"Marketing funktioniert auch – aber nicht mit platter Werbung, sondern durch gutes Storytelling", sagt Vivian Pein. / Copyright Foto: V. Pein

"Mit Mut und Leidenschaft Grabenkämpfe überwinden"

Was macht ein Social Media Manager? Vivian Pein ist freiberufliche Beraterin für digitale Kommunikation. Als Buchautorin hat sie sich mit dem neuen Berufsbild beschäftigt. Mit ihr sprach Benjamin O‘Daniel.

In den letzten Jahren konnte man beobachten, dass einige Social Media Manager nach kurzer Zeit wieder gekündigt haben und weitergezogen sind. Ist das mehr als die übliche Fluktuation im Fachkräftebereich?

Vivian Pein: Das ist natürlich immer vom Einzelfall abhängig. Es kommt häufig darauf an, ob und wie weit im Unternehmen schon ein Verständnis für die Aufgaben des Social Media Manager vorhanden ist. Für manche ist es immer noch der „Facebook“-Bediener ohne weitere Kompetenzen. Andere schreiben eine Stelle aus, in der alles gefordert wird, was mit dem Internet zu tun hat. Dann soll der Social Media Manager auch gleichzeitig Grafiker, Programmierer und Suchmaschinen-Optimierer sein.

Solche Abweichungen zwischen Erwartungen und Realität führen oft zu einem gewissen Konfliktpotenzial und zu Frustration auf beiden Seiten. Ein Jobwechsel ist derzeit auch sehr einfach möglich, weil quer durch alle Branchen erfahrene Social Media Manager gesucht werden. Trotzdem kenne ich sehr viele Beispiele, in denen meine Kolleginnen und Kollegen über viele Jahre in ihrem Unternehmen bleiben und dort etwas aufbauen.

Was sind denn – kurz und knapp – die Aufgaben eines Social Media Managers?

Vivian Pein: Der Social Media Manager ist der zentrale Ansprechpartner im Unternehmen, wenn es um das Thema digitale Kommunikation geht. Das beginnt mit der Entwicklung der Strategie für die Auftritte in den sozialen Medien, die in die Gesamtkommunikation des Unternehmens eingebunden sein muss.  Er verantwortet dann die Umsetzung der Strategie und entwickelt Kennzahlen, mit denen gemessen werden kann, ob die gewählten Ziele auch erreicht werden.

Darüber hinaus ist der Social Media Manager Vermittler sowie Schnittstelle zwischen den Abteilungen und koordiniert so sämtliche Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Zuletzt ist jeder gute Social Media Manager auch Change Manager. Er bringt dem gesamten Unternehmen die Möglichkeiten und Chancen der digitalen Kommunikation nah und räumt so Vorbehalte gegen dieses moderne Medium aus.

Was ist denn ein Beispiel für ein gutes Ziel?

Vivian Pein: Folgendes Beispiel: Ein Unternehmen hat erkannt, dass es sich durch einen verbesserten Kundenservice sehr gut von der Konkurrenz absetzen kann. Also wird für die sozialen Kanäle das Ziel ausgegeben, innerhalb von drei Monaten 100 Prozent aller Fragen innerhalb von 24 Stunden zu beantworten. So wird die Kundenzufriedenheit messbar gesteigert, Kündigungsraten werden verringert.

Ein anderes Beispiel: Im Netz ist ein vielfältiges Feedback über die Produkte und Leistungen eines Unternehmens vorhanden. Dieses wird aber nicht festgehalten, und es findet auch kein Austausch darüber statt. Also baut ein Community Manager Kanäle auf, nimmt  das Feedback der Community auf und leitet es an die richtigen Stellen im Unternehmen weiter, etwa in die Produktentwicklung. So kann die Produktpalette durch Social Media verbessert werden.

  • Interviewpartnerin: Vivian Pein ist freiberufliche Beraterin für digitale Kommunikation. Sie hält Vorträge, Workshops und berät Konzerne, Behörden und andere Organisationen. Sie hat 15 Jahre Erfahrung in Marketing und PR, davon neun Jahre hauptberuflich als Social Media- und Community Managerin, unter anderem bei XING und Hermes. Im BVCM ist Vivian Pein zweite Vorsitzende. Außerdem hat sie das Buch „Der Social Media Manager“ geschrieben, in dem unter anderem das Berufsbild, die Aufgaben und Praxisbeispiele vorgestellt werden. Mehr Informationen unter vivianpein.de und bvcm.org. Auf Twitter ist sie unter @zeniscalm zu finden.
  • Lesen Sie dazu auch: So arbeiten Social Media Manager - zwei Portraits

Was ist mit klassischen Marketing- und Verkaufszielen?

Vivian Pein: Marketing funktioniert auch – aber nicht mit platter Werbung, sondern durch gutes Storytelling. Die User erwarten, dass sie einen Einblick hinter die Kulissen bekommen und unterhalten werden. Sie wollen mit dem Unternehmen sprechen und es kennenlernen.

