Die vier Bereiche der Potenzialanalyse
Die vier Bereiche der Potenzialanalyse. Foto: WILA Bonn

Die vier Bereiche der Potenzialanalyse

„Was kann ich?“ ist wohl die am meisten unterschätzte Frage beim Berufseinstieg von Akademikern. Andreas Pallenberg erklärt, warum die Frage wichtig ist - und wie man seine eigenen Potenziale gezielt erarbeitet.

Auf der einen Seite stehen viele gut ausgebildete arbeitsuchende Akademiker/innen mit mehr oder weniger Berufserfahrung. Und auf der anderen Seite steht der deutsche Arbeitsmarkt mit so vielen Stellen wie noch nie in der Geschichte unserer Republik.

Es sollte also eigentlich funktionieren mit dem Berufseinstieg. Und tatsächlich ist Arbeitslosigkeit bei Akademikern insgesamt betrachtet in den letzten Jahren kein ernsthaftes Problem gewesen. In manchen Teilarbeitsmärkten wurde sogar schon von Vollbeschäftigung gesprochen. Und in bestimmten Branchen beklagt man einen Fachkräftemangel.

Trotzdem, das alte Problem bleibt: Es gibt nach wie vor Akademiker/innen, die nicht sofort in den Arbeitsmarkt "einmünden" können. Bei denen es länger dauert bzw. nur mit Zugeständnissen möglich ist, einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden.

Bekanntlich beschäftigen wir uns in unseren beiden Informationsdiensten seit nun schon fast zwanzig Jahren sehr ausführlich mit eben dieser Gruppe der „arbeitsmarktfern“ oder „unspezifisch ausgebildetenAkademiker/innen - wie die Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen oder die Naturwissenschaftler/innen. Ihnen bieten mit unseren Stellenauswertungen Orientierung und Impulse bei der Stellensuche.

"In guten Zeiten interessieren sich Unternehmen auch für diejenigen, die nicht BWL studiert haben"

In diesen zwanzig Jahren der Arbeitsmarktbeobachtung hat sich einiges getan - bei den Arbeitgebern wie bei den Arbeitsuchenden. So sind die Unternehmen generell offener geworden für akademische Allrounder und Quereinsteiger und lassen sich zunehmend auf Philosophen, Historiker, Geo- und Sozialwissenschaftler ein, weil sie zum Beispiel ihre kommunikativen und sozialen Fähigkeiten zu schätzen wissen.

  • Arbeitsmarkt-HefteDer Artikel ist in den Informationsdiensten arbeitsmarkt erschienen. Wir werten jede Woche aktuelle Stellen im Bereich Bildung, Kultur und Sozialwesen und im Bereich Umwelt, Naturwissenschaften aus und sortieren die Stellen nach Tätigkeitsgebieten. So erhalten unsere Abonnent/innen Orientierung und Ideen in der Jobsuche. 

Auf der anderen Seite sind die Absolventinnen und Absolventen solcher Fächer offener geworden für neue Berufsfelder, und zwar auch für solche, in denen ihre Studienfächer kaum Berücksichtigung finden. Sie „kleben“ nicht mehr so sehr an ihren Fächern, wenn es um die Beschäftigungsmöglichkeiten geht.

Diese für die Beschäftigung positiven Tendenzen entfalten ihre Wirkung besonders in wirtschaftlich guten Zeiten. So stellt Annedore Bröker von der Arbeitsagentur Hamburg im Hamburger Abendblatt fest: „Auch für Geisteswissenschaftler ist der Markt besser geworden. In wirtschaftlich guten Zeiten interessieren sich Unternehmen auch für diejenigen, die nicht BWL studiert haben.“ (...) „Als Social Media Manager zum Beispiel haben auch Skandinavisten in Wirtschaftsunternehmen eine Chance“. 

"Kein Headhunter klingelt bei einem Philosophen oder einer Ökotrophologin"

Bei aller aufkeimenden Euphorie muss dennoch gewarnt werden. Der Berufseinstieg ist für die genannten Akademikergruppen nach wie vor kein Selbstläufer. Es ergibt sich sogar die statistisch kuriose Situation, dass trotz steigender Beschäftigungszahlen bei Geisteswissenschaftlern bei diesen gleichzeitig eine höhere Arbeitslosenquote festzustellen ist. Was widersprüchlich klingt, hat eine einfache Erklärung: Es liegt an der unerschütterlichen Beliebtheit dieser Fächer und dem daraus resultierenden steigenden akademischen Nachwuchs, der zunehmend und stetig auf den Arbeitsmarkt strömt.     

