„Wir verhelfen zu Sichtbarkeit“
500 Frauen sind im Schwäne-Netzwerk. Regina Sandig (Mitte), Martha Dudzinski (unten rechts) und ihr Team leiten es. Foto: Mina Esfandiari

„Wir verhelfen zu Sichtbarkeit“

Die Swans Initiative ist ein Netzwerk für hochqualifizierte Frauen mit Migrationsgeschichte. Warum diese Zielgruppe mehr Förderung braucht, erklären Martha Dudzinski und Regina Sandig. Sie kämpfen dafür, dass Diskriminierung nicht stärker sein darf als Expertise.

Interview: Katrin Poese 

WILA Arbeitsmarkt: Der Schwan steht bei Ihnen symbolisch für das Frauenbild „weiß, hübsch und bitte nicht bissig“. Davon grenzt sich Ihre Initiative ab. Welches Frauenbild wollen Sie unterstützen?
Regina Sandig: Kein bestimmtes, sondern eher, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, eine Frau zu sein. Dass Frauen nicht reingepresst werden sollen in bestimmte Stereotypen oder Rollen. Aber auch gut und gerne ein Frauenbild, das bisherige Normen aufbricht. Also dass auch akzeptiert wird, dass Frauen eben auch laut sein können, dass sie einstehen für sich, für ihre Interessen, ihre Bedürfnisse und Wünsche.


 
„Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, [...], müssen beispielsweise schon während der Schulzeit ganz andere Verantwortung übernehmen für die Familie.“
 

 

Sie fordern: „Mehr Fatmas in die Führungsetagen!“ Warum hat es eine Fatma in der Arbeitswelt schwerer als eine Christine?
Regina Sandig: Das hat mit der Überlappung von unterschiedlichen Formen der Diskriminierung zu tun. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem weitestgehend Konsens ist, dass mehr Frauen in Führungspositionen gelangen oder generell angemessener repräsentiert werden sollten. Dabei wird aber vergessen, dass durch den sozialen Hintergrund, die ethnische Herkunft oder die religiöse Zugehörigkeit einer Person noch andere Formen von Benachteiligung entstehen. Tatsächlich ist es so, dass wir bei Swans eine Zielgruppe fördern, die alles tut, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein und an dem Punkt keine weitere Unterstützung brauchen sollte. Aber oft fehlen die Netzwerke, weil die Eltern eben zugewandert sind. Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, oftmals in Verschränkung mit einem bildungsbenachteiligten Hintergrund, müssen beispielsweise schon während der Schulzeit ganz andere Verantwortung übernehmen für die Familie. Sie können dementsprechend nicht in gleichem Maße teilhaben an der Gesellschaft, sich nicht in gleichem Maße weiterqualifizieren, ins Ausland gehen, Praktika machen und so weiter. 


 
„Mit unseren Seminaren schaffen wir Räume, in denen sich die Frauen vernetzen, aus sich herauskommen können.“
 

 

Mit welchen Bausteinen unterstützen Sie solche Frauen?
Regina Sandig: Klassisch haben wir angefangen mit unseren Seminaren, bei denen unsere Schwäne, wie wir sie nennen, physisch zusammenkommen. Dort schaffen wir Räume, in denen sie sich vernetzen, aus sich herauskommen können, manchmal das erste Mal merken, dass sie mit ihren Erfahrungen nicht alleine sind. Wir bieten auch Webinare, einen Bewerbungscheck durch eine professionelle Personalerin, Mentoring, Coaching und systemisches Coaching an. Das Herzstück ist unser Netzwerk. 

Martha Dudzinski: Ganz wichtig ist auch, die Community sichtbar zu machen. Also dass wir Schwänen die Möglichkeit geben, auf Podien zu sitzen, sich interviewen zu lassen, als Expertinnen, als Trainerin irgendwo aufzutreten. Unser Anliegen ist, ihnen Zugänge zu Ressourcen und Jobs zu ermöglichen, zu Sichtbarkeit, die sie vielleicht ansonsten nicht bekommen würden. 

Welche Frauen begegnen sich im Schwäne-Netzwerk?
Martha Dudzinski:  Wir haben auf der einen Seite Frauen, die sich eigentlich nicht unbedingt mit der Zielgruppe identifizieren, sondern wegen des attraktiven Angebotes zu Bewerbungstraining, Leadership oder Gehaltsverhandlungen zu uns kommen. Sie stellen dann erst fest: Es ist schön, Leute zu treffen, die verstehen, warum ich es so schwer hatte. Da wird ein emotionales Bedürfnis gestillt, von dem sie gar nicht wussten, dass sie es hatten. Die zweite Gruppe kommt gerade wegen der diskriminierungskritischen Themen und des Netzwerks aus Gleichgesinnten zu uns. Als dritte Gruppe sind Frauen bei uns, denen einfach noch ganz viele Zugänge fehlen, zum Beispiel zu Coaching und Stipendien. Die Idee ist, Netzwerke zu schaffen für Leute, die vorher keine Netzwerke hatten. 

Wer kann teilnehmen und wie kann man sich bewerben?
Martha Dudzinski: Es gibt zwei Möglichkeiten. Um dem Netzwerk beizutreten, gibt es bei uns auf der Website ein Formular unter swans-initiative.de. Etwa jedes halbe Jahr sichten wir die Bewerbungen. Außerdem kann man sich auch um einen Platz für unsere Präsenzveranstaltungen bewerben. Gedacht ist das Ganze für Frauen, die im deutschsprachigen Raum zur Schule gegangen sind, hier Abitur gemacht haben und jetzt studieren, Absolventinnen oder berufstätig sind und deren Familie eine Migrationsgeschichte hat – oder die Schwarze Frauen oder Women of Colour sind.

  • Infodienst-Trainee-Stellen Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben den Artikeln im Online-Magazin bietet das Abo-Produkt mehrere hundert ausgewählte aktuelle Stellen pro Wochen – von Montag bis Freitag aktualisiert und handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
  • Die Abonnentinnen und Abonnenten erhalten durch den redaktionellen Teil und die Stellen-Datenbank einen breiten und dennoch konkreten Überblick über derzeitige Entwicklungen in Berufsfeldern und Branchen, können sich anhand der ausgewählten Jobs beruflich orientieren und bleiben so bei der Jobsuche am Ball. Unsere Erfahrung: Viele Abonnent*innen stoßen auf Tätigkeiten, die sie gar nicht auf dem Schirm hatten.

Weitere WILA-Angebote