Jobs in der Umweltbildung
Handys aus, Lagerfeuer an: Auch für Kinder und Jugendliche gibt es zahlreiche umweltpädagogische Angebote. Foto/Copyright: © Sergey Novikov / Fotolia.de

Jobs in der Umweltbildung

Immer mehr Menschen wollen ein nachhaltiges, gesundes Leben führen und mit der Natur verbunden sein. Eigentlich eine gute Ausgangslage für Umweltpädagogen. Doch die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist kompliziert.

Text: Katharina Hamacher 

Gemeinschaftsgärten, gesunde Ernährung, Wanderungen: Der Trend zu Natur und Nachhaltigkeit scheint ausgeprägt wie nie. Nicht nur erwachsene Großstädter begeben sich auf Exkursionen. Viele Eltern möchten ihre Kinder spielerisch für grüne Themen sensibilisieren und begeistern.

Die gute Nachricht: Die erhöhte Nachfrage vergrößert auch den Arbeitsmarkt für Natur- und Umweltpädagoginnen und -pädagogen.

Die schlechte Nachricht: Dies bedeutet im Umkehrschluss leider nicht, dass sich die seit Jahren prekären Bedingungen der Branche endlich verbessern. Nach wie vor gilt der Arbeitsmarkt im Bereich Umweltbildung als ausgesprochen schwierig.

Mit der erhöhten Nachfrage steigt auch das Angebot, das alles andere als übersichtlich ist. Geschützte Standards gibt es nicht, meist kostenintensive Weiterbildungsmöglichkeiten dafür wie Sand am Meer. „Umweltbildung macht derjenige, der glaubt, dass er es tut“, bringt Annette Dieckmann, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Bundesverband e. V. (ANU), die Problematik auf den Punkt.

Feste Vollzeit-Stellen sind noch immer Mangelware

Ein großer Teil der Nachfrage wird über Ehrenamtler abgedeckt, die für Naturschutzvereine und -verbände im Einsatz sind. Feste Vollzeit-Jobs sind noch immer Mangelware; viele Projektstellen sind drittmittelabhängig. Besonders für selbstständige Bildungsfachkräfte ist die Lage schwierig, selbst wenn sie viel Erfahrung und gute Konzepte vorweisen können. Für die meisten gilt das Motto „Viel Arbeit für wenig Geld“, ihren Lebensunterhalt können die wenigsten von ihrer Tätigkeit bestreiten. Viele Freie halten sich mit Zweitjobs über Wasser oder arbeiten in Teilzeit. 

Die ANU-Vorsitzende Annette Dieckmannsieht die Arbeitsmarkt-Situation ihrer Branche hingegen nicht so finster. „In meiner Wahrnehmung steigt die Zahl der festen Stellen“, sagt sie, bedauert aber, dass es keine sicheren Informationen und regelmäßige Erhebungen dazu gibt. Bei den Freiberuflern beobachtet die Bundesverbandsvorsitzende verstärkte Zutrittszahlen in den Verein.

Dieckmann schätzt, dass die Zahl der festen Jobs bei Kommunen, Bund und Ländern sowie in Verbänden und Vereinen höher ist als die der Selbstständigen. Konkrete Zahlen über den Arbeitsmarkt von Natur- und Umweltpädagogen gibt es auch deswegen nicht, da sich die Grenzen zwischen den Tätigkeitsbereichen schwer ziehen lassen.

Neue Zertifikate 

Dass sich vielerorts kostenlose Programme mit den Angeboten in die Quere kommen, die mehr Kostendeckung anstreben, sieht die Vorsitzende durchaus zwiespältig, sagt aber dennoch: „In unserem Bereich sind zum Beispiel Ehrenamtler oder staatliche Stellen mit kostenlosen Angeboten wichtig und wünschenswert.“ Für die hauptamtlichen wie die selbstständig tätigen Kollegen sei das finanzielle Auskommen nach wie vor schwierig: „Die Arbeit in unserer Branche wird zu schlecht bezahlt“, kritisiert Dieckmann.

Fachkräfte in der Umweltbildung kommen aus unterschiedlichen Bereichen. Viele haben Biologie, Geographie, Landwirtschaft oder Umweltwissenschaften studiert, andere Sozialpädagogik, Politikwissenschaften oder auf Lehramt. „Zudem ist der Forstbereich ein großer Arbeitgeber mit vielen pädagogischen Angeboten“, sagt Annette Dieckmann. Beim Thema pädagogische Zusatzkompetenzen habe sich besonders bei den Naturwissenschaftlern im Laufe der Jahre einiges getan. „Das Bewusstsein um pädagogische Qualifikation wächst stetig."