Wissenschaft ade? 

Fest steht, dass diese vielen Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen ebenso wie Geo-, Agrar- und Ernährungswissenschaftler/innen nicht alle in die gerne angestrebte wissenschaftliche Laufbahn einmünden können. Es gibt sie natürlich, die Stellen an den Universitäten; unsere Stellenauswerter finden in beiden Informationsdiensten im Durchschnitt ca. 100 aktuelle Stellen im Bereich Universitäten und Hochschulen. Jede Woche. Kein schlechter Schnitt. Aber die Zahl der Bewerber ist immer um ein Vielfaches höher.

Und aufgrund der begrenzten Kapazitäten an den Unis kann eben nur ein Bruchteil der ausgebildeten Fach- und Führungskräfte in den Wissenschaftsbetrieb übernommen werden. Selbst wenn der Einstieg über wissenschaftliche Mitarbeit gelingt – viele promovierende und promovierte Wissenschaftler verharren für Jahre auf unsicheren, da immer wieder befristeten Teilstellen. Die trügerische Hoffnung auf Entfristung und ordentliche Anstellung führt nicht wenige in eine akademische Sackgasse.

Irgendwas mit ...

Also wird – auch die Universitäten plädieren zunehmend dafür – nach Beschäftigungsalternativen jenseits von Forschung und Lehre gesucht. Diesem Rat folgen die meisten Jungakademiker von vornherein und erwägen erst gar nicht die Unilaufbahn. Aber was denn dann? Nach dem Motto: „Nichts ist unmöglich“ verlassen sich viele auf einen irgendwie gearteten Einstieg in Bereiche wie Medien, Journalismus, Bildung, Kultur, Gesundheit oder Umweltschutz.

Das Problem dabei: Sie werden nicht gesucht. Kein Headhunter klingelt bei einem Philosophen oder einer Ökotrophologin. Und nur wenige Firmen wenden sich mit ihren Ausschreibungen explizit an Kunstwissenschaftler oder an Geografen. Und wenn sie solchen Bedarf haben sollten, können sie sich meistens aus dem großen Pool an Initiativbewerbungen oder über Mundpropaganda die Rosinen rauspicken. Es gibt auch keine Recruitingaktionen, wie man sie etwa bei den MINT-Fächern erlebt, bei denen Unternehmen ihre Gesandten an die Unis schicken, um dort Leute mit gesuchten Qualifikationen schon vor dem Abschluss abzufischen. 

Nebenjob Arbeitsmarkt

Aber es gibt trotzdem viele Einsatzmöglichkeiten für Absolventen mit Fächern, die erstmal wenig mit dem Arbeitsmarkt zu tun haben. Dumm nur, dass dieser unspezifische Arbeitsmarkt aktiv erschlossen werden muss. Und das kann richtig Arbeit sein. Allein die Aussicht, dass es zum Beispiel bei Geisteswissenschaftlern im Durchschnitt ca. zwölf Monate dauert, bis sie in den Arbeitsmarkt einmünden, zeigt, dass die Phase nach dem Abschluss kein Spaziergang ist. Wer dann erst anfängt, sich zu orientieren – und das erleben die Career-Service-Einrichtungen an den Unis tagtäglich –, wird vermutlich noch deutlich länger brauchen, um auf dem Arbeitsmarkt anzukommen.

  • Andreas-PallenbergAndreas Pallenberg ist seit vielen Jahren in Personalkommissionen tätig und seit 19 Jahren Redakteur des Informationsdienstes arbeitsmarkt Bildung, Kultur, Sozialwesen. Er hält regelmäßig Vorträge an Universitäten, bei Career-Service-Einrichtungen und Alumni-Initiativen zum Themenfeld "Berufseinstieg für Geisteswissenschaftler/innen. Unsere Abonnent/innen können sich von ihm im Rahmen unserer "Bewerbungshotline" beraten lassen. 

Das Gleiche gilt für Leute, die sich lange Zeit nach dem Abschluss als „Wissenschaftliche“ an den Unis verdingt haben, aber feststellen müssen, dass sie aus besagter Sackgasse herausmüssen und sich nun mit sehr einseitiger Berufserfahrung plötzlich gezwungen sind, sich auf dem "normalen Arbeitsmarkt" umzusehen. Auch Wiedereinsteiger nach der Familienphase oder nach Freiberuflichkeit stehen mitunter vor ähnlichen Problemen und müssen sich aufwändig mit dem Neueinstieg in einen nicht gerade pflegeleichten Arbeitsmarkt befassen.   

