Raus aus der beruflichen Krise
Manche Kolleginnen und Kollegen können einen zur Weißglut bringen. Trotzdem sollte man besser ruhig bleiben. Foto: © vadymvdrobot / Fotolia.de

Raus aus der beruflichen Krise

Wenn es im Job zu Konflikten kommt, ist Handeln gefragt. Doch was ist am geschicktesten? Konfrontation, Rückzug oder gar die Kündigung? Die Optionen schildert Daniela Lukaßen.

Es kriselt. Die Stimmung in der Firma ist schlecht, das Betriebsklima eine Katastrophe. Die Chefin stichelt, die Kollegen hetzen, und Konflikte drohen jeden Moment wieder hochzukochen. Dass es nicht immer nur berufliche Sternstunden gibt, ist sicherlich jedem bewusst. Und die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben wahrscheinlich schon berufliche Situationen miterlebt, in denen die Stimmung aufgeladen war und Konflikte im Vordergrund standen. Und die meisten wissen: Wenn immer wieder Spannungen im Job auftreten, gilt es zu handeln.

Wer den Kopf in den Sand steckt und versucht, Unstimmigkeiten zu ignorieren, zieht dabei schnell den Kürzeren. Doch was ist in einer solchen Situation angemessen? Sollte man auf Provokationen durch Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte eingehen? Ist es ratsam, die Konflikte nach dem Motto „Augen zu und durch“ irgendwie zu umschiffen?

Oder zieht man lieber die Reißleine und versucht, kurzerhand eine neue Stelle zu finden und noch einmal ganz neu zu beginnen? Das richtige Verhalten in beruflichen Konfliktsituationen ist nicht einfach. Schließlich hängt davon der weitere Verlauf der eigenen Karriere ab. Dazu kommt: Patentrezepte gibt es nicht. Doch es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Betroffenen am besten mit entsprechenden Situationen umgehen können.

„Ich kann nur an mir selbst schrauben. Den anderen kann ich nicht verändern.“

Seit über 20 Jahren coacht und begleitet Dr. Susanne Klein Führungskräfte in Unternehmen. Einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit ist der richtige Umgang mit Konflikten. „Die Ursache für Unstimmigkeiten im Beruf besteht häufig in nicht gut abgeklärten Erwartungen bei allen Beteiligten“, weiß die Psychologin. Was erwartet mein Vorgesetzter von mir? Welche Vorstellung haben die Kolleginnen und Kollegen? Und wie erfülle ich meine Tätigkeit aus meiner Sicht am besten? Es sind häufig Fragen wie diese, die dafür sorgen, dass Uneinigkeiten überhaupt entstehen.

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Denn oftmals fallen die Antworten sehr unterschiedlich aus. Und egal, ob es um das Erfüllen von Arbeitsaufgaben geht, um Rollenerwartungen oder Verhaltensmuster: Die Vorstellungen darüber sind vielfach sehr subjektiv. Gehen sie zu weit auseinander, kommt es zwangsläufig zu Unstimmigkeiten, aus denen langfristig Konflikte entstehen können. „Ganz vermeiden kann man diese Konflikte nicht“, betont Klein.

Was allerdings erlernt werden könne, sei der entsprechende Umgang damit. Dabei spiele besonders eines eine große Rolle: „Es ist wichtig, den eigenen Anteil an einem Konflikt zu erkennen“, erklärt die Beraterin. Denn an einer Auseinandersetzung seien immer mindestens zwei Personen beteiligt. „Um mit einem Konflikt also besser und sinnvoller umgehen zu können, muss man für sich selbst verstehen, inwiefern man beteiligt ist.“ Das sei eine wichtige Voraussetzung, um Auseinandersetzungen lösen zu können. Klein erläutert: „Ich kann nämlich immer nur an mir selbst schrauben. Den anderen kann ich nicht verändern.“ Wie es dann weiter geht, komme immer auf die Situation selbst an: „Wenn ich die Möglichkeit habe, etwas zu verändern, kann ich hinter diesem Konflikt einen Punkt machen.“