Auf diesem Gebiet hätten die Zertifikate viel vorangebracht, die in der Umweltbildung eine immer größere Rolle spielen. Einen  Anstoß dazu hat die politische Bildungsoffensive Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gegeben. Besonders in norddeutschen Ländern sind Zertifikate für BNE verbreitet. „Dadurch müssen sich die Umweltbildner mehr mit pädagogischen Konzepten auseinandersetzen“. Zwar seien die BNE-Projektmittel über die Zeit zum Teil erhöht worden.

Dass die Bildungsoffensive die Konjunktur angekurbelt habe, sieht die Vorsitzende jedoch nicht. Aufschwung habe die Branche vielmehr durch den Interessenwandel der Gesellschaft erfahren: „Die Menschen sehnen sich nach der Natur und wollen sie intensiv erleben. Diese vermehrte Nachfrage hat die Konjunktur erhöht, nicht der BNE-Ansatz.“

Gerade im Förderbereich sei die Vergabe von Drittmitteln stark an BNE gekoppelt, sagt Dieckmann. Die  ANU zählt zwischen 2005 und 2014 knapp 1000 BNE-Projekte im außerschulischen und informellen Bereich. Darunter fallen allerdings nicht nur Projekte mit Umweltbildungshintergrund, sondern auch solche aus dem Bereich Globalen Lernen. Eine kommunale Förderung, die nicht an BNE gekoppelt ist, erhalten überwiegend Vereine und Verbände, aber auch Institutionen wie Biologische Stationen, Schullandheime, Schulbauernhöfe und kirchliche Einrichtungen.

Bildungsfachkräften fällt es schwer, sich anzupreisen

Wer in die Naturpädagogik strebt, sollte neben entsprechenden biologischen Fachkenntnissen Themen wie Naturschutz, Nachhaltigkeit und Erhalt biologischer Vielfalt verinnerlicht haben. Die lokale Vernetzung zu Kollegen und Praktikern hilft beim fachlichen Austausch und sorgt für neue Ideen. „Extrem wichtig ist die Fähigkeit zu motivieren, komplexes Wissen zugänglich zu machen und am Interesse der Zielgruppe anzuknüpfen“, sagt Annette Dieckmann. Gerade Freiberufler sollten die eigenen Angebote professionell darstellen, um sie auch vor Drittmittelgebern nachweisen zu können.

Diese Notwendigkeit betont auch Andrea Schmidt vom Umweltzentrum Biosphaerium: „Besonders Freiberufler sollten sich klarmachen, wie wichtig Vermarktung ist, denn daran scheitert es bei Selbstständigen oft.“ Sich anzupreisen falle ihrer Erfahrung nach besonders Bildungsfachkräften häufig schwer. „Manche Anbieter gucken mich mit großen Augen an, wenn ich ihnen erkläre, dass sie eine Website und Faltblätter brauchen. Das mag alles wenig Spaß machen, ist aber wichtig. Ansonsten hat man keine Chance, wahrgenommen zu werden.“

Touristen, Schulklassen, private Gruppen 

Die Leiterin des Biosphaeriums Elbtalaue im Landkreis Lüneburg, das seit 13 Jahren als Informationszentrum für das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue sowie als Tourist-Information für Bleckede und die Umgebung aktiv ist, bemerkt ein wachsendes Interesse am Thema Umweltbildung. Das Umweltzentrum wird durch eine Tochtergesellschaft der Stadt Bleckede betrieben und engagiert sich in der Regionalentwicklung. Neben den Touristen nutzen auch Schulklassen und private Gruppen das Angebot des Umweltzentrums, das in Kursen, Führungen oder bei Kindergeburtstagen Naturerlebnisse in der Kulturlandschaft Elbtalaue vermittelt.

Trotz des zunehmenden Interesses beobachtet Andrea Schmidt jedoch, dass viele Menschen nicht bereit sind, für Umweltbildung Geld auszugeben. „Das Angebot ist definitiv größer als die Nachfrage“, sagt sie. „Deshalb ist es so schwierig, nachhaltig einen angemessenen Erwerb zu generieren.“ Besonders für die vielen Freiberufler sei die arbeitsmarktliche Situation hart.

