Spielregeln für die Arbeitsagentur
Geschickt und überzeugend verhandeln - so kommt man bei der Arbeitsagentur weiter. Foto: Arbeitsagentur

Spielregeln für die Arbeitsagentur

Antrag abgelehnt, Sperrzeit verhängt: Die Bescheide der Arbeitsagentur sorgen fast immer für Frust. Wer sich vorher schlau macht, kann viel Ärger vermeiden. Einige Tipps.

Von Andreas Pallenberg   

Post von der Agentur für Arbeit. Man ahnt nichts Gutes. Antrag abgelehnt, Sperrzeit verhängt oder eine Einladung zur Überprüfung der Verfügbarkeit? In den Augen der Betroffenen werden solche Bescheide oft als Zumutungen empfunden. Manchmal sind sie das auch.

Viel wichtiger ist allerdings, ob sie rechtens sind. Und das lässt sich prüfen. Schließlich gibt es bei jedem Bescheid eine Rechtsmittelbelehrung. Und da steht dann, wie und bis wann man der Entscheidung der Agentur oder des Jobcenters widersprechen kann. Der meiste Ärger ensteht aus Unkenntnis oder Schusseligkeit. Und zwar auf beiden Seiten.

Besonders oft entsteht Unmut im Bereich der Kann-Leistungen, also solchen guten Dingen, die die Behörde leisten kann, aber nicht muss. Da gibt es dann keine Ansprüche, auf die man sich rechtlich berufen könnte. Hier gilt es, Verhandlungsgeschick und Überzeugzungskraft zu zeigen.

Im Infokasten sind ein paar typische Beispiele mit hoher Streitdynamik aufgeführt, bei denen sich eine Agentur kulant zeigen oder den Rechtsstandpunkt einnehmen kann. Muss allein nach Aktenlage entschieden werden, wird bei einem Fehlverhalten schnell ein automatisiertes Sperrzeitverfahren eingeleitet. Das führt bei den Betroffenen oft zu Groll und Ärger: „Die stellen sich an! Unmöglich – typisch Arbeitsamt!“ Dann lebt das Feindbild, aber es ändert sich nichts.

Anspruch und Wirklichkeit – typische Konflikte mit der Arbeitsagentur

  • Es gibt Fort- und Weiterbildung, sogar Umschulungen, finanziert durch die Bundesagentur für Arbeit. Aber es gibt kein Recht darauf!
  • Es gibt die Erstattung von Bewerbungskosten bis hin zur Bezahlung von Fahrt- und Hotelkosten bei Bewerbungsgesprächen. Aber die Mittel sind begrenzt und es gibt kein Recht darauf. Vorher beantragen und anschließend nachweisen!
  • Es gibt Urlaub auch für Leistungsbezieher/innen. Aber dazu braucht man das Plazet der Berater/in. Nach dem Urlaub: Pünktlich und persönlich zurückmelden!
  • Man kann als Leistungsbezieher/in nicht ohne Weiteres ehrenamtlich arbeiten oder ein Praktikum machen. Unter Umständen geht das aber doch!
  • Man darf als Leistungsbezieher/in Nebenverdienste haben. Man muss sie aber anmelden und verrechnen lassen. Freibeträge und Werbungskosten können abgezogen werden. Da bleibt oft mehr übrig, als man denkt!
  • Wer 15 Stunden und mehr in der Woche arbeitet, ist nicht arbeitslos und bekommt kein Arbeitslosengeld. Aber es gibt Spielräume!
  • Angebotene Jobs muss man grundsätzlich akzeptieren. Die Vermittlung in Arbeit geht immer vor. Man kann aber darüber im Einzelfall reden, ob das für alle Beteiligten sinnvoll und zumutbar ist!
  • Angebotene Maßnahmen zur Fortbildung und Umschulung müssen grundsätzlich angetreten werden. Wer vorher deutlich macht, welche Maßnahmen für ihn sinnvoll sind, kann unnötigen Ärger vermeiden!
  • Wer eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld bekommt, kann dem erfolgreich widersprechen, wenn es für die sperrverursachenden Tatbestände akzeptable Gründe gibt. Was akzeptabel ist, findet sich in der einschlägigen Beratungsliteratur!  
  • Man muss bei Einladungen in die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter persönlich und pünktlich erscheinen. Wenn man aber zum Beispiel auswärts auf Jobsuche ist, kann man über Terminverschiebung reden. Man hat aber keinen Anspruch darauf. Und man muss das vorher klären!
  • Man muss Fristen einhalten. Zum Beispiel, bevor man absehbar arbeitslos wird. Melden kann man das auch telefonisch!
  • Man kann die Kosten für WILA Arbeitsmarkt von der Arbeitsagentur finanzieren lassen. Man hat aber kein Recht darauf! Gute Argumente dafür sollten Sie parat haben (hier unsere Tipps dazu als PDF).

