Alle auf dem Weg zur Arbeit, nur man selbst nicht: Unsere Leserin beschreibt verzweifelt ihre Suche nach Arbeit. Foto: Fotolia.de / © Iakov Kalinin

"Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll"

Seit zehn Jahren bewirbt sich eine Leserin vergeblich – und sehnt sich nach einer Pause. Die Hoffnung will sie trotzdem nicht aufgeben, wie sie in diesem Leserbrief berichtet.

Auch ich habe studiert, irgendwo in Deutschland. Das war es dann auch. Damit hat die Pechsträhne angefangen, die bis heute andauert. Zunächst musste ich die Zeit meiner Examensarbeit verlängern. Eigentlich hätte ich für den Übergang, um meinen Lebensunterhalt sicherzustellen, bereits eine Stelle gehabt. Doch daraus ist nichts geworden.

Also bin ich von meinem Studienort wieder zu meinen Eltern gezogen. Ein schwerer Fehler, wie sich noch herausstellen sollte. Denn jetzt kamen die Absagen, nichts als Absagen, kaum Einladungen zu Vorstellungsgesprächen. Die Fragen, ob ich denn überhaupt wegziehen wollte. Natürlich wollte ich, sonst hätte ich mich nicht beworben! 

"Jetzt als Packerin oder Putzhilfe arbeiten?"

Schließlich habe ich nach ein paar Jahren der Arbeitslosigkeit Hartz IV beantragen müssen. Nur für den Übergang, wie ich zunächst gedacht habe. Daraus ist jedoch eine Dauerlösung geworden. Es bedeutet für mich, dass ich sparsam leben muss. Noch sparsamer als ich es im Studium getan habe. Jede Ausgabe muss ich mir drei Mal überlegen.

Von Seiten der Behörde wird dem Arbeitslosen die Schuld an seiner Lage gegeben. Es wird gesagt man soll sich als Packerin, Putzhilfe etc. bewerben. Dort habe man ganz gewiss Erfolg.

Anfangs bin ich noch wählerisch gewesen, was die  Auswahl der Stellenangebote betrifft. Da habe ich mich nicht auf Tätigkeiten beworben, die nur eine Berufsausbildung erforderten. Das mache ich mittlerweile nicht mehr– obwohl ich für solche Stellen überqualifiziert bin, wie mir des Öfteren mitgeteilt wurde. Zudem hoffe ich immer noch, dort eingestellt zu werden. Leider ist das bisher nicht der Fall.

"Eine Teilzeitstelle annehmen lohnt sich für mich nicht"

Denn wenn mir tatsächlich eine Stelle in einem größeren Unternehmen angeboten wird, so ist es oft nicht die, auf die ich mich beworben habe, sondern eine andere in der Nähe meines Wohnortes, immer in Teilzeit. So eine Stelle anzunehmen, lohnt sich für mich überhaupt nicht. Denn das geringe Gehalt wird auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet. Außerdem muss ich die Fahrtkosten selbst bezahlen.

Zudem kam es vor, dass gesagt wurde: „Eine Langzeitarbeitslose stellen wir nicht ein. Da haben wir unsere Vorgaben. So etwas können wir nicht machen.“ Auch ich würde gerne für meine Rente arbeiten. Die Hoffnung darauf habe ich noch nicht ganz aufgegeben. Obgleich es immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich wird, eine Stelle zu finden.

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Also habe ich mir Hilfe gesucht: Ich habe Coachings mitgemacht, Rat bei Karriereberatern gesucht. Die meisten haben mir gesagt, es sei nur noch ein kleiner Schritt bis zur Einstellung, also nur nicht aufgeben.

Die Lust, mich zu bewerben, fehlt mir schon lange. Zumal ich weiß, dass eine Absage kommt. Wenn ich die finanziellen Mittel hätte, dann würde ich wegziehen, auch ohne Arbeit. Anfangs bin ich noch auf Tagungen gefahren. Jetzt kann ich mir solche Reisen nicht mehr leisten.

In all den Jahren, es sind jetzt mehr als zehn, habe ich sechs dicke Aktenordner voller Bewerbungen geschrieben bzw. entsprechend viele Absagen erhalten. Ich wünschte mir nur einmal, mich nicht mehr bewerben zu müssen. Denn ich weiß gar nicht wie es ohne ist. Bewerbungen schrei­ben muss ich, sonst werden mir die Leistungen gestrichen. Es ist schon frustrierend, auch wenn bereits ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten ist.

"Ich bin ratlos"

Langsam bin ich ratlos und weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Die meisten Möglichkeiten habe ich ausgeschöpft. An die Politik habe ich mich auch schon gewandt. Da hieß es dann  Praktikum machen.

Am sinnvollsten ist für mich das Angebot eines Politikers gewesen, der mir in einem persönlichen Gespräch angeboten hat, in einem Brief an das Jobcenter auf meinen Fall aufmerksam machen zu wollen. Das habe ich abgelehnt, da ich  im Jobcenter nicht weiter auffallen wollte.

"Dass Bildung, wie immer behauptet wird, vor Erwerbslosigkeit schützt, ist wohl ein Märchen."

Dass Bildung, wie immer behauptet wird, vor Erwerbslosigkeit schützt, ist wohl ein Märchen. Schön wäre es. Ich wünsche mir jedenfalls nichts mehr, als vom Hartz-IV-Bezug wegzukommen. Bei jedem Mal überlege ich mir, ob  ich noch einmal einen Antrag stellen soll.

Ich hoffe immer noch, dass es irgendwo jemanden gibt, der nicht so denkt wie alle anderen und mir eine Chance gibt. Mich würde es sehr freuen, denn dann kann ich endlich mein Bafög zurückzahlen. Es ist wie ein Teufelskreis: Absage, da keine Berufserfahrung. Keine Berufserfahrung, also keine Stelle. Am Ende frage ich mich schon: Wo bleibt mein Platz in diesem Arbeitsleben?

Die Antwort unserer Redaktion:

Teilzeitjobs, die sich nicht rechnen, weil sie auf die Sozialleistungen angerechnet werden: Grundsätzlich ist das natürlich nicht die Art von Beschäftigung, die Arbeitssuchende wollen und die wir im WILA Arbeitsmarkt als erstrebenswert betrachten.

Zu bedenken gibt es jedoch eines: Manchmal kann eine Teilzeitbeschäftigung zumindest für eine begrenzte Übergangsphase eine Chance sein. Mit ihr bekommt man einen Fuß ins Arbeitsleben, mit allen Möglichkeiten, die entsprechende Kontakte und Erfahrungen mit sich bringen.

Vielleicht wird aus der Stelle ja nach einiger Zeit eine Vollzeitstelle? Oder der Arbeitgeber lernt die Qualitäten des Beschäftigten zu schätzen und setzt ihn für mehr Aufgaben ein? Nicht zuletzt kann man auf diese Weise Berufserfahrung sammeln – die Arbeitssuchenden wie dieser Leserin fehlt, um aus dem beschriebenen Teufelskreis auszubrechen. 

Es könnte deswegen Sinn machen, eine Teilzeitstelle einmal testweise anzunehmen und sich gleichzeitig selbst eine Deadline zu setzen, wie lange man in diesem erst einmal unbefriedigendem, weil quasi unbezahlten Arbeitsverhältnis bleiben will. Wichtig ist es natürlich, dass es eine Stelle ist, die von der Arbeit her grundsätzlich zu einem selbst passt.

 

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