Das Biosphaerium selbst beschäftigt neben zwei Teilzeitkräften eine Handvoll Honorarkräfte. „Von der Arbeit bei uns allein können die allerdings nicht leben“, weiß die Leiterin. „Aber wir bezahlen unsere Mitarbeiter wenigstens. Viele Institutionen decken ihre Angebote über Ehrenamtler oder Bundesfreiwilligendienstler ab. Es gibt auch Modelle, wo Lehrer stundenweise in Umweltzentren abgeordnet sind.“ In der naturreichen Region gebe es viele Führungen, die auch von ehrenamtlich Tätigen übernommen würden. Die wiederum bitten maximal um eine Spende für ihren Naturschutzverein. „Das macht den Gesamtmarkt natürlich kleiner“, sagt Schmidt. „Meiner Erfahrung nach lassen sich die Gruppen aber nicht gegeneinander ausspielen.“ 

Wer von seiner freiberuflichen Arbeit in der Umweltbildung leben will, müsse eine Nische finden. Rahmenbedingungen und Qualitätsvorgaben gibt es auf dem wild gewachsenen Markt der Branche wenig. Zertifizierungen sollen in diesem Bereich für mehr Klarheit sorgen. „Wir unterstützen unsere Mitarbeiter bei Fortbildungen, um sie einerseits besser aufzustellen und andererseits das Ziel zu verfolgen, dass sich das Angebot qualifizierter darstellt“, sagt Andrea Schmidt.

Sie selbst achte bei potenziellen neuen Mitarbeitern weniger auf die Liste der Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen. „Das ist meiner Meinung nach für den Arbeitgeber teilweise schwierig einzuschätzen. Uns ist wichtig, welche Erfahrungen jemand hat und welche Persönlichkeit er oder sie mitbringt.“

„Die Fülle der Studiengänge und Schwerpunktmöglichkeiten hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.“

Den Weg in die Arbeit am Biosphaerium finden überwiegend Quereinsteiger. „Wir haben Umweltwissenschaftler, Förster, Geographen und Handwerker, aber keinen einziger Biologen“, sagt die Leiterin des Umweltzentrums. „Der würde vermutlich auch nicht glücklich werden bei dem hohen Anteil an Vorbereitung, Planung und Nachbearbeitung.“ Alle Angebote werden im Biosphaerium selbst konzipiert, die einzelnen Bausteine von den Mitarbeitern je nach Gruppe und Situation variiert.

Bei der Durchführung von Umweltbildungsmaßnahmen müssen sich pädagogische und fachliche Qualifikationen die Waage halten, sagt Andrea Schmidt. „Der pädagogische Bereich ist stark angewachsen. Früher kam man schneller ins Thema, heute muss man gucken, ob man mit der Gruppe arbeiten kann.“ Der pädagogische Aufwand bei der längerfristigen Betreuung von Schul-AGs etwa sei inzwischen häufig höher als früher.

Ganz anders sehe es im Bereich der Kindergeburtstage aus. „Das Interesse ist in den vergangenen Jahren gewachsen, aber das Angebot ist auch größer geworden“, sagt Schmidt. „Heute sind wir in der Region längst nicht die einzigen, die Kindergeburtstage ausrichten.“ Sie beobachtet bei den Kunden eine größere Bereitschaft, in die spielerische Umweltbildung des Nachwuchses zu investieren – „weil sie es sich leisten können und ihnen das Thema wichtig ist“, vermutet die Geschäftsführerin.

In der schulischen Bildung haben die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit längst einen festen Platz. Die Nachfrage wird überwiegend über Umweltstationen in der jeweiligen Region abgedeckt. In Nürnberg zum Beispiel arbeitet Birgit Paulsen in Teilzeit  gemeinsam mit einer Kollegin bei der Umweltstation. Träger ist das Schulreferat der Stadt Nürnberg. Die Umweltstation ist angegliedert an das Institut für Pädagogik und Schulpsychologie Nürneberg (IPSN).

Neben der Vorbereitung und Durchführung von Fortbildungen für Pädagoginnen und Pädagogen ist Paulsen hauptsächlich für Umweltprojekte an Schulen zuständig. „Wir führen mit den Kindern und Jugendlichen unter anderem Projektvormittage zu Themen wie Wasser, Kleidung, Handy, Klimaschutz, Ernährung, Mobilität und Energie durch.“ Beim Thema Wasser beispielsweise ist die Umweltpädagogin an einem Vormittag mit der Klasse an einem Gewässer in der Stadt unterwegs.