Die Marke „ICH“

Um eine aktive und initiative Bewerbungsstrategie entwickeln zu können, geht es zunächst immer um die Frage aller Fragen: Was kann ich? In Zuspitzung: Was habe ich für den Arbeitsmarkt zu bieten? Aber was so einfach klingt, hat es richtig in sich. Da geht es um die eigenen Fähigkeiten, um Potenziale und um deren Relevanz für den Arbeitsmarkt. Das macht Arbeit und ist ein anspruchsvolles Projekt.

Damit nicht genug: Diese Potenzialanalyse bleibt in den meisten Fällen ein immer wiederkehrendes Thema während der ganzen beruflichen Entwicklung, denn der vielfach angestrebte Job auf Lebenszeit wird bedauerlicherweise zunehmend zum Auslaufmodell. Somit wird einen die ständige Auseinandersetzung mit dem eigenen Marktwert immer wieder beschäftigen.

Gerade frische Absolventen tun sich schwer mit diesem Schritt, er erscheint sehr komplex (ist er auch!), und es fehlt oft der systematische Zugang dazu. Kein Wunder also, dass sich viele Geistes-, Geo- und Sozialwissenschaftler erstmal von der anderen Seite „ihrem Arbeitsmarkt“ nähern. Sie durchforsten die Stellenangebote zum Beispiel hier im Heft auf der Suche nach der irgendwie passenden Stelle.

Das kann klappen und schärft auf jeden Fall den Blick für angestrebte Tätigkeitsfelder. Meistens aber führt dieser Ansatz zu keinen oder wenigen Ergebnissen. Der Frust ist programmiert, und das ernüchternde Fazit lautet vorschnell: Es gibt keine oder kaum Stellen für mich. Mit eingeschränktem Suchmodus in unseren arbeitsmarkt-Heften (z.B. nur Stellen für Kunstpädagogen oder Ähnliches; die Fachbereiche 3. und 5.; Postleitzahlgebiet 5000, vielleicht noch 6000) ist die Recherche nämlich schnell beendet, und man vertröstet sich auf die nächste Woche. So kann sich das mit dem Berufseinstieg ganz schön ziehen.

Die Kernfragen

Die Frage „Was kann ich denn?“ bleibt mit Reaktionen auf dem Niveau von „irgendwie alles“ und „irgendwie nichts“ weiterhin unbeantwortet. Um die Suche nach geeigneten Stellen einerseits offener und gleichzeitig gezielter zu gestalten, muss aber irgendwann der Schritt über die Analyse der eigenen Fähigkeiten erfolgen.

Hilfreich sind dabei Anleitungen, die man unter den Stichwörtern wie „Potenzialanalyse“ oder „Profil-Check“ in der einschlägigen Ratgeberliteratur finden kann oder auch entsprechende Workshops und Seminare bei Career-Service-Einrichtungen, bei Arbeitsagenturen oder auf dem freien Bildungsmarkt. Solche Angebote helfen einem zwar methodisch auf die Beine, nehmen einem aber die eigentliche Arbeit nicht ab. Es nützt also nichts: Der Job muss gemacht werden, und zwar höchstselbst!

"Der Rollenwechsel gelingt nicht immer reibungslos und wird auch von Misstrauen in die eigene Urteilskraft beeinflusst."

Die Aufgabe könnte dann lauten, ähnlich wie in der Grafik zu sehen, zunächst einen Profilstern zu entwickeln, auf dem alle (!) persönlich wahrgenommenen Fähigkeiten unbewertet Platz finden. Dabei kann man sich an den Bezeichnungen der vier Segmente orientieren, kann diese aber genauso gut auch persönlich modifizieren. Das ist keine Sache von einer Viertelstunde. Je länger man in sich kehrt, umso komplexer werden die Aufzeichnungen. Es empfiehlt sich sogar, erste Entwürfe mal eine Weile abzulegen, wieder Abstand zu finden, drüber zu schlafen und neue Gedanken zuzulassen.

Nach der Bestandsaufnahme geht es an die Gewichtung: Was ist mir besonders wichtig von meinen Kenntnissen, Erfahrungen, Fähigkeiten, Vorlieben, Haltungen etc.? Was davon will ich ‚unbedingt‘, was ‚nach Möglichkeit‘ in meine berufliche Tätigkeit einmünden lassen, und worauf kann ich ‚leicht verzichten‘. Spätestens nach diesem Schritt betrachtet man den bestehenden Arbeitsmarkt mit geschärftem Blick.    

