Risiken des Klimawandels mildern
Für eine der größten Herausforderungen unserer Zeit gibt es in Deutschland nun eine zentrale Anlaufstelle: Im Sommer hat das neue „Zentrum Klimaanpassung“ eröffnet. Hier erhalten Fachkräfte aus Städten, Landkreisen und Gemeinden kompetente Unterstützung.
Text: Christine Lendt
Das Zentrum Klimaanpassung (ZKA) unterstützt bundesweit Kommunen und soziale Einrichtungen beim Aufbau von Wissen bezüglich geeigneter Strategien und Maßnahmen zur Klimaanpassung. Mit vielfältigen Beratungs- und Fortbildungsangeboten bietet es den dortigen Fachkräften Orientierung und informiert über die Förderprogramme des Bundes und der Länder. Ziel ist außerdem, eine breite öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen und alle betroffenen Akteur*innen zu vernetzen. Getragen wird das ZKA vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Kooperationspartner ist adelphi consult, eine Denkfabrik für Klima, Umwelt und Entwicklung.
„Städte, Gemeinden und Landkreise sollten als Vorreiter, Impulsgeber und Taktgeber für eine vorsorgende, klima- und generationengerechte Entwicklung aktiv werden und sich auch als solche verstehen“, betont Dipl.-Ing. Jens Hasse. Er ist Leiter des ZKA und außerdem Teamleiter Klimaanpassung und Stadtökologie im Difu am Standort Köln. Nach seiner Einschätzung besteht ein dringender Handlungsbedarf darin, den Klimaschutz voranzutreiben und gleichzeitig durch Klimaanpassung vorsorgend tätig zu werden, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen.
„Nur so kann es gelingen, unsere Wohn- und Gewerbegebiete, Gebäude und Infrastrukturen robuster und anpassungsfähiger zu gestalten. Lebensqualität, Sicherheit und Gesundheit benötigen Vorfahrt.“ Gefragt seien ein gemeinsames öffentliches und privates Engagement, aber auch Informationen, Förderungen, Anreize und andere Unterstützungen für die Vorsorge, um die (Klima-)Resilienz in Städten und Gemeinden sowie allgemein in der Gesellschaft kontinuierlich zu verbessern.
Online-Sprechstunde
Informationen vermittelt das ZKA über verschiedene Angebote. Jeweils mittwochs können sich ratsuchende Akteur*innen zum Beispiel in der Online-Sprechstunde zu einem Schwerpunktthema beraten lassen. Schon seit Beginn dieser Veranstaltungsserie sei das Interesse der Kommunen groß, besonders beim Thema Starkregenvorsorge. Dies hänge sicherlich auch eng mit den dramatischen Hochwasser-Geschehnissen im Sommer zusammen. „Aber natürlich setzen sich Kommunen und soziale Einrichtungen bei der Klimaanpassung auch mit etlichen weiteren Themenbereichen auseinander“, stellt Beraterin Luise Porst fest.
„Mit der Hitzevorsorge beispielsweise. Aber auch Themen wie Gebäudegrün, klimaresiliente Stadtbäume oder die Integration von Klimaanpassung in die Bauleitplanung treiben die Akteure und Akteurinnen in der Klimaanpassungspraxis um.“ Die Expertin entwickelt Themen unter anderem für die Online-Sprechstunde, bei der nach einem Impuls-Vortrag Teilnehmende die Gelegenheit haben, Fragen zum Thema zu stellen, und die Workshops zum Thema Klimaanpassung.
Ihre Spezialgebiete sind die Analyse von Klimarisiken, Klimaanpassung und räumliche Planung sowie soziale Resilienz. Ihr bisheriges Fazit: Nicht alle Kommunen und sozialen Einrichtungen stehen am selben Punkt, sondern sind unterschiedlich weit in ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema. „Was zählt, ist, dass die gesamte Praxiserfahrung des komplexen Themas Klimaanpassung ausgetauscht und Erfahrungswissen weitergegeben werden kann.“
Immer wieder stehen die Akteur*innen in Kommunen beispielsweise vor der Herausforderung, das Thema Klimaanpassung ressortübergreifend zu bearbeiten, um den Weg für eine Umsetzung entsprechender Maßnahmen zu ebnen. Häufig mangelt es laut Luise Porst auch an Personal und finanziellen Ressourcen, um diese Thematik in der täglichen Arbeit der Kommunalverwaltung oder sozialen Einrichtungen ausreichend zu berücksichtigen.
„Ausschlaggebend für die Realisierung von Klimaanpassung ist deshalb eben auch der Wille von Entscheidungsträgern, das heißt der Politik vor Ort, das Thema ganz weit nach oben auf die Agenda zu setzen.“ Dies zu forcieren und mit Beratungen sowie Fortbildungen zu informieren, wie sich entsprechende Maßnahmen in Kommunen und in sozialen Einrichtungen umsetzen lassen, ist eine wesentliche Aufgabe des ZKA.
Großer Beratungsbedarf zu Fördermitteln
Die Resonanz sei riesig, der Bedarf an Information groß, bestätigt Dr. Andrea Fischer-Hotzel. Als stellvertretende Projektleiterin ist sie verantwortlich für den Zentrumsbereich Beratung. „Seit Beginn unserer Arbeit informieren sich Akteure in Kommunen und sozialen Trägern über unsere Beratungshotline individuell zu den Fragen der Klimaanpassung, den Fördermöglichkeiten, zu Konzepten und zur Umsetzung von Maßnahmen.“ Per Mail oder über die Hotline, die von Montag bis Freitag besetzt ist, können Anfragen an die ZKA-Fachexpert*innen gestellt werden. Auch Anpassungsworkshops fänden zunehmend Anklang.
