„In unseren Köpfen steckt viel mehr“
Archäologische Funde sind selten komplett intakt: Wer herausfinden will, wozu die Scherben oder Fragmente gehören, braucht häufig viel Geduld.

„In unseren Köpfen steckt viel mehr“

Gemeinsam stark im Verband (04): Neugierde, Ausdauer, Teamfähigkeit – solche Soft Skills zeichnen Archäolog*innen aus und sind nicht nur bei Ausgrabungen gefragt. Ob zu Karriere- oder Fachthemen, der Deutsche Archäologen-Verband bietet Infos und Austausch.

Text: Nicole Kretschmer 

Wie viele Geisteswissenschaftler*innen müssen sich auch Archäologinnen und Archäologen immer wieder mit Klischees auseinandersetzen. Dabei ist es keineswegs so, dass alle Fachkräfte den ganzen Tag im Sand graben oder Taxi fahren – ganz im Gegenteil! Auf sie warten ganz unterschiedliche und spannende Tätigkeitsfelder, weiß Dr. Patrick Schollmeyer, Vorsitzender des Deutschen Archäologen-Verbandes (DArV): „Zunächst gibt es die rein fachlichen Tätigkeiten. Hierzu gehört die Arbeit in Museen, Universitäten und Forschungsinstituten, aber auch Tätigkeiten im Bereich der Bodendenkmalpflege in Deutschland. Diese könnte man als klassische Berufsfelder von Archäolog*innen bezeichnen.“

In ausgewählten Fachbibliotheken, Fachverlagen oder in der Vermittlung zu arbeiten, bedeutet in fachnahen Bereichen beruflich aktiv zu sein. Bereits hier zeigt sich schon eine große Bandbreite an Berufen, die Archäolog*innen wählen können: Wissenschaftlerin, Ausgrabungsmitarbeiter oder -leiterin, Projektmanagerin, Bibliothekar, Fachjournalistin oder auch Kurator und Sammlungsleiterin. 

„Im Verband gibt es dann noch eine ganze Reihe an Mitgliedern, die in ganz anderen, fachfremden Berufen tätig sind, in denen auch die Fähigkeiten gefragt sind, die sie im Studium der Archäologie oder Altertumswissenschaften erworben haben“, berichtet Schollmeyer. Dazu zählen zum Beispiel Berufsfelder wie Wissenschaftsmanagement, Programmmanagement, Finanzberatung oder Consulting, Changemanagement oder sogar Informationsmanagement und Content-Management im Social Media-Bereich. Sich so breit aufzustellen, ist auch notwendig, denn der Arbeitsmarkt bietet in den rein fachlichen und fachnahen Tätigkeiten zu wenig Stellen für alle Absolvent*innen.

„Die fachlichen Stellen eben als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder wissenschaftlicher Mitarbeiter an Universitäten, Forschungsinstituten oder in Museen sind ausgesprochen rar gesät und das wird auch nicht üppiger“, so Schollmeyer. Durch Drittmittelprojekte konnten zwar einige neue Stellen geschaffen werden, die jedoch allesamt befristet sind und folglich keine Dauerbeschäftigungsperspektive bieten. Hinzu kommt, dass sich gerade Berufseinsteiger*innen häufig mit einem Teilzeitvertrag zufrieden geben müssen.   

Zudem gehört die Kultur zu jenen Bereichen, die besonders von der Corona-Pandemie betroffen sind. Das hat vor allem Auswirkungen auf freie Mitarbeiter*innen, die beispielsweise als Honorarkräfte Museumsführungen anbieten oder bei Ausgrabungen unterstützen. Aktuell sind das jedoch eher einzelne Gruppen, die betroffen sind, wie eine Mitgliederbefragung im Deutschen Archäologen-Verband ergab.