Im nächsten Schritt erfolgt ein Perspektivenwechsel. Man versetze sich in einen Personalexperten, der nüchtern, aber aufgeschlossen auf dieses Profil schaut und seine Bewertung abgibt nach dem Kriterium: Was davon kann man wo auf dem Arbeitsmarkt gebrauchen? Da kann man dann abstufen zwischen ‚brauchbar‘, ‚sinnvoll‘ und ‚gefragt‘. Übrigens: So richtig unbrauchbar ist kaum etwas.

Dieser Rollenwechsel gelingt nicht immer reibungslos und wird auch von Misstrauen in die eigene Urteilskraft beeinflusst. Deshalb hier ein deutlicher Rat: Spätestens in dieser Phase kann und sollte man sich mit anderen zusammenschließen und gemeinsam an dem Projekt Berufseinstieg arbeiten. Das kann schon bei der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten sehr hilfreich sein. Die Fremdeinschätzungen von Freunden und Bekannten können sehr gut korrigieren im Positiven wie im Negativen. Besonders wertvoll an solchen Arbeitsgruppen, Bewerbungsstammtischen oder -cafés wie sie im WILA Bonn regelmäßig stattfinden: Man kommt ins Gespräch darüber und wuselt nicht alleine vor sich hin. 

Diese gegenseitige Unterstützung hilft dann besonders, wenn die bisherigen Schritte zum Beispiel zu folgendem fatalen Fazit führen: Alles, was ich gut kann und was mir wichtig ist, hat keinen Wert auf dem Arbeitsmarkt. Unter bestimmten Stimmungslagen kann bei Einzelkämpfern ein solch ernüchterndes Ergebnis zustande kommen, obwohl es in dieser Absolutheit nie angemessen ist. Unter Zerknüllen von Papier und anderen Wutausbrüchen wird die Sitzung dann beendet und das Problem vertagt. Das wäre mit einer kleinen vertrauensvollen Bewerbungscafé-Runde wahrscheinlich nicht passiert. Natürlich kann dann auch ein Bewerbungs-Coach helfen (z.B. unser Angebot unter: www.wila-arbeitsmarkt.de/coaching), der kostet aber auch was.

Ein konstruktiver Dreh wäre ja über die nächste Frage einzuleiten: „Was fehlt mir denn, um auf dem Arbeitsmarkt zu landen? Diese Defiziterhebung ist Teil der Potenzialanalyse und kann Ergebnisse herausarbeiten wie: Ich muss flankierend meine Sprachkenntnisse erweitern, ich brauche ein Auslandspraktikum, ich muss mich mit EDV oder BWL beschäftigen. 

Steckbrief in eigener Sache

Wenn man dann weiß, was man grundsätzlich kann, und was davon auf dem Arbeitsmarkt gebraucht wird, sollte man in der Lage sein, sein eigenes Profil, eine Art Steckbrief bzw. eine Werbebotschaft in eigener Sache zu entwerfen. Kurz, bündig und schriftlich!

Nein, die wird dann nicht an jeden Baum getackert. Der Entwurf eines solchen Steckbriefs ist zunächst ein methodisches Vehikel. Über die Verschriftlichung des eigenen Profils mit Überschriften wie zum Beispiel: Wer ich bin ... Was ich kann ... Wohin ich möchte ... Was ich dort leisten kann ... Was mich besonders auszeichnet ... etc. wird man sich klar über die eigenen Fähigkeiten vor dem Hintergrund des bestehenden Arbeitsmarktes. Das Format Steckbrief bzw. Werbebotschaft zwingt dann zur Kürze, zur Präzision und zu Entscheidungen.

„Ich muss die Leute sehen“, antwortet ein Personalfachmann

Mit kurzen und knackigen Formulierungen muss man ohne Umschweife Farbe bekennen und sich anpreisen, auch wenn das vielen immer noch schwer fällt. Auch da kann der ermunternde Blick der Bewerbungsgruppe anspornen. Im Idealfall entsteht darüber tatsächlich ein Handout, das man bei passenden Gelegenheiten, zum Beispiel beim persönlichen Netzwerken, auf Jobmessen, Fachkongressen etc. in die richtigen Hände geben kann. Viel höher ist aber der Wert, sich über diesen Marketingumweg klar zu werden, was man kann und was man will. Mehr noch: Viele Formulierungen in Bewerbungsanschreiben und viele Antworten auf Fragen in Vorstellungsgesprächen lassen sich mit dieser „Grundlagenforschung“ deutlich souveräner erledigen.