Der direkte Verkauf über das Social Web funktioniert nur bedingt. Wenn Unternehmen ihre Produkte mit werblichen Aufforderungen veröffentlichen, interessiert das die User in der Regel nicht. Gleichzeitig beginnen viele Kaufentscheidungen mittlerweile durch eine Google-Suche oder Empfehlungen aus den sozialen Medien. Gerade die jüngeren Generationen kennen es überhaupt nicht mehr anders. Insofern spielt es indirekt doch wieder eine Rolle.

In welcher Abteilung sollte ein Social Media Manager angesiedelt sein?

Vivian Pein: Ich bevorzuge die Einrichtung einer Stabsstelle. Von dort aus kann man unabhängig agieren und die bestmögliche Lösung für das Unternehmen entwickeln. Man arbeitet neutral mit Abteilungen zusammen, die gern einmal in Konflikt miteinander stehen – wie zum Beispiel Marketing und PR.

Man muss Grabenkämpfe überwinden und Widerstände abbauen. Dafür braucht man Empathie, aber auch Mut, Selbstvertrauen und eine hohe Frustrationstoleranz. Richtig gut ist man nur, wenn man eine große Leidenschaft für das Thema besitzt. Als Stabsstelle wird man stärker als Experte wahrgenommen und kann das Thema in Form von einzelnen Projekten in das ganze Unternehmen tragen.

In den Büchern, die es zum Social Media Management gibt, fällt auf, dass dort viele Berufstätige früher Geistes- und Sozialwissenschaften studiert haben. Wie kommt das?

Vivian Pein: Unter den Geistes- und Sozialwissenschaftlern sind sicher viele, die eben sozial und empathisch sind – eine Grundeigenschaft eines jeden Social Media und Community Managers. Andere Gruppen, die man auch häufig trifft, kommen vom Studium her aus der Strategie und den Wirtschaftswissenschaften und wieder andere aus der Kommunikation und Psychologie. Alle diese Studiengänge helfen dabei, einen guten Job zu machen.

Wie kann man sich als Geistes- und Sozialwissenschaftler weiterbilden? Brauche ich bestimmte Zertifikate?

Vivian Pein: In Deutschland werden Zertifikate natürlich immer gern gesehen. Empfehlen kann ich zum Beispiel das Zertifikat der PZOK, der Prüfungs- und Zertifizierungs-Organisation der deutschen Kommunikationswirtschaft. Weiterbildungen sind grundsätzlich eine sinnvolle Sache. Aber trotzdem ist es nur der Einstieg. Man muss vor allem praktische Erfahrungen sammeln.

Man braucht eine hohe Affinität für das Thema. Das Social Web entwickelt sich sehr schnell weiter. Man muss immer am Ball bleiben. Das funktioniert nur, wenn man sich wirklich für Social Media begeistert. Es gibt viele Barcamps und andere Netzwerk-Veranstaltungen, in denen man einiges lernen kann. Die Szene ist sehr offen und nimmt jeden Menschen gerne auf, der sich ernsthaft für das Thema interessiert.

Was definitiv nicht funktioniert: Mal eben eine zweiwöchige Schulung absolvieren, und schon ist man Social Media Experte.

Wie hat sich der Bundesverband Community Management für digitale Kommunikation und Social Media – kurz BVCM – seit seiner Gründung 2008 entwickelt?

Vivian Pein: Zu Beginn haben sich einige Einzelkämpfer zusammengeschlossen, die die Professionalisierung des Berufsbildes sowie den Austausch untereinander fördern wollten. Mittlerweile sind wir rund 200 Mitglieder quer durch alle Unternehmensgrößen und Branchen wie Handel, Automobil, Industrie. Neben reinen Online-Unternehmen sind auch Vertreter aus Behörden oder Konzernen mit an Bord. Die jüngste Eintrittswelle besteht aus Community Managern, die sich um die interne Kommunikation kümmern.

Was bewegen Community- und Social Media-Manager in der internen Kommunikation?

Vivian Pein: Immer mehr Unternehmen und Organisationen nutzen ein soziales Intranet, um Arbeitsabläufe und die Kommunikation zu verbessern. Zum Beispiel werden virtuelle Räume geschaffen, in denen interdisziplinäre Teams aus verschiedenen Fachrichtungen oder Standorten an Projekten arbeiten. Die Projekte sind im Nachhinein zentral durchsuchbar – anstatt dass das Wissen darum in einzelnen Mail-Postfächern verschwindet. So findet ein besserer Austausch statt, quer durch alle Hierarchie-Ebenen.

Ein anderes Beispiel sind interne Wikis, in denen Fachwissen systematisch gespeichert wird. Wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter den Job wechseln, sind die Prozesse dokumentiert und das Wissen geht nicht verloren. Auch in diesem Bereich wird sich in den nächsten Jahren noch einiges tun.

Vielen Dank!


Job-als-Social-Media-ManagerDer Artikel ist im "arbeitsmarkt Bildung, Kultur, Sozialwesen" erschienen. Jede Woche werden 400 bis 500 Stellen speziell für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen  zusammengestellt. Dafür werden rund 180 Zeitungen, Zeitschriften und Onlineportale ausgewertet. 

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