Ob Stellen zukünftig durch die Pandemie wegfallen oder wie sich der Arbeitsmarkt der Archäolog*innen durch Corona zukünftig entwickelt, könne man noch nicht sagen, berichtet Scholllmeyer: „Auch die Archäologie ist keine Disziplin, der derzeit eine hohe Relevanz zugeschrieben wird. Als Geisteswissenschaftler oder Geisteswissenschaftlerin hat man daher schon ein gewisses Unbehagen, was passieren wird, wenn die Corona-Krise mit harter Münze bezahlt werden muss.“  

Ein Koffer voller Fähigkeiten

Wer im Studium gelernt hat, welche Geschichten sich hinter ein paar im Boden gefundener materieller Überreste aus vergangen Zeiten verbergen, bringt mehr als nur Fachwissen mit. „Die berühmten Scherben und Fragmente, die wir finden, erzählen uns ja nicht von alleine von ihren möglicherweise spannenden Kontexten. Diese müssen Archäolog*innen mit denen ihnen zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden herausfinden. Dafür benötigt es zum einen viel Ausdauer und Zielorientierung“, sagt Schollmeyer.

Hinzu kommen die Strapazen, die mit einer Ausgrabung vor allem in südlicheren oder nördlicheren Gebieten einhergehen. Diese müsse man auch aushalten können, um trotzdem gute Ergebnisse zu liefern. Herausforderungen anzunehmen gehört also ebenso dazu. Archäologinnen und Archäologen zeichnen sich zudem durch Neugierde, Kombinationsgabe und Kreativität aus.

Patrick Schollmeyer fügt hinzu: „Bei archäologischen Artefakten müssen Forschende immer mehrere Dinge gleichzeitig mitbedenken, da es sich ja um hochkomplexe Fragestellungen handelt. Am Ende müssen sie dann auch mitunter feststellen, dass man diese alleine nicht beantworten kann. Die besten unter uns Archäolog*innen sind also wahre Teamplayer.“ Denn bei archäologischen Untersuchungen braucht es auch einen guten Draht zu anderen Disziplinen wie etwa den Naturwissenschaften, um neue Erkenntnisse beispielsweise über untergegange Städte zu erlangen.

Die Kunst liegt darin, so ist sich Patrick Schollmeyer sicher, dass die Absolventinnen und Absolventen erkennen, welche Fähigkeiten sie abseits ihres Fachwissens aus dem Studium mitbringen. Wem das gelingt, kann auch gegenüber Personalabteilungen glaubhaft vermitteln, warum sie oder er für die ausgeschriebene Stelle top qualifiziert ist. Hier gilt es eben auch immer wieder, die Klischees à la Archäolog*innen im Indiana-Jones-Outfit zu überwinden, so Schollmeyer: „Unsere Chance ist es, im Überraschungsangriff zu zeigen, dass in unseren Köpfen viel mehr steckt als nur Wissen über beispielsweise antike Kunstwerke oder gar die immer wieder von Laien ins Spiel gerbachten geheimnisvollen Schätze.“

Nur mit Doktorhut? 

Die Promotion ist heutzutage kein Regelabschluss mehr in der Archäologie. Es gibt einige Fachkräfte, die sich bereits nach dem Bachelor-Abschluss anders orientieren oder nach dem Master den Berufseinstieg wagen. „Die Promotion wird deutlich als Einstieg in eine wissenschaftliche Laufbahn wahrgenommen, und das ist manchen einfach zu riskant“, sagt Schollmeyer. Zudem fehlt es auch an bezahlten Promotionsstellen, weshalb sich mehr Absolvent*innen für den Weg in Berufsfelder außerhalb der Wissenschaft entscheiden oder entscheiden müssen. Aber auch hier tut sich etwas: Durch Graduiertenkollegs bietet sich in jüngster Zeit häufiger die Chance, eine bezahlte Promotionsstelle zu ergattern. 

