programm oder etwas Ähnliches?
Heike Milkowski: Wir sind sehr darum bemüht, junge Menschen beim Einstieg in den Beruf zu unterstützen. Die Diskussion über ein Mentoring haben wir tatsächlich mehrmals im Bundesvorstand geführt. Eine entsprechende Qualitätssicherung und Logistik ist derzeit für den ehrenamtlich aufgestellten BBN aber nicht zu leisten.

2018 haben wir aber erstmalig das „Berufsfeldforum Naturschutz“ beim DNT durchgeführt, bei dem sich junge Menschen bei Vorträgen und im direkten Gespräch über berufliche Perspektiven im Naturschutz informieren konnten. Dies wird auch beim kommenden DNT in Hannover am 28. Juni 2022 wieder stattfinden. Darüber hinaus gibt es mit unserem „Lotsenprogramm“ ein Rahmenprogramm für DNT-Neulinge.

Bundesverband Beruflicher Naturschutz e.V. (BBN)

Der BBN wurde 1947 zunächst als Arbeitsgemeinschaft Deutscher Beauftragter für Naturschutz und Landschaftspflege (ABN) gegründet. 1996 erfolgte die Umbenennung. Der Verband hat rund 580 Mitglieder, zusätzlich rund 1.500 über die neun Mitgliedsverbände. Die Vorteile einer Mitgliedschaft sind:
  • Zwei Newsletter: BBN-Infos zu tagesaktuellen Themen und Stellen-Newsletter
  • Verbandszeitschrift (einmal jährlich)
  • Jahrbuch mit allen Beiträgen vom Deutschen Naturschutztag
  • Austausch und Vernetzung in Regionalgruppen und Arbeitsgruppen
  • Veranstaltungen und Fortbildungen
  • Rabatte bei Veranstaltungen
  • Unterstützung für Fachkräfte, die sich selbstständig machen wollen
Kosten:
  • 135 Euro (120 Euro mit Abbuchungsvollmacht) für Vollmitglieder
  • 40 Euro für Studierende oder Erwerbslose. Das erste Jahr der Mitgliedschaft ist beitragsfrei.
  • Möglichkeit für Büromitgliedschaften
Webseite:
  • Infodienst-Trainee-Stellen Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben den Artikeln im Online-Magazin bietet das Abo-Produkt mehrere hundert ausgewählte aktuelle Stellen pro Wochen – von Montag bis Freitag aktualisiert und handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
  • Die Abonnentinnen und Abonnenten erhalten durch den redaktionellen Teil und die Stellen-Datenbank einen breiten und dennoch konkreten Überblick über derzeitige Entwicklungen in Berufsfeldern und Branchen, können sich anhand der ausgewählten Jobs beruflich orientieren und bleiben so bei der Jobsuche am Ball. Unsere Erfahrung: Viele Abonnent*innen stoßen auf Tätigkeiten, die sie gar nicht auf dem Schirm hatten.

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