Auch die Arbeitsagentur und die Jobcenter machen Fehler. Viele Bescheide sind fehlerhaft. Wer sich darüber nur ärgert, verpasst vielleicht Fristen für das Einlegen von Rechtsmitteln. Widersprüche bzw. Einsprüche haben nachweislich eine relativ hohe Erfolgsquote. Dazu muss man rechtzeitig schriftlich und nachweisbar reagieren. Wenn es eng wird, können Begründungen auch nachgereicht werden.

Geht es um einen handfesten Rechtsstreit, sollte man anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Das kostet Geld, wenn man keine passende Rechtsschutzversicherung hat. Bedürftige Leistungsempfänger/innen (ALG II bzw. Hartz IV-Bezieher/innen) können aber (fast) unentgeltlich Rechtsberatung und Anwaltshilfe bekommen. Vom Einspruch bis zur Klage.

Dazu brauchen sie zum Einstieg einen „Beratungsschein“ vom Amtsgericht. Dieses prüft die grundsätzliche Erfolgsaussichten und übernimmt dann zunächst die Kosten für eine Beratung durch einen selbst gewählten Rechtsanwalt. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Bescheiden und Informationen über Rechte und Pflichten gibt es auch bei den zahlreichen Arbeitsloseninitiativen.

Für Selbstkämpfer/innen gibt es gute Beratungsliteratur mit Musterbriefen, Tipps und eindeutigen Hinweisen über mögliche Wege, zu seinem Recht zu kommen. Diese werden regelmäßig den sich verändernden Rechtssituationen angepasst.

Jobcenter und die Agentur für Arbeit sind trotz aller Episoden und Anekdoten an einem konstruktiven Umgang mit ihren Kund/innen interessiert. Was wie selbstverständlich klingt, ist im Einzelfall nicht immer unmittelbar erkennbar. Deshalb sollten die Kundinnen und Kunden auch dann aktiv, rechzeitig und initiativ agieren,, wenn es mal hakt und sich die Behördenvertreter/innen mal etwas schwer tun mit Lösungen jenseits der ausgetretenen Pfade.

Links und Literatur 

  • Tacheles Sozialhilfe - sehr engagierter Verein, wenn es um die Rechte von Arbeitslosen geht
  • Frank Jäger/Harald Thomé: Leitfaden ALG II/Sozialhilfe ISBN: 978-3-932246-66-1, 2015, 592 Seiten, Kosten: 13,50 Euro
  • Arbeitslosenprojekt TuWas (Hrsg.): Leitfaden für Arbeitslose. Der Rechtsratgeberzum SGB III (ALG-I). Im selben Verlag gibt es auch einen Leitfaden für den Rechtsbereich ALG-II. Wird bei Bedarf fast jährlich auf den neuesten Stand gebracht.

Nicht jede/r Berater/in bei der Agentur kennt sich bei allen Studienrichtungen aus. Noch weniger sind sie in der Lage, passende Stellen aus dem Ärmel zu ziehen. Nehmen Sie die Gespräche aktiv in die Hand. Berichten Sie davon, was sie können, wohin Sie wollen und was Sie bisher unternommen haben. Aber auch die eigenen Rechte sollten Sie nach guter Vorrecherche unmissverständlich einfordern.  

Noch besser: Man geht zur Agentur für Arbeit, bevor es brennt: Vor dem Studienabschluss, vor Ende des Freiwilligenjahres, vor Ende des Arbeitsverhältnisses, vor dem Wiedereinstieg. Am besten noch mit dem Status des Arbeitsuchenden und noch nicht mit dem Antrag auf Leistungen.

Dann kommt man in eine Beratungssituation, die noch frei von Druck und Sanktionen ist, weil es noch keine gibt. Dann geht es um Prävention im Vorfeld möglicher Arbeitslosigkeit. Man hat meistens einen inhaltlich passenden Ansprechpartner und kann sich offen über Möglichkeiten beraten lassen.

Als aktiver Arbeitsuchender wird man ganz anders wahrgenommen, nicht als Taktierer, nicht als potenzieller Leistungserschleicher und schon gar nicht als Arbeitsverweigerer. Natürlich wird sowas niemandem unterstellt, aber auch Berater/innen sind Menschen und müssen sich einiges anhören. Ohne diese gedankliche Ebene sind Berater/innen offener und auch eher bereit, mit engagierten und aktiven Jobsucher/innen individuelle Strategien zu entwickeln. Und plötzlich werden auch Entscheidungsspielräume erschlossen, die sonst eher zurückgehalten werden.

  • Haben Sie ähnliche oder andere Erfahrungen gemacht? Wir sind daran interessiert und veröffentlichen sie auch anonym. Schreiben Sie eine Mail an redaktion (at) wila-arbeitsmarkt (punkt) de. 
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