"Geht man nur noch mit einem schlechten Gefühl zur Arbeit, ist es manchmal besser, sich nach etwas Neuem umzusehen“

Ein Beispiel: Bekommt ein Mitarbeiter den Auftrag, eine Reihe von Zahlen zu recherchieren und übersichtlich zusammenzustellen, kann sein Ergebnis entweder zu Unstimmigkeiten führen oder für die Vorgesetzte zufriedenstellend ausfallen. Nämlich dann, wenn der Mitarbeiter, sofern er die Aufgabe annimmt, gleich versteht, wofür die Chefin die Übersicht braucht und worauf es ihr besonders ankommt. Schließlich kann er dann deutlich leichter in die richtige Richtung arbeiten. Genaue Absprachen und Nachfragen packen das Problem also häufig bei der Wurzel und sorgen so dafür, dass es unter Umständen gar nicht zu einem Konflikt führt.

Wenn die Spannungen zu groß sind....

Was geschieht aber, wenn Spannungen zu groß sind und wenn es nicht möglich ist, durch kurzfristige Veränderungen zu einer Lösung der Schwierigkeiten beizutragen? Wie verhält sich eine Beschäftigte am besten, wenn Konflikte mit dem Vorgesetzten hochkochen und eine Eskalation droht? „Man sollte generell erst einmal die Situation verlassen“, rät Klein. Ein freundliches, aber bestimmtes: „Ich bin der Meinung, wir sollten das Thema morgen noch einmal aufgreifen“, sei oft die bessere Lösung als eine impulsive Reaktion in einer ohnehin aufgeheizten Stimmung. „Wenn man sich ungerecht behandelt fühlt, reagiert man häufig unüberlegt.

Kurzfristig kann es einen vielleicht persönlich erleichtern, spontan zu reagieren. Langfristig kann eine nicht gut durchdachte Reaktion aber sogar schädlich sein.“ Tief durchatmen, die Situation verlassen und am nächsten Tag noch einmal das Gespräch suchen, sei meist sinnvoller. Sich zu distanzieren und die Dinge in Ruhe zu betrachten trage darum in vielen Fällen zur Konfliktlösung bei. 

Durchbeißen oder Flucht?

Nicht immer allerdings lassen sich Unstimmigkeiten mit ruhigen Gesprächen aus der Welt schaffen. Vielfach sitzt der Konflikt tiefer. Persönliche Probleme mit einer Person werden schnell zum beruflichen Pulverfass, das jederzeit hochzugehen droht. Eine Kündigung scheint für viele Beschäftigte dann die einzige logische Konsequenz zu sein. Von solchen vorschnellen Entschlüssen hält Susanne Klein jedoch wenig. „Durch manche Situationen muss man einfach durch“, sagt sie.

„Wer permanent wegläuft, vergibt damit auch die Chance, sich weiterzuentwickeln und den Umgang mit solchen Situationen zu erlernen.“ Welches Verhalten ist dann aber sinnvoll? Zähne zusammenbeißen und durch? Oftmals lautet die Antwort hier ‚ja‘, meint Klein. Allerdings nicht grundsätzlich. „Es ist zum Beispiel wichtig, dass man morgens immer noch gerne aufsteht, um zur Arbeit zu gehen“, erklärt sie. Außerdem müsse jeder Mensch für sich selbst entscheiden, ob ihm die Stelle noch etwas gibt, ob er etwas lernt und ob genau dieser Job das ist, was er möchte.

Kann man hinter alle diese Dinge ein Häkchen machen, ist schnell klar: Der Konflikt ärgert mich zwar, aber aufgeben und eine neue berufliche Herausforderung suchen, kommt nicht infrage. „Stimmt die Bilanz allerdings nicht mehr und eine Person geht nur noch mit einem schlechten Gefühl zur Arbeit, ist es manchmal besser, sich nach etwas Neuem umzusehen“, rät Klein. 