Wer sich intensiv und kreativ mit seinen Fähigkeiten als akademischer Allrounder bzw. Quereinsteiger auseinandersetzt und sich – nach kritischer Analyse der Defizite – um gezielte Weiterbildung kümmert, hat ein individuelles und sehr vielversprechendes Spektrum an Fähigkeiten für den gegenwärtigen Arbeitsmarkt zu bieten. Selbst wenn die sich bietenden Beschäftigungsfelder eher fachfremd erscheinen, ermöglichen sie den so wichtigen Berufseinstieg. Mit etwas Berufserfahrung lassen sich später oft genug noch Berufsperspektiven erschließen, die wieder mehr mit den studierten Fächern zu tun haben.

Potenzialanalyse-Wila-Bonn

Vier Bereiche der Potenzialanalyse

Bereich 1: Fachliche und methodische Kompetenzen

Wer zum Beispiel in Germanistik promoviert hat, bezeichnet sich – wenig überraschend – als Germanist/in, ein fertig studierter Master der Geologie naheliegend als Geologe oder Geologin. Diese Identifikation mit den Studieninhalten ist für die thematische Vertiefung und die daraus resultierende wissenschaftliche Expertise absolut hilfreich. Die wissenschaftliche Welt honoriert das auch entsprechend. Aber einen bezahlten Job gibt es deshalb noch lange nicht.

Wer tatsächlich mit solcher Fachqualifikation auf dem Arbeitsmarkt landen kann, hat großes Glück, gute Beziehungen oder beides. Alle anderen müssen darauf bauen, dass sie mit ihren Qualitäten jenseits der Fachqualifikation punkten können. Kurz und knapp: Hauptsache studiert – egal was! Und tatsächlich bauen darauf immer mehr Arbeitgeber, die akademische Quereinsteiger in unterschiedlichen Arbeitsfeldern einsetzen. Sie wissen es zu schätzen, dass Absolventen zielorientiert studiert haben und ihr Studium zum Abschluss gebracht haben.

Wer das schafft mit dem bekannten Prüfungsstress und den inzwischen engen Zeitplänen, der ist grundsätzlich zu gebrauchen. Deshalb hat eine Absolvent/in neben den fachlichen Inhalten und den wissenschaftlichen Ergebnissen noch einiges mehr zu bieten, nämlich überall hilfreiches Know-how in Bereichen wie analytisches Denken, systematische Informationsakquise, termingerechtes Arbeiten, routinierten Umgang mit neuen und alten Medien. Je nach Fachdisziplin gibt es auch mehr oder weniger brauchbares methodisches Werkzeug wie im Bereich der empirischen Sozialforschung, statistische Anwendungen, kritische Interpretation von Quellen etc., die auch in anderen beruflichen Zusammenhängen ihren Wert haben.

2. Schlüsselqualifikationen

Richtig spannend wird es, wenn man sich das erfolgreich abgeschlossene Studium unter dem Aspekt der inzwischen überall explizit erwarteten Schlüsselkompetenzen betrachtet. Auch erste Arbeitserfahrungen, Jobs während des Studiums, freiberufliche Aktivitäten und Praktika haben Fähigkeiten herausgefordert, die auch in der Arbeitswelt gefragt sind. Wer Projekte im Team erfolgreich bewältigt hat, sollte dies – gerade wegen der möglichen Probleme in Arbeitsgruppen – als Beweis für seine Teamfähigkeit werten und dies auch bei entsprechender Gelegenheit konkret benennen.

Dazu gehören auch Fähigkeiten zur Motivierung von Teamkollegen, zur Mediation in Konflikten und das Vermögen, auftretende Probleme lösungsorientiert und flexibel anzugehen. Wer schon früh Gruppen angeleitet, Unterricht gegeben oder ökologische Führungen angeboten hat, der konnte auch schon seine pädagogischen Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Wer sich in oder außerhalb der Uni politisch oder sozial engagiert hat, wird seine diplomatischen, rhetorischen und vermittelnden Fähigkeiten geschult haben. Alles Qualitäten, die im Management überaus gefragt, im Bereich Personalentwicklung sogar erforderlich sind. Wer mehrere Prüfungen, Klausuren und Referate in kurzer Zeit geschafft oder zwei Jobs neben dem Studium oder nach dem Abschluss als freiberuflicher Übersetzer seine Termine eingehalten hat, der darf sich getrost darauf verlassen, eine gewisse Belastbarkeit mitzubringen. Es geht dabei natürlich letztendlich um die Fähigkeit, die einschlägigen Soft-Skills im Bewerbungsprozess mit Beispielen belegen zu können, aber zunächst einmal um die Reflexion darüber, was man alles schon „so ganz nebenbei“ an Qualifikationen erworben hat.