Andrea Fischer-Hotzel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Difu und berät als Expertin im ZKA die Kommunen sowie andere Akteure im Bereich kommunaler Klimaschutz und Klimaanpassung. Dabei beschäftigt sie sich mit Förder- und Handlungsmöglichkeiten zum Thema Klimaanpassung. „Das größte Interesse der Kommunen sehen wir derzeit bei der Beratung zu Fördermitteln.“ Konkret kristallisieren sich demnach zwei Förderbedarfe als besonders relevant heraus: die Finanzierung von Personal sowie von Klimaanpassungskonzepten.
„Daraus schließen wir, dass die Kommunen aktiv Handlungswissen in den Verwaltungen aufbauen, um Klimaanpassung fachbereichsübergreifend zu verankern.“ Da jede Kommune durch ihre geografische Lage anders von den Folgen des Klimawandels betroffen sei, beständen auch unterschiedliche Anforderungen an entsprechende Konzepte. „Unser Auftrag ist es, individuell zu beraten und Experten oder Expertinnen aus unserem Pool zu vermitteln.“
Grüne Anpassungsvision
Ihr Kollege Philipp Reiss, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Difu, ist beim ZKA zuständig für Vernetzung, Veranstaltungen und Erfahrungsaustausch. Er hat eine klare Vorstellung davon, wie die Städte in Deutschland im Jahr 2050 aussehen könnten, wenn das Zentrum sein Ziel erreicht, die Klimaanpassung deutschlandweit in den Kommunen zu verankern:
„Es gibt begrünte Gebäudedächer, die ein besseres Klima schaffen, es gibt überhaupt viel Grün in der Stadt als Hitzeschutz und Wasserspeicher“, schildert Reiss und ergänzt: „Der Autoverkehr ist massiv reduziert, damit sich der Ausstoß von Treibhausgasen im Rahmen hält. Flächen sind so angelegt, dass Wasser im Falle von Starkregen versickern kann. Genauso führen Innenhöfe und Plätze mit wasserdurchlässigem Material zu einer Entsiegelung der heute oft vorhandenen Betondecke.“
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Nach Einschätzung des Experten ist dafür eine flächendeckende Kommunikation über alle nur denkbaren Kanäle vonnöten, die das Thema Klimaanpassung in die Kommunen trägt. „Bis dahin gilt es, Handlungswissen zur Klimaanpassung auszutauschen und sich untereinander zu vernetzen mit erfolgreichen Projekten, die anderen zeigen, wie es geht.“
Das Thema Klimaanpassung sei ein Querschnittsthema, das ein gemeinsames Handeln verschiedener Akteursgruppen erfordert. Deswegen bringt das Zentrum die relevanten Akteur*innen zusammen und organisiert in diesem Jahr unter anderem eine Vernetzungskonferenz, regionale Klimawerkstätten und Fortbildungsveranstaltungen für Klimaanpassungsmanager*innen.
Regionale Unterschiede
Bezogen auf den Klimawandel ständen die globalen Herausforderungen fest, wie Dipl.-Ing. Walter Kahlenborn weiß. Der Wirtschaftsingenieur ist Geschäftsführer von adelphi consult und einer der Co-Leitungen des ZKA. „Klimawandel äußert sich vor allem lokal, die Klimarisiken zeigen auch große regionale Unterschiede“, erläutert der Experte. „Extremwetterereignisse werden sich weiter häufen, doch lässt sich kaum prognostizieren, wo und wann diese auftreten.“ In Ballungsräumen bereitet die Hitze ein besonderes Problem, in anderen Gegenden sind es Hochwasser und Sturmfluten.
So ist etwa im Raum Berlin und Brandenburg die Trockenheit besonders hoch und im Oberrheingraben die Hitze. Dazu drohen in den Mittelgebirgen Sturzfluten, wie sich in diesem Jahr zeigte. Und der Meeresspiegelanstieg betrifft nicht nur die Küsten selbst: Große Flächen in Norddeutschland haben mit zunehmendem Entwässerungsbedarf zu kämpfen. Anpassungsmaßnahmen können hilfreich sein, um die Schäden bei extremen Wetterereignissen geringer zu halten. „Ein Restrisiko wird bleiben, und Klimaanpassung kann davor nicht schützen, resümiert Kahlenborn. „Denn Anpassung braucht viel Zeit, deswegen besteht ein dringender Handlungsbedarf.“
Maike Voß, Beraterin bei adelphi, entwickelt und betreut beim ZKA die Bildungsangebote. Sie arbeitet unter anderem zu den Themen Analyse von Klimarisiken und transformative Anpassungsprozesse. „Viele Kommunen wissen, dass sie über den präventiven Klimaschutz hinaus den Folgen des Klimawandels vor allem durch Anpassungsmaßnahmen begegnen müssen“, bestätigt die Expertin.
Doch wie können diese in der Kommune umgesetzt werden? Wie lassen sich alle Akteur*innen für die meist ressortübergreifenden Maßnahmen ins Boot holen? Und welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es für partizipative Prozesse? „Das sind Fragen, die in unseren Online-Workshops immer wieder auftauchen. Doch die konkreten Schwerpunkte sind in jeder Kommune anders gelagert.
Da geht es mal um Starkregen-Risikomanagement, um Hitzevorsorge oder um Klimaanpassung in der Stadt- und Bauleitplanung.“ Nicht alle Kommunen starten in Sachen Klimaanpassung vom gleichen Punkt aus; entsprechend unterschiedlich groß ist der Bedarf an Beratung und Fortbildung. „Mit dem Zentrum Klimaanpassung und unseren Fortbildungsangeboten möchten wir Wissenslücken schließen und den Austausch untereinander anregen“, so die Expertin.
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