Um jedoch für die Zukunft dafür zu sorgen, dass es nicht gleich wieder zu ähnlichen Problemen kommt, sollten sich Arbeitnehmer vor dem Antritt einer neuen Stelle intensiv mit den eigenen Erwartungen beschäftigen. „Was erwarte ich von meinen Vorgesetzten, von meiner Stelle und von mir selbst“, führt die Beraterin aus. Erst wenn diese Fragen beantwortet seien, ließen sich Konflikte aufgrund nicht abgeklärter Erwartungen weitestgehend vermeiden. 

Fachliche Ebene vs. Beziehungsebene

Der Coach und Diplom-Psychologe René Oehler befasst sich in seiner täglichen Arbeit ebenfalls regelmäßig mit beruflichen Unstimmigkeiten und dem richtigen Umgang damit. „Wenn man von Konflikten spricht, muss man immer zwischen der Beziehungsebene und der fachlichen Ebene unterscheiden“, erklärt er. Vielfach, so der Coach, würden beide Ebenen miteinander vermischt. Und so käme es nicht nur aufgrund verschiedener Vorstellungen hinsichtlich fachlicher Aspekte zu Streitigkeiten, sondern oftmals auch aufgrund zwischenmenschlicher Spannungen.

Auch Oehler rät betroffenen Arbeitnehmerinnen und Angestellten in Konfliktsituationen dazu, nicht nur die Schuld im Verhalten anderer zu suchen, sondern auch die eigenen Empfindungen und Reaktionen ganz genau in den Blick zu nehmen. „Es ist ganz wichtig, dass man für sich selbst klärt, wo man seinen wunden Punkt hat, wann man sich wirklich getroffen fühlt“, betont er und führt aus: „Jeder muss sich die Frage beantworten, wo die eigenen Grenzen sind.“

Und die seien bei jedem Menschen anders. Während die einen jeden Konflikt bis zum bitteren Ende durchziehen können, ist die Schmerzgrenze bei anderen deutlich früher erreicht. „Seine eigenen Bedürfnisse und Standpunkte muss man für sich selbst klar haben“, sagt Oehler. Auch er rät dazu, aus Konflikten zunächst rauszugehen, ehe eine Eskalation droht. Zudem seien seiner Meinung nach ein besonnenes und ruhiges Vorgehen gefragt. „Ein Handeln nach dem Motto ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘ ist in der Regel nicht zielführend.“

Vielmehr gelte es, einen ruhigen Moment abzupassen, um dem anderen mitzuteilen, was einen selbst stört. Dabei spiele besonders eines eine wichtige Rolle: „Je mehr eine Person das Gefühl hat, dass sie eben nicht angegriffen, sondern ruhig und sachlich auf ein Problem angesprochen wird, desto eher lässt sie sich auf klärende Gespräche ein“, sagt Oehler. „Auf diese Weise wird zudem eine neutrale Ebene betreten, auf der der Andere das Gespräch nicht als frontalen Angriff versteht.“ Wer also nicht gleich die Fassung verliert, hat in der Regel die besseren Karten, eine konfliktreiche Situation zu klären.

Hinsichtlich der Frage, ob es sinnvoll sei, mithilfe einer Kündigung einen endgültigen Schlussstrich unter konfliktgeladene berufliche Situationen zu ziehen, hat er eine ähnliche Meinung wie Susanne Klein. „Man muss das immer sehr genau und individuell abwägen“, betont er. „Ein neuer Job darf keinesfalls eine Kurzschlussreaktion sein.“

Er rät Menschen, die über diesen Schritt nachdenken, sich zuvor intensiv mit verschiedenen Fragestellungen auseinanderzusetzen. „Man muss sich genau überlegen, ob man die Unsicherheit, die eine neue Stelle zwangsläufig mit sich bringt, ertragen kann. Außerdem sollte man sich über die Risiken einer Kündigung und eines neuen Jobs im Klaren sein“, weiß der Psychologe. Allerdings, betont er, sei das Suchen einer neuen Stelle durchaus auch eine logische Konsequenz, wenn Konfliktlösungsversuche generell im Sande verlaufen würden. „Wenn sich Auseinandersetzungen auch nach mehrmaligen intensiven Versuchen nicht klären lassen, kann eine berufliche Neuorientierung trotz aller Unwägbarkeiten Sinn machen.“