An einem zweiten Termin werden dann Themen wie Trinkwasserkreislauf, Gewässer- und Trinkwasserschutz  besprochen und auch globale Bezüge hergestellt. Beim Thema Handy geht es nicht nur um ökologische Aspekte der Rohstoffstoffgewinnung  und Recycling, sondern auch um soziale Aspekte wie Arbeitsbedingungen und Lebensumstände in den Produktionsländern.

Birgit Paulsen und ihre Kollegin schaffen es nicht annähernd, die Nachfrage der Schulen in Nürnberg abzudecken. Neben der Vorbereitung nimmt auch die Akquise von Drittmitteln mit Antragsstellung, Auswertung und Nachbereitung viel Zeit in Anspruch. Deshalb wird die Durchführung von Projekttagen auch teilweise an Honorarkräfte vergeben. „In unserer Region gibt es viele Freiberuflerinnen und Freiberufler und zu wenig feste Stellen“, sagt Birgit Paulsen.

Da viele Jobs als Projektstellen von Drittmitteln abhängen, sind sie befristet. Besonders für die Selbstständigen bedeutet das Engagement in der Umweltbildung oft viel Arbeit für wenig Geld. Wie sehr die finanzielle Unsicherheit freie Kolleg/innen belastet, bekommt Paulsen durch ihren Kontakt zu Honorarkräften oft mit.

Sie selbst hat nach ihrem Pädagogik-Studium zunächst zwei Jahre bei der ANU gearbeitet – eine befristete Stelle, wie so oft üblich in der Umweltbildung. Nach einer Phase der Freiberuflichkeit ist sie seit drei Jahren bei der Stadt Nürnberg fest angestellt. „Ich habe Erwachsenenbildung studiert und bin wie viele Kollegen über Studienschwerpunkte in den Umweltbereich gekommen“, sagt die Diplom-Pädagogin. Während früher hauptsächlich klassische grüne Fachkräfte wie beispielsweise Biologen, Umweltwissenschaftler oder Landschaftspfleger in die Umweltbildung gegangen sind, beobachtet Paulsen, dass auch andere Fachbereiche wie klassische Pädagogen den Weg in die Branche finden. „Die Fülle der Studiengänge und Schwerpunktmöglichkeiten hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.“

Wie in jeder Branche seien Praktika und Kontakte entscheidend, um Fuß zu fassen. Neben fachlichen Qualifikationen, pädagogischen Fähigkeiten und Kreativität bei der Entwicklung neuer Projekte sei es wichtig, sich in kurzer Zeit auf neue, oft nicht einfache Gruppen einzustellen und diese anzuleiten. „Ob das gelingt, hängt meiner Meinung nach weniger von umweltrelevanten Fachkenntnissen ab als vielmehr von der Erfahrung und Persönlichkeit.“ 

Die BNE-Ansätze haben in der Umweltpädagogik zu einer größeren Vernetzung mit anderen Bereichen beigetragen, beobachtet Birgit Paulsen. „Es geht nicht mehr nur um das Wissen über Tiere und Pflanzen und das Naturerleben, sondern auch um soziale und globale Aspekte.“ Das Ziel der Kompetenzentwicklung in Ergänzung zur Wissensvermittlung oder Naturerleben habe die Umweltbildung abwechslungsreicher gemacht. „Die BNE-Dekade war gut, um Themen zu bündeln, die Methodenvielfalt zu erweitern  und Schwerpunkte zu setzen.“

Andrea Schmidt vom Biosphaerium betont: „Viele Angebote enthielten auch schon früher Elemente einer Bildung für nachhaltige Entwicklung.“ Heute beinhalten die Umweltentdeckungen im Biosphaerium diverse Impulse zur Gestaltung der Umwelt im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Alle Aspekte von BNE in einem einzelnen Angebot umzusetzen, scheitere aber oft an der kurzen Dauer einzelner Programme. Der Begriff BNE  sei für die Vermarktung ohnehin schwierig, weil sich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ nicht verkaufen ließe. „Damit lassen sich vielleicht Lehrer locken, die das Thema im Lehrplan abdecken müssen. Aber Privatkunden können mit dem Begriff nach wie vor wenig anfangen. Klar könnten wir unsere Kindergeburtstage mit BNE bewerben, das würde aber niemand buchen.“

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