Networking per Kaffeeklatsch
Lars Hahn ist Experte für Networking. / Copyright: L. Hahn

Networking per Kaffeeklatsch

Akademiker sollten systematisch Kaffee trinken gehen, sagt Lars Hahn. Der Erfolg kommt über Bande. Mit dem Karriere-Experten aus Mülheim an der Ruhr sprach Benjamin O’Daniel.

Das Thema Networking hängt ja vielen Akademikern zum Halse raus. Verständlich?

Lars Hahn: Die meisten Akademiker denken, dass Networking etwas für kostümierte und krawatierte Damen und Herren ist. Sie wollen keine steifen Veranstaltungen besuchen, ein Sektglas in der Hand halten und mit Fremden krampfhaft oberflächliche Gespräche führen. Nur führt diese Horrorvorstellung leider dazu, dass viele Akademiker überhaupt kein Networking betreiben. Dabei ist es nur die falsche Form.

Sie plädieren dafür, dass Akademiker „systematisch Kaffeetrinken“ sollen, um sich ein eigenes Netzwerk aufzubauen. Wo ist der Unterschied zum Networking – außer, dass man Kaffee statt Sekt trinkt?

Lars Hahn: Es geht darum, dass man mit Freunden und Bekannten Kaffee oder gern auch Tee trinken geht und sich mit ihnen über ihre Arbeit unterhält. Die meisten Jobs werden nicht offiziell ausgeschrieben, sondern über informelle oder gar interne Kanäle vergeben. Und genau so kommen viele Menschen an eine neue Stelle: Bei einem Spaziergang trifft man zufällig einen früheren Kommilitonen, der berichtet von einem offenen Job in der Firma, dann wird man eingeladen und bekommt die Stelle, obwohl man eigentlich etwas ganz anderes geplant hat. Empfehlungen lautet das Zauberwort.

Nicht jeder Mensch hat hunderte Freunde, mit denen man Kaffee trinken kann.

Lars Hahn: Jeder Mensch hat ein persönliches Netzwerk von zwischen 150 und 250 Personen. Man muss sich nur einmal hinsetzen und systematisch alle Menschen in einer Excel-Tabelle aufschreiben, denen man jemals begegnet ist. Vom Chemie-Leistungskurs über die Uni bis zu allen Praktika, Nebenjobs und Ferienfreizeiten. Alle aufschreiben!

Und dann abklappern? Klingt nach einem Marathon.

Lars Hahn: Anschließend bewerten Sie Ihre ganzen Kontakte erst einmal. Aber bitte nicht die Personen zuerst anmailen, die gerade Führungskraft geworden sind und vielleicht, hoffentlich eine Stelle zu vergeben haben. Stattdessen sollte man diejenigen aussuchen, die man nett findet und die idealerweise in dem Feld arbeiten, in das man auch möchte. Zum Beispiel einen früheren Kollegen, mit dem man auch gemeinsam auf Kongresse gegangen ist. Oder eine Kommilitonin, mit der man sich schon damals gut unterhalten konnte.

Aber die meisten benötigen doch einen Job und machen deswegen Networking.

Lars Hahn: Vielleicht. Aber Networking funktioniert selten über den direkten Weg. Der Erfolg kommt über Bande. Außerdem ist man Gesprächspartner und kein Bittsteller. Es geht nicht darum, den anderen mit den eigenen Bewerbungsunterlagen zuzumüllen, sondern ihn zu fragen: Was tust du eigentlich? Wie bist du an den Job gekommen? Was braucht man dafür? So macht man Marktforschung in eigener Sache. In ein Bewerbungsgespräch kann man notfalls unvorbereitet gehen – auch wenn das natürlich nicht klug ist. Aber zu einem Kaffeegespräch muss man sich wirklich vorbereiten. Man kann seinem Gesprächspartner zum Beispiel ein Geschenk mitbringen.

Eine Schachtel Pralinen oder wie?

Lars Hahn: Das wäre ein bisschen plump. Es gibt ja auch immaterielle Geschenke. Zum Beispiel einen Veranstaltungstipp, den die andere Person interessant finden könnte. Oder einen Gruß von einem früheren Weggefährten. Über so etwas freut sich jeder Mensch. Und es zeigt, dass man nicht nur Informationen abgreifen will.

Ok, der Kaffee ist irgendwann getrunken. Wie geht es weiter?

Lars Hahn: Nach der Offline-Vernetzung kommt die Online-Vernetzung. Ich verstehe nicht, warum sich immer noch so viele Menschen gegen Xing, LinkedIn, Facebook und andere Netzwerke wehren. Dort kann man einfach und schnell Kontakt halten. Meine Devise lautet immer: So persönlich wie möglich zeigen. Aber niemals privat.

Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:
Lars Hahn ist Diplom-Pädagoge. Als Chef der LVQ Weiterbildung gGmbH in Mülheim an der Ruhr berät er Akademikerinnen und Akademiker, die „durch eine Weiterbildung den Jobstart oder Jobwechsel beschleunigen wollen“. In seinem Blog www.systematischkaffeetrinken.de schreibt er über Karriere, Weiterbildung, Social Media und Arbeitsmarkt.

Wila-arbeitsmarkt-BikuDer Artikel ist im arbeitsmarkt Bildung, Kultur und Sozialwesen erschienen. Jede Woche bieten wir eine Übersicht von mehreren hunderten aktuellen Stellen für Geistes- und Sozialwissenschaftler. Außerdem berichten wir in ausführlichen Analysen über die beruflichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt und über berufliche Lebenswege von Akademikern.

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