Für den Weg in den Job ist es für Absolventinnen und Absolventen der Archäologie dann entscheidend, sich im Vorfeld gut über Karrieremöglichkeiten zu informieren und praktische Erfahrungen zu sammeln, damit auch ein Einstieg in den außeruniversitären Arbeitsmarkt gelingt. „Dabei sollten sie aber keineswegs ihre Begeisterung am Fach verlieren“, ergänzt Schollmeyer. 

Deutscher Archäologen-Verband (DArV)
Gegründet wurde der DArV 1970 und er hat zurzeit über 1.000 Mitglieder. Sie profitieren von:
  • regelmäßigen Newslettern mit Stellenangeboten und Hinweisen zu Konferenzen und Tagungen 
  • fachlichem Austausch in den Arbeitsgemeinschaften
  • freiem oder ermäßigtem Museumseintritt
  • finanzieller Förderung zur Teilnahme an Tagungen sowie gegebenenfalls Reisekostenzuschüssen für die Jahrestagung des Verbandes
Kosten
  • Jahresbeitrag für vollzahlende Mitglieder: 55 Euro
  • Mitglieder mit geringem Einkommen (beispielsweise Volontäre*innen oder Personen mit Zeitverträgen): 30 Euro 
  • Studierende, Bezieher*innen von ALG II: 20 Euro
Webseitewww.darv.de 

Wer sich später doch noch für eine Promotion entscheiden möchte, dem nützt eine Mitgliedschaft im DArV: Hier können Archäolog*innen, die im außeruniversitären Arbeitsmarkt tätig sind, Kontakte zu Professorinnen und Professoren knüpfen und bei diesen dann auch direkt anfragen, ob es dort eine Möglichkeit für eine Promotion gibt. Außerdem können sie sich über aktuelle Themen austauschen, um so beispielsweise ein geeignetes Promotionsthema zu finden. „Wir als Archäologen-Verband begreifen uns auch ein bisschen als Alumniverband für alle Archäologinnen und Archäologen, egal, in welchem Beruf oder in welchem Lebensabschnitt diese sind.“ 

Engagiert im Verband

Nicht nur bei einer späten Promotion kann der Verband unterstützen: Wer sich auch nach dem Berufseinstieg im außeruniversitären Arbeitsmarkt weiterhin mit seinem Fach verbunden fühlen möchte, findet hier eine ganze Reihe von Arbeitsgemeinschaften, in denen er oder sie sich einbringen kann. Thematisch geht es beispielsweise um Archäologie und Fotografie, Asien und Orient, aber auch um Studienreformen oder Karrieremöglichkeiten. Mitglieder können im Verband auch jederzeit eigene Themen einbringen. Neben Corona ist das Thema Diversität zurzeit sehr präsent, was zeigt, dass die Archäologie nicht nur in die Vergangenheit schaut, sondern auch die Gegenwart im Blick hat. 

Darüber hinaus können Mitglieder des DArV untereinander Kontakte knüpfen, um so zum Beispiel Tipps für den Berufseinstieg zu erhalten oder sich fachlich untereinander auszutauschen. „Am schönsten ist es dabei auf unserer Jahrestagung. Da sind viele Mitglieder dabei, und da kann man dann die entsprechenden Leute kennenlernen. Das wird auch sehr gerne von den jüngeren Mitgliedern genutzt“, erzählt Schollmeyer. 

Darüber hinaus erhalten die Mitglieder durch einen regelmäßigen Newsletter Zugang zu Stellenangeboten für Archäolog*innen. Mitglied werden können alle, die ein archäologisches Studium absolviert oder gerade aufgenommen haben. Ebenso können ausländische Archäolog*innen Teil des Verbands werden, sofern sie im deutschsprachigen Raum beruflich tätig sind.

  • Infodienst-Trainee-Stellen Der Artikel ist im WILA Arbeitsmarkt erschienen. Neben den Artikeln im Online-Magazin bietet das Abo-Produkt mehrere hundert ausgewählte aktuelle Stellen pro Wochen – von Montag bis Freitag aktualisiert und handverlesen speziell für Akademiker*innen mit einem generalistischen Studienhintergrund.
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