Davon, die Gründe für den Jobwechsel in der Bewerbung oder im Vorstellungsgespräch offen zu legen, rät er Bewerberinnen und Bewerbern jedoch ab. „Sie sollten keineswegs darauf eingehen, dass sie die vorherige Stelle aufgrund von Konflikten aufgegeben haben“, betont er. „Es ist nie gut, über alte Vorgesetzte oder Kolleginnen und Kollegen herzuziehen.“Begründungen wie: „Die von Ihnen angebotene Stelle passt besser zu mir“, „Ich möchte mich persönlich weiter entwickeln“ oder „Ich möchte mich gerne einer neuen Herausforderung stellen“, seien deutlich sinnvoller. Schlechte Erfahrungen mit dem alten Arbeitgeber hingegen seien ein Tabu. „Arbeitgeber möchten loyale Mitarbeitende, die gut in ihr Team passen. Erwähnte Konflikte mit den alten Vorgesetzten können hier eher skeptisch stimmen.“

Mit Bedacht handeln

Klar ist: Wer eine berufliche Krisensituation mit Bedacht angeht, kann auf diese Weise sogar gestärkt aus Konflikten hervorgehen und aus beruflichen Sackgassen lernen. Dabei gilt es, sich in Spannungssituationen immer zunächst zurückzuhalten, eine Nacht über ein Problem zu schlafen und den Konfliktgegner sinnvollerweise in einem ruhigen Moment anzusprechen. Hilfreich ist es zumeist auch, sich vor dem Gespräch einige Argumente schriftlich zu formulieren und zu sortieren. Das hilft dabei, anschließend sachlich zu argumentieren und nicht in eine sehr emotionale und subjektive Diskussion zu rutschen.

Das ruhige Gespräch signalisiert dem anderen außerdem, dass auch seine Sichtweise ernst genommen wird und Beachtung findet. Helfen diese Konfliktlösungsversuche nicht und kommt es immer wieder zu Streit und Unstimmigkeiten, kann eine Kündigung der Ausweg sein. Allerdings sollten sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mögliche Konsequenzen im Vorfeld immer ganz bewusst machen und sich überlegen, ob es sich bei ihrem Wechselwunsch um eine Kurzschlussreaktion handelt oder ob sie wirklich eine neue Stelle annehmen möchten.

Außerdem sollten Beschäftigte, die sich für eine neue Stelle entscheiden, von Beginn an dazu beitragen, dass es aufgrund mangelnder oder ungenügender Absprachen nicht erneut zu Konfliktsituationen kommen kann. Und so gilt es beispielsweise, sich der eigenen Vorstellungen sowie jener seiner Vorgesetzten und Kollegen/innen bewusst zu werden. Transparenz und eine gründliche Kommunikation können hier wertvolle Ins-trumente sein. Besonders die Frage, welche Erwartungen man selbst an eine Stelle hat, aber auch, was sich die anderen wünschen, gilt es zu klären. Kommt es dennoch zu Konflikten, ist überlegtes Handeln gefragt. Denn wer an dieser Stelle zu impulsiv und unbedacht handelt, trägt oft zu einer Eskalation bei. 

Und ungeachtet dessen, ob sich eine Mitarbeiterin dafür entscheidet, sich der Situation offensiv zu stellen oder ob ein Angestellter den Entschluss fasst, durch eine Kündigung noch einmal ganz neu zu beginnen: Auswege aus beruflichen Sackgassen gibt es immer. Aufpassen muss man nur, dass die vermeintliche Lösung nicht in die nächste Sackgasse führt, zum Beispiel, weil man sich selbst und seine Probleme eben immer im Gepäck hat.

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