Selbst wenn diese sich wie Selbstverständlichkeiten anhören, weil sie ja irgendwie jeder hat – erstens hat sie eben nicht jeder, und zweitens müssen sie erkannt und selbstbewusst kommuniziert werden.

3. Kulturelle Kompetenzen

Wer sich für Geisteswissenschaften oder Geowissenschaften als Studium entschieden hat, dürfte in der Regel auch  überdurchschnittlich aufgeschlossen sein für soziale Zusammenhänge, für fremde Sprachen, Kulturen und für politisches Geschehen. Weiterhin sind die meisten dieser Akademiker/innen überdurchschnittlich interessiert an Kunst und Kultur und verfügen wegen ihres oft sehr breit angelegten Studiums (insbes. Journalismus, Kommunikationswissenschaften, Regionalwissenschaften, Geografie  ...) insgesamt über ein gutes Allgemeinwissen.

Dieses wiederum ist die Grundlage sowohl für anspruchsvolle Konversation wie auch für eine nicht minder wertvolle Smalltalk-Fähigkeit, die gerade im Berufsleben den Umgang auch mit internationalen Kunden, Partnern und Geschäftleuten erleichtert; Fähigkeiten, die nicht nur im Kulturmanagement, sondern zum Beispiel auch im diplomatischen Dienst oder bei weltweit operierenden Unternehmen gefragt sind.

4. Persönliche Kompetenzen

„Ich muss die Leute sehen“, antwortete ein Personalfachmann auf die Frage, welche besonderen Qualifikationen er bei unspezifisch ausgebildeten Akademikern schätzen würde. Es käme neben der Berufserfahrung wesentlich auf die Persönlichkeit an, und die könne man nicht aus der Bewerbung schließen, die müsse man „face to face“ erleben. Schon der erste Eindruck kann entscheidend sein. Ist der vermasselt, gibt es kaum eine zweite Chance.

Wie kommt jemand herein, wie steht er da, wie klingt die Stimme, wie zeigt sich das Temperament? Ist man beeindruckt vom Auftreten oder von der Selbstsicherheit, von der Gestik, Ansprache, Rhetorik, Präsenz. Jeder Rat in diesem Zusammenhang ist natürlich unpräzise und muss im Zusammenhang gesehen werden. Fest steht, dass bestimmte Defizite, wie zum Beispiel übertriebene Schüchternheit, Sprechblockaden wegen Nervosität, mangelnde Beherrschung von Small-Talk und Begrüßungsritualen schnell nicht nur einen schlechten, sondern auch einen falschen Eindruck hinterlassen können.

Auch ein Hans Dampf, der raumeinnehmend die Situation im Vorstellungsgespräch beherrscht, wird nicht überall gut ankommen. In solchen Fällen gibt es Regulierungsbedarf und auch entsprechende Möglichkeiten. Workshops zu Themen wie Präsenz oder professionelles Auftreten kann man ja buchen, je nach Bedarf bei Schauspielern, Dramaturgen oder Rhetorik-Experten.

Und die persönliche Seite hat oft noch mehr zu bieten. Es gibt ja mehr oder weniger ausgeprägte Hobbys und Freizeitaktivitäten, die zunächst mal der persönlichen Erbauung dienen. Das ist die private Seite, die mit der beruflichen nichts zu tun hat. Dennoch sollte man sich diese freizeitliche Seite genauer anschauen, ob sie nicht auch profilrelevante Hinweise hergibt, die auch Arbeitgeber interessieren könnten. Da geht es nicht um die schlichte Angabe zu den Hobbys im Lebenslauf.

Das wirkt – je nach Eintrag – erhellend bis erheiternd. Aber wer Trainerin einer Mädchenfußballequipe ist oder Bühnenerfahrung als Musiker oder Tangotänzer hat, sollte dies nicht grundsätzlich außen vor lassen, sondern je nach Adressat bewusst angeben, zumindest aber im passenden Moment parat haben. Gibt es also Dinge aus diesem Hobby- und Kreativitätsbereich, die das von mir übermittelte „Bild“ an den Arbeitgeber positiv beeinflussen können? Gehen Sie in sich.

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